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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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während mit Privatunterricht. Jedoch schon am 24. März 1818
endigte ein heftiger Zwist mit dem Vorstande des Landgerichtes, bei
welchem Jordan sich keine größere Schuld zuschreibt, als die zu großer
Offenheit und Hitze, dieses Dienstverhältniß, welches nach den Ge¬
setzen ein Jahr dauern sollte. Den Antrag, dasselbe bei einem an¬
dern Landgerichte gegen einen jährlichen Gehalt von 500 Gulden
fortzusetzen, lehnte er ab, weil er den Entschluß gefaßt hatte, in
Berlin sein Glück zu versuchen, zu welchem Zwecke er von Nöschlaub
das Versprechen erhalten hatte, ihn mit Empfehlungsschreiben dahin
zu versehen. Indessen ward er sür jetzt noch an Baiern festgehalten,
und Preußen sollte ihm nicht zum Wirkungskreise für seinen künf¬
tigen Lebensberuf bestimmt sein. Schon war er im Begriffe, die
Reise nach Berlin anzutreten, als sein Gönner Mittermaier von ei¬
ner Ferienreise zurückkehrte und ihn zur Uebernahme der advocatori-
schen Geschäftsführung bei dem OberappellationsgerichtSadvocaten
Meine! in München bewog, welcher als Agent des Herzogs Eugen
von Leuchtenberg, fast immer in dessen Geschäften abwesend sein
mußte und deshalb seine Geschäfte als Advocat nicht selbst zu ver¬
sehen im Stande war. Am 16. April 1818 trat er diese Stelle
an und verlebte in derselben die beiden nächsten Jahre in einer
beinahe unabhängigen Lage und unter den angenehmsten geselligen
Verhältnissen. Nur zweierlei war es, was ihn in dem ruhigen
Glücke, dessen er jetzt genoß, unterbrach und störte: eine schwere
Krankheit, erst Brustentzündung und dann Nervenfieber, wodurch er
im Herbst 1819 dem Tode nahe gebracht und schon von den Aerz¬
ten aufgegeben war, und sodann die Sorge wegen der Zukunft.
Nicht lange nach seiner Ankunft in München hatte er Marie Stau¬
dinger kennen gelernt und liebgewonnen; bald war er mit ihr ver¬
lobt. Er strebte nun angelegentlich darnach, sich eine feste, dauernde
Stellung bei einem seinen Kräften und Wünschen angemessenen Wir¬
kungskreise zu schaffen. Am liebsten würde ihm ein Lehrstuhl an
der Universität Landshut gewesen sein, zu dessen Erwerbung ihm auch
von Seiten des Ministeriums zu München dessen Unterstützung zu¬
gesagt ward; allein mächtiger, als diese, waren seine Widersacher
unter den Mitgliedern der juristischen und theologischen Facultcit der
Universität, zumal da ihm die Fürsprache und der Schutz seines
Freundes und Gönners, Mittermaiers, nicht mehr zu Theil werden
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während mit Privatunterricht. Jedoch schon am 24. März 1818
endigte ein heftiger Zwist mit dem Vorstande des Landgerichtes, bei
welchem Jordan sich keine größere Schuld zuschreibt, als die zu großer
Offenheit und Hitze, dieses Dienstverhältniß, welches nach den Ge¬
setzen ein Jahr dauern sollte. Den Antrag, dasselbe bei einem an¬
dern Landgerichte gegen einen jährlichen Gehalt von 500 Gulden
fortzusetzen, lehnte er ab, weil er den Entschluß gefaßt hatte, in
Berlin sein Glück zu versuchen, zu welchem Zwecke er von Nöschlaub
das Versprechen erhalten hatte, ihn mit Empfehlungsschreiben dahin
zu versehen. Indessen ward er sür jetzt noch an Baiern festgehalten,
und Preußen sollte ihm nicht zum Wirkungskreise für seinen künf¬
tigen Lebensberuf bestimmt sein. Schon war er im Begriffe, die
Reise nach Berlin anzutreten, als sein Gönner Mittermaier von ei¬
ner Ferienreise zurückkehrte und ihn zur Uebernahme der advocatori-
schen Geschäftsführung bei dem OberappellationsgerichtSadvocaten
Meine! in München bewog, welcher als Agent des Herzogs Eugen
von Leuchtenberg, fast immer in dessen Geschäften abwesend sein
mußte und deshalb seine Geschäfte als Advocat nicht selbst zu ver¬
sehen im Stande war. Am 16. April 1818 trat er diese Stelle
an und verlebte in derselben die beiden nächsten Jahre in einer
beinahe unabhängigen Lage und unter den angenehmsten geselligen
Verhältnissen. Nur zweierlei war es, was ihn in dem ruhigen
Glücke, dessen er jetzt genoß, unterbrach und störte: eine schwere
Krankheit, erst Brustentzündung und dann Nervenfieber, wodurch er
im Herbst 1819 dem Tode nahe gebracht und schon von den Aerz¬
ten aufgegeben war, und sodann die Sorge wegen der Zukunft.
Nicht lange nach seiner Ankunft in München hatte er Marie Stau¬
dinger kennen gelernt und liebgewonnen; bald war er mit ihr ver¬
lobt. Er strebte nun angelegentlich darnach, sich eine feste, dauernde
Stellung bei einem seinen Kräften und Wünschen angemessenen Wir¬
kungskreise zu schaffen. Am liebsten würde ihm ein Lehrstuhl an
der Universität Landshut gewesen sein, zu dessen Erwerbung ihm auch
von Seiten des Ministeriums zu München dessen Unterstützung zu¬
gesagt ward; allein mächtiger, als diese, waren seine Widersacher
unter den Mitgliedern der juristischen und theologischen Facultcit der
Universität, zumal da ihm die Fürsprache und der Schutz seines
Freundes und Gönners, Mittermaiers, nicht mehr zu Theil werden
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[0347] während mit Privatunterricht. Jedoch schon am 24. März 1818 endigte ein heftiger Zwist mit dem Vorstande des Landgerichtes, bei welchem Jordan sich keine größere Schuld zuschreibt, als die zu großer Offenheit und Hitze, dieses Dienstverhältniß, welches nach den Ge¬ setzen ein Jahr dauern sollte. Den Antrag, dasselbe bei einem an¬ dern Landgerichte gegen einen jährlichen Gehalt von 500 Gulden fortzusetzen, lehnte er ab, weil er den Entschluß gefaßt hatte, in Berlin sein Glück zu versuchen, zu welchem Zwecke er von Nöschlaub das Versprechen erhalten hatte, ihn mit Empfehlungsschreiben dahin zu versehen. Indessen ward er sür jetzt noch an Baiern festgehalten, und Preußen sollte ihm nicht zum Wirkungskreise für seinen künf¬ tigen Lebensberuf bestimmt sein. Schon war er im Begriffe, die Reise nach Berlin anzutreten, als sein Gönner Mittermaier von ei¬ ner Ferienreise zurückkehrte und ihn zur Uebernahme der advocatori- schen Geschäftsführung bei dem OberappellationsgerichtSadvocaten Meine! in München bewog, welcher als Agent des Herzogs Eugen von Leuchtenberg, fast immer in dessen Geschäften abwesend sein mußte und deshalb seine Geschäfte als Advocat nicht selbst zu ver¬ sehen im Stande war. Am 16. April 1818 trat er diese Stelle an und verlebte in derselben die beiden nächsten Jahre in einer beinahe unabhängigen Lage und unter den angenehmsten geselligen Verhältnissen. Nur zweierlei war es, was ihn in dem ruhigen Glücke, dessen er jetzt genoß, unterbrach und störte: eine schwere Krankheit, erst Brustentzündung und dann Nervenfieber, wodurch er im Herbst 1819 dem Tode nahe gebracht und schon von den Aerz¬ ten aufgegeben war, und sodann die Sorge wegen der Zukunft. Nicht lange nach seiner Ankunft in München hatte er Marie Stau¬ dinger kennen gelernt und liebgewonnen; bald war er mit ihr ver¬ lobt. Er strebte nun angelegentlich darnach, sich eine feste, dauernde Stellung bei einem seinen Kräften und Wünschen angemessenen Wir¬ kungskreise zu schaffen. Am liebsten würde ihm ein Lehrstuhl an der Universität Landshut gewesen sein, zu dessen Erwerbung ihm auch von Seiten des Ministeriums zu München dessen Unterstützung zu¬ gesagt ward; allein mächtiger, als diese, waren seine Widersacher unter den Mitgliedern der juristischen und theologischen Facultcit der Universität, zumal da ihm die Fürsprache und der Schutz seines Freundes und Gönners, Mittermaiers, nicht mehr zu Theil werden ' 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/347>, abgerufen am 05.02.2025.