Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gesuchte. Auf dem Rückwege zeigte mir mein Führer noch zwei
große Teiche, die ihre Spiegel, welche nur die schwarze, kaum einige
Fuß über ihnen schwebende Felsendecke zurückwerfen, weit in das
Innere des Berges erstrecken sollen. Vor mehreren Jahren, bei der
Anwesenheit einer allerhöchsten Herrschaft, sollen diese Teiche von der
Decke aus mit vielen hundert Lampen beleuchtet gewesen sein, was
einen wunderbaren, schauerlichen Effect gemacht haben soll. Ebenso
zeigte er mir noch das große Rad, das von dem unterirdischen
Wasser, das es selbst herauspumpt, getrieben wird, und zugleich die
Seile mit den Erzkübeln in Bewegung setzt. Sein heftiger Um¬
schwung verursacht einen solchen Luftzug, daß es gefährlich ist, sich
ihm auf eine gewisse Entfernung zu nähern. Vor Kurzem erst hatte
es einen Bergknappen, der sich zu nahe herangewagt, durch sein
furchtbares Einathmen an sich gerissen, und niemals wieder fand
man eine Spur von ihm. Diese Luftströmung, in Verbindung mit
dem Geräusche des stürzenden Wassers, verursacht einen so gewalti¬
gen, betäubenden Lärm, daß man entsetzt aus seinem Bereiche flieht.

Endlich sahen wir das Tageslicht wie einen in weiter Ferne
schimmernden, silbernen Stern -- noch einige Leitern höher, und im¬
mer größer und größer wurde der Stern -- noch eine Leiter --
noch einige Sprossen -- noch einen kühnen Sprung, und ich stand
in Gottes freiem, erwärmenden, heiligen Sonnenlichte. Es war ho¬
her Mittag. Der Himmel schien mir Heller, die Sonne strahlender,
die Erde grüner als je zuvor, und ich mußte an alle die leuchtende
Herrlichkeit erst Auge und Herz gewöhnen. Mir war, als wäre ich
neu geboren. Sechs Stunden waren mir im unterirdischen Reiche
verstrichen; sie schienen mir wie zu einem andern Leben gehörig, als
Wäre ich durch einen Zauber plötzlich dieser Welt entrückt und in
eine andere, ferne, fremde versetzt gewesen. -- Ein Jahr früher hatte
ich die Adelsberger Höhle in Krain besucht. Damals war es mir,
als wandelte ich in einem versunkenen gothischen Dome; im Anncn-
schachte war mir zu Muthe, als schritte ich auf einem ausgebrann¬
ten, verkohlten, der Sonne fernen Sterne hin. -- Mit einigem Ver¬
gnügen fühlte ich die Sonne auf mich niederwärmen, mit lauschen¬
dem Ohre horchte ich dem Gesänge der Vögel, dem Commandoruf
des ackernden Bauern auf dem Felde, und mit jubelnden Herzen
Heinrich Dusch. eilte ich dem Hause meiner Freunde zu.


gesuchte. Auf dem Rückwege zeigte mir mein Führer noch zwei
große Teiche, die ihre Spiegel, welche nur die schwarze, kaum einige
Fuß über ihnen schwebende Felsendecke zurückwerfen, weit in das
Innere des Berges erstrecken sollen. Vor mehreren Jahren, bei der
Anwesenheit einer allerhöchsten Herrschaft, sollen diese Teiche von der
Decke aus mit vielen hundert Lampen beleuchtet gewesen sein, was
einen wunderbaren, schauerlichen Effect gemacht haben soll. Ebenso
zeigte er mir noch das große Rad, das von dem unterirdischen
Wasser, das es selbst herauspumpt, getrieben wird, und zugleich die
Seile mit den Erzkübeln in Bewegung setzt. Sein heftiger Um¬
schwung verursacht einen solchen Luftzug, daß es gefährlich ist, sich
ihm auf eine gewisse Entfernung zu nähern. Vor Kurzem erst hatte
es einen Bergknappen, der sich zu nahe herangewagt, durch sein
furchtbares Einathmen an sich gerissen, und niemals wieder fand
man eine Spur von ihm. Diese Luftströmung, in Verbindung mit
dem Geräusche des stürzenden Wassers, verursacht einen so gewalti¬
gen, betäubenden Lärm, daß man entsetzt aus seinem Bereiche flieht.

Endlich sahen wir das Tageslicht wie einen in weiter Ferne
schimmernden, silbernen Stern — noch einige Leitern höher, und im¬
mer größer und größer wurde der Stern — noch eine Leiter —
noch einige Sprossen — noch einen kühnen Sprung, und ich stand
in Gottes freiem, erwärmenden, heiligen Sonnenlichte. Es war ho¬
her Mittag. Der Himmel schien mir Heller, die Sonne strahlender,
die Erde grüner als je zuvor, und ich mußte an alle die leuchtende
Herrlichkeit erst Auge und Herz gewöhnen. Mir war, als wäre ich
neu geboren. Sechs Stunden waren mir im unterirdischen Reiche
verstrichen; sie schienen mir wie zu einem andern Leben gehörig, als
Wäre ich durch einen Zauber plötzlich dieser Welt entrückt und in
eine andere, ferne, fremde versetzt gewesen. — Ein Jahr früher hatte
ich die Adelsberger Höhle in Krain besucht. Damals war es mir,
als wandelte ich in einem versunkenen gothischen Dome; im Anncn-
schachte war mir zu Muthe, als schritte ich auf einem ausgebrann¬
ten, verkohlten, der Sonne fernen Sterne hin. — Mit einigem Ver¬
gnügen fühlte ich die Sonne auf mich niederwärmen, mit lauschen¬
dem Ohre horchte ich dem Gesänge der Vögel, dem Commandoruf
des ackernden Bauern auf dem Felde, und mit jubelnden Herzen
Heinrich Dusch. eilte ich dem Hause meiner Freunde zu.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0364" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271625"/>
          <p xml:id="ID_987" prev="#ID_986"> gesuchte. Auf dem Rückwege zeigte mir mein Führer noch zwei<lb/>
große Teiche, die ihre Spiegel, welche nur die schwarze, kaum einige<lb/>
Fuß über ihnen schwebende Felsendecke zurückwerfen, weit in das<lb/>
Innere des Berges erstrecken sollen. Vor mehreren Jahren, bei der<lb/>
Anwesenheit einer allerhöchsten Herrschaft, sollen diese Teiche von der<lb/>
Decke aus mit vielen hundert Lampen beleuchtet gewesen sein, was<lb/>
einen wunderbaren, schauerlichen Effect gemacht haben soll. Ebenso<lb/>
zeigte er mir noch das große Rad, das von dem unterirdischen<lb/>
Wasser, das es selbst herauspumpt, getrieben wird, und zugleich die<lb/>
Seile mit den Erzkübeln in Bewegung setzt. Sein heftiger Um¬<lb/>
schwung verursacht einen solchen Luftzug, daß es gefährlich ist, sich<lb/>
ihm auf eine gewisse Entfernung zu nähern. Vor Kurzem erst hatte<lb/>
es einen Bergknappen, der sich zu nahe herangewagt, durch sein<lb/>
furchtbares Einathmen an sich gerissen, und niemals wieder fand<lb/>
man eine Spur von ihm. Diese Luftströmung, in Verbindung mit<lb/>
dem Geräusche des stürzenden Wassers, verursacht einen so gewalti¬<lb/>
gen, betäubenden Lärm, daß man entsetzt aus seinem Bereiche flieht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_988"> Endlich sahen wir das Tageslicht wie einen in weiter Ferne<lb/>
schimmernden, silbernen Stern &#x2014; noch einige Leitern höher, und im¬<lb/>
mer größer und größer wurde der Stern &#x2014; noch eine Leiter &#x2014;<lb/>
noch einige Sprossen &#x2014; noch einen kühnen Sprung, und ich stand<lb/>
in Gottes freiem, erwärmenden, heiligen Sonnenlichte. Es war ho¬<lb/>
her Mittag. Der Himmel schien mir Heller, die Sonne strahlender,<lb/>
die Erde grüner als je zuvor, und ich mußte an alle die leuchtende<lb/>
Herrlichkeit erst Auge und Herz gewöhnen. Mir war, als wäre ich<lb/>
neu geboren. Sechs Stunden waren mir im unterirdischen Reiche<lb/>
verstrichen; sie schienen mir wie zu einem andern Leben gehörig, als<lb/>
Wäre ich durch einen Zauber plötzlich dieser Welt entrückt und in<lb/>
eine andere, ferne, fremde versetzt gewesen. &#x2014; Ein Jahr früher hatte<lb/>
ich die Adelsberger Höhle in Krain besucht. Damals war es mir,<lb/>
als wandelte ich in einem versunkenen gothischen Dome; im Anncn-<lb/>
schachte war mir zu Muthe, als schritte ich auf einem ausgebrann¬<lb/>
ten, verkohlten, der Sonne fernen Sterne hin. &#x2014; Mit einigem Ver¬<lb/>
gnügen fühlte ich die Sonne auf mich niederwärmen, mit lauschen¬<lb/>
dem Ohre horchte ich dem Gesänge der Vögel, dem Commandoruf<lb/>
des ackernden Bauern auf dem Felde, und mit jubelnden Herzen<lb/><note type="byline"> Heinrich Dusch.</note> eilte ich dem Hause meiner Freunde zu. </p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0364] gesuchte. Auf dem Rückwege zeigte mir mein Führer noch zwei große Teiche, die ihre Spiegel, welche nur die schwarze, kaum einige Fuß über ihnen schwebende Felsendecke zurückwerfen, weit in das Innere des Berges erstrecken sollen. Vor mehreren Jahren, bei der Anwesenheit einer allerhöchsten Herrschaft, sollen diese Teiche von der Decke aus mit vielen hundert Lampen beleuchtet gewesen sein, was einen wunderbaren, schauerlichen Effect gemacht haben soll. Ebenso zeigte er mir noch das große Rad, das von dem unterirdischen Wasser, das es selbst herauspumpt, getrieben wird, und zugleich die Seile mit den Erzkübeln in Bewegung setzt. Sein heftiger Um¬ schwung verursacht einen solchen Luftzug, daß es gefährlich ist, sich ihm auf eine gewisse Entfernung zu nähern. Vor Kurzem erst hatte es einen Bergknappen, der sich zu nahe herangewagt, durch sein furchtbares Einathmen an sich gerissen, und niemals wieder fand man eine Spur von ihm. Diese Luftströmung, in Verbindung mit dem Geräusche des stürzenden Wassers, verursacht einen so gewalti¬ gen, betäubenden Lärm, daß man entsetzt aus seinem Bereiche flieht. Endlich sahen wir das Tageslicht wie einen in weiter Ferne schimmernden, silbernen Stern — noch einige Leitern höher, und im¬ mer größer und größer wurde der Stern — noch eine Leiter — noch einige Sprossen — noch einen kühnen Sprung, und ich stand in Gottes freiem, erwärmenden, heiligen Sonnenlichte. Es war ho¬ her Mittag. Der Himmel schien mir Heller, die Sonne strahlender, die Erde grüner als je zuvor, und ich mußte an alle die leuchtende Herrlichkeit erst Auge und Herz gewöhnen. Mir war, als wäre ich neu geboren. Sechs Stunden waren mir im unterirdischen Reiche verstrichen; sie schienen mir wie zu einem andern Leben gehörig, als Wäre ich durch einen Zauber plötzlich dieser Welt entrückt und in eine andere, ferne, fremde versetzt gewesen. — Ein Jahr früher hatte ich die Adelsberger Höhle in Krain besucht. Damals war es mir, als wandelte ich in einem versunkenen gothischen Dome; im Anncn- schachte war mir zu Muthe, als schritte ich auf einem ausgebrann¬ ten, verkohlten, der Sonne fernen Sterne hin. — Mit einigem Ver¬ gnügen fühlte ich die Sonne auf mich niederwärmen, mit lauschen¬ dem Ohre horchte ich dem Gesänge der Vögel, dem Commandoruf des ackernden Bauern auf dem Felde, und mit jubelnden Herzen Heinrich Dusch. eilte ich dem Hause meiner Freunde zu.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/364
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/364>, abgerufen am 05.02.2025.