Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.gente Roman, obschon in der Zeit der Kreuzzüge spielend, faßte doch gente Roman, obschon in der Zeit der Kreuzzüge spielend, faßte doch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271579"/> <p xml:id="ID_890" prev="#ID_889" next="#ID_891"> gente Roman, obschon in der Zeit der Kreuzzüge spielend, faßte doch<lb/> eben aus jener nur gläubigen Zeit die einzige Epoche heraus, welche<lb/> sich mit unserer Gegenwart in Verbindung setzen ließ. Der deutsche<lb/> Kaiser Friedrich II. und die römische Hierarchie sind die zwei bewe¬<lb/> genden und sich bekriegenden Elemente des Romans; und dieser um¬<lb/> faßt die ganze lange Zeit von 1228 bis zum Todestage Friedrichs im<lb/> Jahre 1250. Bereits in der langen Dauer der Handlung des Ro¬<lb/> manes — denn wir verfolgen zwei und zwanzig Jahre lang die da¬<lb/> malige Weltgeschichte Schritt für Schritt — liegt die Nothwendigkeit<lb/> eines Fehlers begründet, der sich denn auch wirklich in nicht geringem<lb/> Maße geltend macht. Ich meine nämlich den Mangel einer Con-<lb/> centration der ganzen Bewegungen einer langen Periode auf gewisse<lb/> einzelne massenhafte Schichten. Es ist durch diese lange und unun¬<lb/> terbrochene Dauer der Romangeschichte nöthig worden, zu viel Neben¬<lb/> dinge und -Personen fort und fort mitzuschleppen, die uns vielleicht<lb/> nur an einer einzigen Stelle nöthig sind und deren persönliche An¬<lb/> schauung uns außerdem wieder vom Romangange verwehrt ist. Um<lb/> es mit kurzen Worten zu sagen: dieser Roman enthalt zu viel wis¬<lb/> senschaftliche und vom Romangang abseits gelegene Geschichtserzählung.<lb/> Wir entbehren dadurch den Vortheil des unmittelbaren Eindrucks, ?er<lb/> menschlichen Empfindung für Menschen und Situationen. Die Liebe<lb/> des Narren zum Kaiser und zu dessen Geliebten, Eudoria, des Kaisers<lb/> und Eudorias gegenseitiges Verhältniß selbst erscheinen zwar wohl als<lb/> eigentliche Agentien der ganzen Romantik des vorliegenden Buches;<lb/> aber auch das Interesse an ihnen tritt durch die Geschichte zu sehr<lb/> in den theilnahmlosen Mittel- und Hintergrund. Sie erscheint epi¬<lb/> sodisch, aber nicht organisirend. Und dies eben erscheint mir der im<lb/> Vorwurfe des Romans selber begründete Fehler, daß man Neigung<lb/> und Theilnahme nicht an die Personen hängen und fesseln kann, daß<lb/> wir immer und immer wieder auf das Interesse an der Welthistorie<lb/> hingestoßen werden, ohne daß sich diese verkörpert. Es sind der Kai¬<lb/> sergestalt gegenüber keine umfassenden Träger aller Gegensätze gegen<lb/> seine Absichten, Pläne und Anschauungen vorhanden; jede einzelne<lb/> Person vertritt nur eine einzelne abgeschlossene Gcgenabsicht, einen<lb/> einzelnen Gegenplan, ein isolirtes Interesse, und Niemand ist als<lb/> Gesammthaupt der gegenkaiserlichen Partei vorhanden Wir haben<lb/> keine Größe, an der wir die des Kaisers vergleichen und bemessen<lb/> können, und darum ist eben der Verfasser so oft genöthigt, es dem<lb/> Leser zu versichern, daß jener ein großer Mann. Dies bedingt aber<lb/> immer nur ein verständig erstaunendes, kein im tiefinnerster Gemüthe<lb/> bewunderndes Gefühl im Leser. Es entsteht unter solchen Verhält¬<lb/> nissen nothwendig die Folge, daß man, so vortrefflich auch manche<lb/> Partien und besonders einzelne Situationen geschildert sind, doch in¬<lb/> nerlich theilnahmlos von Anfang bis zu Ende bleibt, daß uns die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
gente Roman, obschon in der Zeit der Kreuzzüge spielend, faßte doch
eben aus jener nur gläubigen Zeit die einzige Epoche heraus, welche
sich mit unserer Gegenwart in Verbindung setzen ließ. Der deutsche
Kaiser Friedrich II. und die römische Hierarchie sind die zwei bewe¬
genden und sich bekriegenden Elemente des Romans; und dieser um¬
faßt die ganze lange Zeit von 1228 bis zum Todestage Friedrichs im
Jahre 1250. Bereits in der langen Dauer der Handlung des Ro¬
manes — denn wir verfolgen zwei und zwanzig Jahre lang die da¬
malige Weltgeschichte Schritt für Schritt — liegt die Nothwendigkeit
eines Fehlers begründet, der sich denn auch wirklich in nicht geringem
Maße geltend macht. Ich meine nämlich den Mangel einer Con-
centration der ganzen Bewegungen einer langen Periode auf gewisse
einzelne massenhafte Schichten. Es ist durch diese lange und unun¬
terbrochene Dauer der Romangeschichte nöthig worden, zu viel Neben¬
dinge und -Personen fort und fort mitzuschleppen, die uns vielleicht
nur an einer einzigen Stelle nöthig sind und deren persönliche An¬
schauung uns außerdem wieder vom Romangange verwehrt ist. Um
es mit kurzen Worten zu sagen: dieser Roman enthalt zu viel wis¬
senschaftliche und vom Romangang abseits gelegene Geschichtserzählung.
Wir entbehren dadurch den Vortheil des unmittelbaren Eindrucks, ?er
menschlichen Empfindung für Menschen und Situationen. Die Liebe
des Narren zum Kaiser und zu dessen Geliebten, Eudoria, des Kaisers
und Eudorias gegenseitiges Verhältniß selbst erscheinen zwar wohl als
eigentliche Agentien der ganzen Romantik des vorliegenden Buches;
aber auch das Interesse an ihnen tritt durch die Geschichte zu sehr
in den theilnahmlosen Mittel- und Hintergrund. Sie erscheint epi¬
sodisch, aber nicht organisirend. Und dies eben erscheint mir der im
Vorwurfe des Romans selber begründete Fehler, daß man Neigung
und Theilnahme nicht an die Personen hängen und fesseln kann, daß
wir immer und immer wieder auf das Interesse an der Welthistorie
hingestoßen werden, ohne daß sich diese verkörpert. Es sind der Kai¬
sergestalt gegenüber keine umfassenden Träger aller Gegensätze gegen
seine Absichten, Pläne und Anschauungen vorhanden; jede einzelne
Person vertritt nur eine einzelne abgeschlossene Gcgenabsicht, einen
einzelnen Gegenplan, ein isolirtes Interesse, und Niemand ist als
Gesammthaupt der gegenkaiserlichen Partei vorhanden Wir haben
keine Größe, an der wir die des Kaisers vergleichen und bemessen
können, und darum ist eben der Verfasser so oft genöthigt, es dem
Leser zu versichern, daß jener ein großer Mann. Dies bedingt aber
immer nur ein verständig erstaunendes, kein im tiefinnerster Gemüthe
bewunderndes Gefühl im Leser. Es entsteht unter solchen Verhält¬
nissen nothwendig die Folge, daß man, so vortrefflich auch manche
Partien und besonders einzelne Situationen geschildert sind, doch in¬
nerlich theilnahmlos von Anfang bis zu Ende bleibt, daß uns die
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