Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.mir zur Erlangung des ewigen Heils Probezeit und ascetische Ue¬ Ich zitterte vor einer so glänzenden Aussicht und entschloß mich, Als ich die Schrift beendigt, überreichte ich sie dem Rector, "Ich habe Ihre Erklärung gelesen. Worauf ich dabei besonders mir zur Erlangung des ewigen Heils Probezeit und ascetische Ue¬ Ich zitterte vor einer so glänzenden Aussicht und entschloß mich, Als ich die Schrift beendigt, überreichte ich sie dem Rector, „Ich habe Ihre Erklärung gelesen. Worauf ich dabei besonders <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0266" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271527"/> <p xml:id="ID_761" prev="#ID_760"> mir zur Erlangung des ewigen Heils Probezeit und ascetische Ue¬<lb/> bungen zu verdoppeln."</p><lb/> <p xml:id="ID_762"> Ich zitterte vor einer so glänzenden Aussicht und entschloß mich,<lb/> diesmal die Tendenz, die Theologie sammt der Ascetik ganz aus<lb/> dem Spiel zu lassen und dafür nur rein wissenschaftliche Seiten zu<lb/> berühren. Auch bei diesen hob ich nur meinen subjektiven Stand¬<lb/> punkt hervor, und schrieb so gut und schlecht, als ichs eben verstand.<lb/> Trotz dem, daß ich auf diese Art gerade diejenigen Theile unberührt<lb/> lassen mußte, die mich am meisten schmerzten, genoß ich doch bei<lb/> Abfassung dieser mir unvergeßlichen Schrift seit lange wieder die er¬<lb/> sten erquicklichen Stunden. Es war mir doch wieder einmal ein<lb/> Stückchen Land eingeräumt, auf dem ich, nicht Schritt für Schritt<lb/> ängstlich verfolgt, einen unschuldigen, freien Sprung machen durfte.<lb/> Dies Stückchen Land war freilich nur ein Blatt Papier, aber auch<lb/> dies durste ja seit zwölf Wochen nicht mehr mein heimlicher, ver¬<lb/> trauter Freund sein. Es stand, wie ich, unter der Controlle der<lb/> Jesuiten, und was ich ihm vertraut hätte, würden diese ganz gewiß<lb/> gekapert haben. Zwar bestand diese Controlle anch jetzt noch, aber<lb/> die Censur war für dies eine geliebte Blättchen Papier menschlicher<lb/> geworden. Ich sah dies eine Blättchen an und empfand dabei eine<lb/> kindische Freude. Der Leser, welcher sich in meine Lage zu denken<lb/> vermag, wird mich deshalb nicht kindisch nennen. Auch der arme,<lb/> zerlumpte, hungrige Bettler jubelt und dankt dem Himmel für einen<lb/> Bissen trocknen, schimmelnden Brodes, indeß der gesättigte Prasser<lb/> am reichen Mahle alle Kunst des königlichen Kochs verhöhnt! und<lb/> ich war wirklich solch ein zerlumpter, hungriger, geistiger Bettler ge>-<lb/> worden. Mein Auge getraute sich nicht mehr, zur königlichen Küche<lb/> einer Bibliothek emporzuschauen, und mit der Pastete eines Buches<lb/> zu liebäugeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_763"> Als ich die Schrift beendigt, überreichte ich sie dem Rector,<lb/> welcher sie freundlich hinnahm, und mich auf den kommenden Tag<lb/> beschied. Ich säumte nicht, mich zur bestimnilen Stunde abermals<lb/> in seine Zelle zu begeben. Pater Landes hieß mich an seiner Seite<lb/> Platz nehmen, schaute mich lange ernst und wehmüthig an, und be¬<lb/> gann endlich langsam und feierlich:</p><lb/> <p xml:id="ID_764" next="#ID_765"> „Ich habe Ihre Erklärung gelesen. Worauf ich dabei besonders<lb/> neugierig war, das übergingen Sie schweigend. Sie haben also</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0266]
mir zur Erlangung des ewigen Heils Probezeit und ascetische Ue¬
bungen zu verdoppeln."
Ich zitterte vor einer so glänzenden Aussicht und entschloß mich,
diesmal die Tendenz, die Theologie sammt der Ascetik ganz aus
dem Spiel zu lassen und dafür nur rein wissenschaftliche Seiten zu
berühren. Auch bei diesen hob ich nur meinen subjektiven Stand¬
punkt hervor, und schrieb so gut und schlecht, als ichs eben verstand.
Trotz dem, daß ich auf diese Art gerade diejenigen Theile unberührt
lassen mußte, die mich am meisten schmerzten, genoß ich doch bei
Abfassung dieser mir unvergeßlichen Schrift seit lange wieder die er¬
sten erquicklichen Stunden. Es war mir doch wieder einmal ein
Stückchen Land eingeräumt, auf dem ich, nicht Schritt für Schritt
ängstlich verfolgt, einen unschuldigen, freien Sprung machen durfte.
Dies Stückchen Land war freilich nur ein Blatt Papier, aber auch
dies durste ja seit zwölf Wochen nicht mehr mein heimlicher, ver¬
trauter Freund sein. Es stand, wie ich, unter der Controlle der
Jesuiten, und was ich ihm vertraut hätte, würden diese ganz gewiß
gekapert haben. Zwar bestand diese Controlle anch jetzt noch, aber
die Censur war für dies eine geliebte Blättchen Papier menschlicher
geworden. Ich sah dies eine Blättchen an und empfand dabei eine
kindische Freude. Der Leser, welcher sich in meine Lage zu denken
vermag, wird mich deshalb nicht kindisch nennen. Auch der arme,
zerlumpte, hungrige Bettler jubelt und dankt dem Himmel für einen
Bissen trocknen, schimmelnden Brodes, indeß der gesättigte Prasser
am reichen Mahle alle Kunst des königlichen Kochs verhöhnt! und
ich war wirklich solch ein zerlumpter, hungriger, geistiger Bettler ge>-
worden. Mein Auge getraute sich nicht mehr, zur königlichen Küche
einer Bibliothek emporzuschauen, und mit der Pastete eines Buches
zu liebäugeln.
Als ich die Schrift beendigt, überreichte ich sie dem Rector,
welcher sie freundlich hinnahm, und mich auf den kommenden Tag
beschied. Ich säumte nicht, mich zur bestimnilen Stunde abermals
in seine Zelle zu begeben. Pater Landes hieß mich an seiner Seite
Platz nehmen, schaute mich lange ernst und wehmüthig an, und be¬
gann endlich langsam und feierlich:
„Ich habe Ihre Erklärung gelesen. Worauf ich dabei besonders
neugierig war, das übergingen Sie schweigend. Sie haben also
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