Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.sichrer überhaupt begrenzt. Man beeilt sich nicht einmal, die fran¬ 2. D e B r o c d e r h a n d. Haben Sie vielleicht die "Geschichte einer Jungfrau, die noch Man hat in Deutschland keinen Begriff von Dem, was hier *) In dessen "Flämischen Stillleben," übersetzt von Diepenbrock.
sichrer überhaupt begrenzt. Man beeilt sich nicht einmal, die fran¬ 2. D e B r o c d e r h a n d. Haben Sie vielleicht die „Geschichte einer Jungfrau, die noch Man hat in Deutschland keinen Begriff von Dem, was hier *) In dessen „Flämischen Stillleben," übersetzt von Diepenbrock.
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sichrer überhaupt begrenzt. Man beeilt sich nicht einmal, die fran¬
zösischen Artikel über Deutschland nachzudrucken, was doch keinen
Heller Honorar kosten würde.
2.
D e B r o c d e r h a n d.
Haben Sie vielleicht die „Geschichte einer Jungfrau, die noch
lebt" von Heinrich Eonscience gelesen*)? jener Antwerpener Krä-
merstvchter, die erst französisch und lasterhaft wird, um dann wieder
vlamisch und tugendhaft zu werden? Erinnern Sie sich auch jenes
vlämischen Mädchens in derselben Geschichte, die aus dem französischen
Pensionat als ein wahres Scheusal hervorgeht und ihre Aeltern prü¬
gelt? Dann des einfältigen Schuhmachers, der den stillen Schustcr-
laden seiner Väter in ein stolzes Atelier verwandelt und ein Lump
wird? Nicht wahr, der gefeierte und wirklich liebenswürdige (5on-
science hat sichs sehr leicht gemacht in dieser platten Tendenznovelle,
welche eigentlich für Schulkinder geschrieben scheint. Trotz dem ist
sie sehr populär unter den lesenden Flamändern, denn sie drückt ganz
ihren Groll und Haß gegen die um sich greifende Fransquellonerie
aus. Von ganzem Herzen ist dem vlämischen Element in Belgien
der Sieg über die äußerliche Französirung zu wünschen; nur ist dann
auch zu wünschen, daß das vlämischc Stillleben großartigere Früchte
trage, als diese „Geschichte einer Jungfrau, die noch lebt" und die,
nach Allem, was der Dichter erzählt, eine alte Jungfer sein muß.
Man hat in Deutschland keinen Begriff von Dem, was hier
für den Germanismus geschieht. Rührend sind die Anstrengungen
und Aufopferungen, mit denen die Patrioten für eine Sache käm¬
pfen, die von Außen keine Unterstützung findet und von Innen den-
erblick) germanischen Uebeln: kleinlicher Zwietracht und stumpfer Teil¬
nahmlosigkeit begegnet. Die neue vlamische Zeitschrift: „De Broe,
derhand" ist von vier angesehenen patriotischen Gelehrten begründetg
die sich contractlich gegen einander verbunden haben, drei Jahre lan!
die Druckkosten zu tragen und nach Kräften Manuscript zu liefernd
Bis jetzt hat die -Bruderhand etwa ein Dutzend Abonnenten. Wir,
man ihr in Deutschland eine Hand reichen? Ich fürchte, daß sie
trotz ihres rein literarischen Inhalts, dort einmal verboten wird, da
sie (natürlich unccnsirte) hochdeutsche Aufsätze und Gedichte mit¬
theilt, mit Anmerkungen freilich, worin die wenigen Worte, die zu
sehr vom Vlämischen abweichen, um hier verstanden zu werden über¬
setzt sind. „De Broederhand" arbeitet geradezu auf ihr Ziel los; sie
will nämlich zeigen, wie klein und schwach die Scheidewand zwischen
Vlämisch und Deutsch ist, sie hat sogar zu diesem Zweck ihre Ortho-
*) In dessen „Flämischen Stillleben," übersetzt von Diepenbrock.
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