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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Blut für seinen Orden und seine deutsche Anstalt zu opfern. Pro¬
ben von Selbsthingebung gab er schon in seiner frühesten Jugend
während der drückendsten Kriegesnoth. Solche Charakterstärke muß
selbst der Feind am Feinde ehren, und hätte mich etwas zum Jesui¬
ten machen können, so wären eS gewiß diese bitteren Thränen deS
Pater Landes gewesen.


V.

Es verfloß Woche auf Woche, ohne daß der Rector mir von
Hause oder dem General etwas mittheilte. Ich hielt indeß jede
Regel der Hausordnung auf's Pünktlichste ein. Das lange Schweiß
gen meiner Eltern drückte mit jedem Tage tastender auf meine Seele.
Ich ahnte, wie viel Kummer, Thränen und Gebete ihnen mein
Brief verursachen würde! wie schwer sie sich zu einer Antwort ent¬
schließen könnten! und wie ich ihre schönsten Erwartungen plötzlich
vernichtet! Sie theilten ja dieselben Begriffe von Rom und den
Jesuiten, für die ich selbst noch vor wenigen Monaten geschwärmt.
Auch hatte ich in einem Briefe, der offen durch die Hände des Rec-
tors ging, nicht so rückhaltslos herzlich sprechen dürfen, wie eS der
Sohn sonst seinen Eltern gegenüber darf. Sie mußten unklar blei¬
ben, und meinen Schritt natürlich mißdeuten. Der Gedanke, von
meinen guten Eltern und Geschwistern jetzt beklagt und verkannt zu
sein, war mir schrecklich.

Endlich in der fünften Woche nach Uebergabe meiner Schrift
ließ mich Pater Landes wieder rufen und theilte mir den Bescheid
des Generals mit: "daß ich mich zum Schwur zu entschließen, oder
binnen drei Tagen das Colleg zu verlassen habe!"

"Aber die Antwort meiner Eltern!" entgegnete ich. "Sie sag¬
ten mir doch früher selbst, daß ich als gehorsamer Sohn ohne ihre
Einwilligung mich nicht entfernen dürfe."

"Das ist jetzt Ihre Sache," siel der Rector ein. "Wir haben
lang genug gezögert. Die Antwort könnte wohl schon dreimal hier
sein. Hinge es von mir ab, so würde ich Sie wohl behalten. Sie
wissen, wie ungern ich Sie überhaupt entlasse. Aber nach den Sta¬
tuten darf Niemand länger als drei Tage innerhalb dieser Mauern
beherbergt werden, der sich auf die letzte Aufforderung des Eides


Blut für seinen Orden und seine deutsche Anstalt zu opfern. Pro¬
ben von Selbsthingebung gab er schon in seiner frühesten Jugend
während der drückendsten Kriegesnoth. Solche Charakterstärke muß
selbst der Feind am Feinde ehren, und hätte mich etwas zum Jesui¬
ten machen können, so wären eS gewiß diese bitteren Thränen deS
Pater Landes gewesen.


V.

Es verfloß Woche auf Woche, ohne daß der Rector mir von
Hause oder dem General etwas mittheilte. Ich hielt indeß jede
Regel der Hausordnung auf's Pünktlichste ein. Das lange Schweiß
gen meiner Eltern drückte mit jedem Tage tastender auf meine Seele.
Ich ahnte, wie viel Kummer, Thränen und Gebete ihnen mein
Brief verursachen würde! wie schwer sie sich zu einer Antwort ent¬
schließen könnten! und wie ich ihre schönsten Erwartungen plötzlich
vernichtet! Sie theilten ja dieselben Begriffe von Rom und den
Jesuiten, für die ich selbst noch vor wenigen Monaten geschwärmt.
Auch hatte ich in einem Briefe, der offen durch die Hände des Rec-
tors ging, nicht so rückhaltslos herzlich sprechen dürfen, wie eS der
Sohn sonst seinen Eltern gegenüber darf. Sie mußten unklar blei¬
ben, und meinen Schritt natürlich mißdeuten. Der Gedanke, von
meinen guten Eltern und Geschwistern jetzt beklagt und verkannt zu
sein, war mir schrecklich.

Endlich in der fünften Woche nach Uebergabe meiner Schrift
ließ mich Pater Landes wieder rufen und theilte mir den Bescheid
des Generals mit: „daß ich mich zum Schwur zu entschließen, oder
binnen drei Tagen das Colleg zu verlassen habe!"

„Aber die Antwort meiner Eltern!" entgegnete ich. „Sie sag¬
ten mir doch früher selbst, daß ich als gehorsamer Sohn ohne ihre
Einwilligung mich nicht entfernen dürfe."

„Das ist jetzt Ihre Sache," siel der Rector ein. „Wir haben
lang genug gezögert. Die Antwort könnte wohl schon dreimal hier
sein. Hinge es von mir ab, so würde ich Sie wohl behalten. Sie
wissen, wie ungern ich Sie überhaupt entlasse. Aber nach den Sta¬
tuten darf Niemand länger als drei Tage innerhalb dieser Mauern
beherbergt werden, der sich auf die letzte Aufforderung des Eides


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[0268] Blut für seinen Orden und seine deutsche Anstalt zu opfern. Pro¬ ben von Selbsthingebung gab er schon in seiner frühesten Jugend während der drückendsten Kriegesnoth. Solche Charakterstärke muß selbst der Feind am Feinde ehren, und hätte mich etwas zum Jesui¬ ten machen können, so wären eS gewiß diese bitteren Thränen deS Pater Landes gewesen. V. Es verfloß Woche auf Woche, ohne daß der Rector mir von Hause oder dem General etwas mittheilte. Ich hielt indeß jede Regel der Hausordnung auf's Pünktlichste ein. Das lange Schweiß gen meiner Eltern drückte mit jedem Tage tastender auf meine Seele. Ich ahnte, wie viel Kummer, Thränen und Gebete ihnen mein Brief verursachen würde! wie schwer sie sich zu einer Antwort ent¬ schließen könnten! und wie ich ihre schönsten Erwartungen plötzlich vernichtet! Sie theilten ja dieselben Begriffe von Rom und den Jesuiten, für die ich selbst noch vor wenigen Monaten geschwärmt. Auch hatte ich in einem Briefe, der offen durch die Hände des Rec- tors ging, nicht so rückhaltslos herzlich sprechen dürfen, wie eS der Sohn sonst seinen Eltern gegenüber darf. Sie mußten unklar blei¬ ben, und meinen Schritt natürlich mißdeuten. Der Gedanke, von meinen guten Eltern und Geschwistern jetzt beklagt und verkannt zu sein, war mir schrecklich. Endlich in der fünften Woche nach Uebergabe meiner Schrift ließ mich Pater Landes wieder rufen und theilte mir den Bescheid des Generals mit: „daß ich mich zum Schwur zu entschließen, oder binnen drei Tagen das Colleg zu verlassen habe!" „Aber die Antwort meiner Eltern!" entgegnete ich. „Sie sag¬ ten mir doch früher selbst, daß ich als gehorsamer Sohn ohne ihre Einwilligung mich nicht entfernen dürfe." „Das ist jetzt Ihre Sache," siel der Rector ein. „Wir haben lang genug gezögert. Die Antwort könnte wohl schon dreimal hier sein. Hinge es von mir ab, so würde ich Sie wohl behalten. Sie wissen, wie ungern ich Sie überhaupt entlasse. Aber nach den Sta¬ tuten darf Niemand länger als drei Tage innerhalb dieser Mauern beherbergt werden, der sich auf die letzte Aufforderung des Eides

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/268>, abgerufen am 05.02.2025.