Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

malten, Sachsen und Anderen, welche dem Achten germanischen Vun-
desprinzip treu blieben. Von den Franken ist jene erclusive Natio¬
nalität auf deutschen Boden verpflanzt worden, und hat in der deut¬
schen Kaiserwürde einen Träger gefunden. Ist sie aber erstens nicht
deutsch ihrem Ursprünge nach, so hat sie ^auch zweitens nie in
Deutschland selbst Anklang gefunden, denn die deutsche Reichsgeschichte
ist eine Reihe von Kämpfen des Föderalismus mit der Centralisa¬
tion, und zuletzt ist der Föderalismus dennoch durchgebrochen und
hat das deutsche Reich vernichtet. Sie hat auch -- man möge sich
darüber keine Täuschung vorspiegeln -- in neuester Zeit auf deut¬
schem Boden kein Glück gemacht, denn der Gedanke angeborner
gleicher Berechtigung sowohl der Einzelnen, als der Völker unter¬
einander, ist ein Grundbestandtheil deutscher Sinnesart in alter Zeit
gewesen, und ist es in der Mehrheit der Bevölkerungen immer noch
geblieben, obwohl seit beinahe einem Jahrtausend die deutschen
Machthaber daran gearbeitet haben, die deutsche Volkshcrrlichkeit und
Selbstverwaltung, das deutsche Recht, die deutschen Gerichte, das
öffentlich-mündliche Verfahren, die deutsche Redefreiheit, mit einem
Wort das ganze deutsche öffentliche Wesen zu vernichten, und die
deutschen Völker mit dem Absolutismus, mit der Polizei, mit dem
byzantinischen Jus mit dem Jnauisitionsprozeß in Criminal-, mit
dem kanonischen Prozeß in Civilsachen, mit der Censur, mit der
Diplomatie und andern päbstischen Institutionen zu beglückseligen.
Es ist wahr, es ist ihnen scheinbar gelungen: was auf der Ober¬
fläche schwimmt -- es ist Alles romanisch, Alles Päbstisch, Alles
byzantinisch, aber in der Tiefe der deutschen Herzen ruht wie die
Perle im Meere das Gefühl und der Gedanke der Rechtsgleichheit,
der Freiheit. Wird er auf deutschem Boden nicht mehr anerkannt,
ist er fremd geworden auf der heimischen Erde, kann er nicht mehr
zur Herrschaft gelangen: -- so ziehen Hunderttausende aus, und
werden ausziehen, um jenseits des Meeres dieses Kleinodes in Si¬
cherheit zu genießen, denn ein Vaterland hat nur der freie Mann.

Wenn wir aber jene auf Bevorrechtung der einen Nation über
die andere ausgehende Nationalität als eine falsche bezeichnen, und
als undeutsch von der Hand weisen; so verwerfen wir damit keines¬
wegs die deutsche Nationalität überhaupt. Auch dieser Fehler ist


malten, Sachsen und Anderen, welche dem Achten germanischen Vun-
desprinzip treu blieben. Von den Franken ist jene erclusive Natio¬
nalität auf deutschen Boden verpflanzt worden, und hat in der deut¬
schen Kaiserwürde einen Träger gefunden. Ist sie aber erstens nicht
deutsch ihrem Ursprünge nach, so hat sie ^auch zweitens nie in
Deutschland selbst Anklang gefunden, denn die deutsche Reichsgeschichte
ist eine Reihe von Kämpfen des Föderalismus mit der Centralisa¬
tion, und zuletzt ist der Föderalismus dennoch durchgebrochen und
hat das deutsche Reich vernichtet. Sie hat auch — man möge sich
darüber keine Täuschung vorspiegeln — in neuester Zeit auf deut¬
schem Boden kein Glück gemacht, denn der Gedanke angeborner
gleicher Berechtigung sowohl der Einzelnen, als der Völker unter¬
einander, ist ein Grundbestandtheil deutscher Sinnesart in alter Zeit
gewesen, und ist es in der Mehrheit der Bevölkerungen immer noch
geblieben, obwohl seit beinahe einem Jahrtausend die deutschen
Machthaber daran gearbeitet haben, die deutsche Volkshcrrlichkeit und
Selbstverwaltung, das deutsche Recht, die deutschen Gerichte, das
öffentlich-mündliche Verfahren, die deutsche Redefreiheit, mit einem
Wort das ganze deutsche öffentliche Wesen zu vernichten, und die
deutschen Völker mit dem Absolutismus, mit der Polizei, mit dem
byzantinischen Jus mit dem Jnauisitionsprozeß in Criminal-, mit
dem kanonischen Prozeß in Civilsachen, mit der Censur, mit der
Diplomatie und andern päbstischen Institutionen zu beglückseligen.
Es ist wahr, es ist ihnen scheinbar gelungen: was auf der Ober¬
fläche schwimmt — es ist Alles romanisch, Alles Päbstisch, Alles
byzantinisch, aber in der Tiefe der deutschen Herzen ruht wie die
Perle im Meere das Gefühl und der Gedanke der Rechtsgleichheit,
der Freiheit. Wird er auf deutschem Boden nicht mehr anerkannt,
ist er fremd geworden auf der heimischen Erde, kann er nicht mehr
zur Herrschaft gelangen: — so ziehen Hunderttausende aus, und
werden ausziehen, um jenseits des Meeres dieses Kleinodes in Si¬
cherheit zu genießen, denn ein Vaterland hat nur der freie Mann.

Wenn wir aber jene auf Bevorrechtung der einen Nation über
die andere ausgehende Nationalität als eine falsche bezeichnen, und
als undeutsch von der Hand weisen; so verwerfen wir damit keines¬
wegs die deutsche Nationalität überhaupt. Auch dieser Fehler ist


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0296" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271557"/>
          <p xml:id="ID_841" prev="#ID_840"> malten, Sachsen und Anderen, welche dem Achten germanischen Vun-<lb/>
desprinzip treu blieben. Von den Franken ist jene erclusive Natio¬<lb/>
nalität auf deutschen Boden verpflanzt worden, und hat in der deut¬<lb/>
schen Kaiserwürde einen Träger gefunden. Ist sie aber erstens nicht<lb/>
deutsch ihrem Ursprünge nach, so hat sie ^auch zweitens nie in<lb/>
Deutschland selbst Anklang gefunden, denn die deutsche Reichsgeschichte<lb/>
ist eine Reihe von Kämpfen des Föderalismus mit der Centralisa¬<lb/>
tion, und zuletzt ist der Föderalismus dennoch durchgebrochen und<lb/>
hat das deutsche Reich vernichtet. Sie hat auch &#x2014; man möge sich<lb/>
darüber keine Täuschung vorspiegeln &#x2014; in neuester Zeit auf deut¬<lb/>
schem Boden kein Glück gemacht, denn der Gedanke angeborner<lb/>
gleicher Berechtigung sowohl der Einzelnen, als der Völker unter¬<lb/>
einander, ist ein Grundbestandtheil deutscher Sinnesart in alter Zeit<lb/>
gewesen, und ist es in der Mehrheit der Bevölkerungen immer noch<lb/>
geblieben, obwohl seit beinahe einem Jahrtausend die deutschen<lb/>
Machthaber daran gearbeitet haben, die deutsche Volkshcrrlichkeit und<lb/>
Selbstverwaltung, das deutsche Recht, die deutschen Gerichte, das<lb/>
öffentlich-mündliche Verfahren, die deutsche Redefreiheit, mit einem<lb/>
Wort das ganze deutsche öffentliche Wesen zu vernichten, und die<lb/>
deutschen Völker mit dem Absolutismus, mit der Polizei, mit dem<lb/>
byzantinischen Jus mit dem Jnauisitionsprozeß in Criminal-, mit<lb/>
dem kanonischen Prozeß in Civilsachen, mit der Censur, mit der<lb/>
Diplomatie und andern päbstischen Institutionen zu beglückseligen.<lb/>
Es ist wahr, es ist ihnen scheinbar gelungen: was auf der Ober¬<lb/>
fläche schwimmt &#x2014; es ist Alles romanisch, Alles Päbstisch, Alles<lb/>
byzantinisch, aber in der Tiefe der deutschen Herzen ruht wie die<lb/>
Perle im Meere das Gefühl und der Gedanke der Rechtsgleichheit,<lb/>
der Freiheit. Wird er auf deutschem Boden nicht mehr anerkannt,<lb/>
ist er fremd geworden auf der heimischen Erde, kann er nicht mehr<lb/>
zur Herrschaft gelangen: &#x2014; so ziehen Hunderttausende aus, und<lb/>
werden ausziehen, um jenseits des Meeres dieses Kleinodes in Si¬<lb/>
cherheit zu genießen, denn ein Vaterland hat nur der freie Mann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_842" next="#ID_843"> Wenn wir aber jene auf Bevorrechtung der einen Nation über<lb/>
die andere ausgehende Nationalität als eine falsche bezeichnen, und<lb/>
als undeutsch von der Hand weisen; so verwerfen wir damit keines¬<lb/>
wegs die deutsche Nationalität überhaupt.  Auch dieser Fehler ist</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0296] malten, Sachsen und Anderen, welche dem Achten germanischen Vun- desprinzip treu blieben. Von den Franken ist jene erclusive Natio¬ nalität auf deutschen Boden verpflanzt worden, und hat in der deut¬ schen Kaiserwürde einen Träger gefunden. Ist sie aber erstens nicht deutsch ihrem Ursprünge nach, so hat sie ^auch zweitens nie in Deutschland selbst Anklang gefunden, denn die deutsche Reichsgeschichte ist eine Reihe von Kämpfen des Föderalismus mit der Centralisa¬ tion, und zuletzt ist der Föderalismus dennoch durchgebrochen und hat das deutsche Reich vernichtet. Sie hat auch — man möge sich darüber keine Täuschung vorspiegeln — in neuester Zeit auf deut¬ schem Boden kein Glück gemacht, denn der Gedanke angeborner gleicher Berechtigung sowohl der Einzelnen, als der Völker unter¬ einander, ist ein Grundbestandtheil deutscher Sinnesart in alter Zeit gewesen, und ist es in der Mehrheit der Bevölkerungen immer noch geblieben, obwohl seit beinahe einem Jahrtausend die deutschen Machthaber daran gearbeitet haben, die deutsche Volkshcrrlichkeit und Selbstverwaltung, das deutsche Recht, die deutschen Gerichte, das öffentlich-mündliche Verfahren, die deutsche Redefreiheit, mit einem Wort das ganze deutsche öffentliche Wesen zu vernichten, und die deutschen Völker mit dem Absolutismus, mit der Polizei, mit dem byzantinischen Jus mit dem Jnauisitionsprozeß in Criminal-, mit dem kanonischen Prozeß in Civilsachen, mit der Censur, mit der Diplomatie und andern päbstischen Institutionen zu beglückseligen. Es ist wahr, es ist ihnen scheinbar gelungen: was auf der Ober¬ fläche schwimmt — es ist Alles romanisch, Alles Päbstisch, Alles byzantinisch, aber in der Tiefe der deutschen Herzen ruht wie die Perle im Meere das Gefühl und der Gedanke der Rechtsgleichheit, der Freiheit. Wird er auf deutschem Boden nicht mehr anerkannt, ist er fremd geworden auf der heimischen Erde, kann er nicht mehr zur Herrschaft gelangen: — so ziehen Hunderttausende aus, und werden ausziehen, um jenseits des Meeres dieses Kleinodes in Si¬ cherheit zu genießen, denn ein Vaterland hat nur der freie Mann. Wenn wir aber jene auf Bevorrechtung der einen Nation über die andere ausgehende Nationalität als eine falsche bezeichnen, und als undeutsch von der Hand weisen; so verwerfen wir damit keines¬ wegs die deutsche Nationalität überhaupt. Auch dieser Fehler ist

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/296
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/296>, abgerufen am 05.02.2025.