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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Hier schließe ich meine Geständnisse. Was jetzt folgen würde,
kann daS allgemeine Interesse nicht ansprechen. Es sind mir Kam¬
pfe, die Jeder mehr oder weniger selbst zu bestehen hat, der die erste
lebenslängliche Existenz seiner Ueberzeugung zum Opfer bringt, und
sich die zweite selbst erringen muß.




Seit dieser Römerfahrt sind nun bald siehe" Jahre verflossen.
Ernste Erfahrungen und gereiftere Lebensansichten haben indeß die
Eindrücke des deutschen Collegs längst in meiner Brust ausgeglichen,
und deßhalb wird hier wohl niemand die Sprache eines vorlauten
jungen Mannes erkennen wollen, der gegen seine früheren Lehrmei¬
ster eifert, nur weil sie ihm nicht behagten. Ich habe weder als
Katholik noch als ehemaliger Zögling der Jesuiten einen persönlichen
Grund, letztere anzufeinden. Sie blieben auch nach meinem Aus¬
tritt stets freundlich und liebevoll gegen mich. Noch vor drei Wo¬
chen war ich unentschlossen, ob ich sie jemals zum Thema einer öf¬
fentlichen Besprechung Wahlen solle! Die Aufforderung einiger mir
theueren Freunde, deren Herzen, wie das meinige, für alle wahren,
gemeinsamen Interessen des Vaterlandes schlagen, gab zunächst Ver¬
anlassung zu diesen Bekenntnissen. Ich glaubte damit einen meinem
Gewissen schuldigen Akt zu erfüllen. Mögen sie alle meine Leser
so unbefangen und redlich beurtheilen, als ich sie wahrheitsliebend
niederschrieb. Leider darf ich kaum darauf hoffen in dieser vielfach
bewegten Zeit. Selbst ein großer Theil unserer Presse huldigt einer
Fahne, die ihren Nutzen geschmälert glaubte, wenn sie die unge-
schmückte Wahrheit nicht regelmäßig anfeinden würde. Dieser Fahne
habe ich nichts zu antworten, denn meine Bekenntnisse sind nicht an
sie grrichtet. Die es aufrichtig mit dem Vaterlande meinen, bie¬
ten sich hier die befreundete Bruderhand. Unser Aller Leben heißt
Kampf, aber der Mann fürchtet ihn nicht. Er folgt der Sprache
seines Herzens und streitet für sein heiligstes Recht, und wankt nicht
zwischen Klippen und Abgründen, weil er weiß, daß nur über diese
der Weg hinführt zur ersehnten, gemeinsamen Flagge eines friedlichen,
wohnlichen Daseins der deutschen Nation.




Hier schließe ich meine Geständnisse. Was jetzt folgen würde,
kann daS allgemeine Interesse nicht ansprechen. Es sind mir Kam¬
pfe, die Jeder mehr oder weniger selbst zu bestehen hat, der die erste
lebenslängliche Existenz seiner Ueberzeugung zum Opfer bringt, und
sich die zweite selbst erringen muß.




Seit dieser Römerfahrt sind nun bald siehe» Jahre verflossen.
Ernste Erfahrungen und gereiftere Lebensansichten haben indeß die
Eindrücke des deutschen Collegs längst in meiner Brust ausgeglichen,
und deßhalb wird hier wohl niemand die Sprache eines vorlauten
jungen Mannes erkennen wollen, der gegen seine früheren Lehrmei¬
ster eifert, nur weil sie ihm nicht behagten. Ich habe weder als
Katholik noch als ehemaliger Zögling der Jesuiten einen persönlichen
Grund, letztere anzufeinden. Sie blieben auch nach meinem Aus¬
tritt stets freundlich und liebevoll gegen mich. Noch vor drei Wo¬
chen war ich unentschlossen, ob ich sie jemals zum Thema einer öf¬
fentlichen Besprechung Wahlen solle! Die Aufforderung einiger mir
theueren Freunde, deren Herzen, wie das meinige, für alle wahren,
gemeinsamen Interessen des Vaterlandes schlagen, gab zunächst Ver¬
anlassung zu diesen Bekenntnissen. Ich glaubte damit einen meinem
Gewissen schuldigen Akt zu erfüllen. Mögen sie alle meine Leser
so unbefangen und redlich beurtheilen, als ich sie wahrheitsliebend
niederschrieb. Leider darf ich kaum darauf hoffen in dieser vielfach
bewegten Zeit. Selbst ein großer Theil unserer Presse huldigt einer
Fahne, die ihren Nutzen geschmälert glaubte, wenn sie die unge-
schmückte Wahrheit nicht regelmäßig anfeinden würde. Dieser Fahne
habe ich nichts zu antworten, denn meine Bekenntnisse sind nicht an
sie grrichtet. Die es aufrichtig mit dem Vaterlande meinen, bie¬
ten sich hier die befreundete Bruderhand. Unser Aller Leben heißt
Kampf, aber der Mann fürchtet ihn nicht. Er folgt der Sprache
seines Herzens und streitet für sein heiligstes Recht, und wankt nicht
zwischen Klippen und Abgründen, weil er weiß, daß nur über diese
der Weg hinführt zur ersehnten, gemeinsamen Flagge eines friedlichen,
wohnlichen Daseins der deutschen Nation.




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[0270] Hier schließe ich meine Geständnisse. Was jetzt folgen würde, kann daS allgemeine Interesse nicht ansprechen. Es sind mir Kam¬ pfe, die Jeder mehr oder weniger selbst zu bestehen hat, der die erste lebenslängliche Existenz seiner Ueberzeugung zum Opfer bringt, und sich die zweite selbst erringen muß. Seit dieser Römerfahrt sind nun bald siehe» Jahre verflossen. Ernste Erfahrungen und gereiftere Lebensansichten haben indeß die Eindrücke des deutschen Collegs längst in meiner Brust ausgeglichen, und deßhalb wird hier wohl niemand die Sprache eines vorlauten jungen Mannes erkennen wollen, der gegen seine früheren Lehrmei¬ ster eifert, nur weil sie ihm nicht behagten. Ich habe weder als Katholik noch als ehemaliger Zögling der Jesuiten einen persönlichen Grund, letztere anzufeinden. Sie blieben auch nach meinem Aus¬ tritt stets freundlich und liebevoll gegen mich. Noch vor drei Wo¬ chen war ich unentschlossen, ob ich sie jemals zum Thema einer öf¬ fentlichen Besprechung Wahlen solle! Die Aufforderung einiger mir theueren Freunde, deren Herzen, wie das meinige, für alle wahren, gemeinsamen Interessen des Vaterlandes schlagen, gab zunächst Ver¬ anlassung zu diesen Bekenntnissen. Ich glaubte damit einen meinem Gewissen schuldigen Akt zu erfüllen. Mögen sie alle meine Leser so unbefangen und redlich beurtheilen, als ich sie wahrheitsliebend niederschrieb. Leider darf ich kaum darauf hoffen in dieser vielfach bewegten Zeit. Selbst ein großer Theil unserer Presse huldigt einer Fahne, die ihren Nutzen geschmälert glaubte, wenn sie die unge- schmückte Wahrheit nicht regelmäßig anfeinden würde. Dieser Fahne habe ich nichts zu antworten, denn meine Bekenntnisse sind nicht an sie grrichtet. Die es aufrichtig mit dem Vaterlande meinen, bie¬ ten sich hier die befreundete Bruderhand. Unser Aller Leben heißt Kampf, aber der Mann fürchtet ihn nicht. Er folgt der Sprache seines Herzens und streitet für sein heiligstes Recht, und wankt nicht zwischen Klippen und Abgründen, weil er weiß, daß nur über diese der Weg hinführt zur ersehnten, gemeinsamen Flagge eines friedlichen, wohnlichen Daseins der deutschen Nation.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/270>, abgerufen am 05.02.2025.