Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.meine Zelle. Tags darauf besuchte mich der Präfect. Ich mußte So verging die fünfte Woche. "Du hast es dumm angefangen, daß du gleich einen Heiden zu "Mein liebes Kind," sprach der Rector, "Sie haben ja til8to- So verging die sechste Woche. "Du bist noch immer zu weltlich für diese Herren," sprach ich "Mein liebes Kind," entgegnete der Rector, "das sind theologi¬ Srenzboten, 18is. IV. .. 33
meine Zelle. Tags darauf besuchte mich der Präfect. Ich mußte So verging die fünfte Woche. „Du hast es dumm angefangen, daß du gleich einen Heiden zu „Mein liebes Kind," sprach der Rector, „Sie haben ja til8to- So verging die sechste Woche. „Du bist noch immer zu weltlich für diese Herren," sprach ich „Mein liebes Kind," entgegnete der Rector, „das sind theologi¬ Srenzboten, 18is. IV. .. 33
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meine Zelle. Tags darauf besuchte mich der Präfect. Ich mußte
die Viertelstunde, welche ich für das Griechische bestimmt harte, mit
Logik besehen, und dieß gleich in die an der Wand hängende Ta¬
gesordnung eintragen.
So verging die fünfte Woche.
„Du hast es dumm angefangen, daß du gleich einen Heiden zu
lesen verlangtest," sagte ich zu mir selbst. „Du mußt mit einem
christlichem Buch anfangen, dann gibt man dir vielleicht mehr Ge¬
hör!" — Ich faßte zum zweitenmal Muth, und klopfte an der Zelle
des Paters, inständig eine allgemeine Weltgeschichte verlangend, in
der ich an den Ferientagen ein halbes Stündchen lesen wolle.
„Mein liebes Kind," sprach der Rector, „Sie haben ja til8to-
riiun i»!inen-um, und mehr braucht ein katholischer Priester nicht von
der Welt zu wissen. Besonders Anfänger kann derlei Zeug gar
leicht verwirren. Seien Sie fein willig gehorsam und gehen Sie
ohne Murren, daß Sie mir in den Ceremonien nichts versäumen!
Es läutet eben zum gregorianischen Ccmtus." — Ich mußte nun
singen, aber ich hatte kein Gehör für diese Noten.
So verging die sechste Woche.
„Du bist noch immer zu weltlich für diese Herren," sprach ich
abermals zu mir selbst. „Wenn du einen Kirchenvater oder eine
theologische Geschichte verlangst, so wird sich der Rector gewiß über
deinen Eifer freuen, und vielleicht findest du auch darin eine er¬
quicklichere Nahrung für deinen Geist!" Muthiger als früher klopfte
ich zum drittenmal an der Zelle des Paters, uno bat um einen hei¬
ligen Kirchenvater oder eine distoria ecclesiÄsticii.
„Mein liebes Kind," entgegnete der Rector, „das sind theologi¬
sche Gegenstände, und Sie sollen jetzt Philosophie studiren. Die Kl-
storia ocelvsi-tsticil bekommen Sie in einigen Jahren von selbst zu
hören. In einer wohlgeordneten Studienanstalt darf man den An¬
ordnungen des Lehrers nie vorgreifen. Was die heil. Kirchenväter
betrifft, so muß es sich ebenfalls' nach dem Willen Gottes erst später
ausweisen, ob Sie sich überhaupt so ausführlich der Theologie be¬
fleißen müssen! Nicht Jeder ist zum gelehrten Stande berufen, und
wir halten als gute Väter vorzüglich Ihren Beruf vn Augen. Für
einen Seelsorger genügt der Unterricht im Collegio Romano, und
die übrigen höher berufenen Schüler erhalten erst größere Werke,
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