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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Sachsen nicht in Aussicht stellen, und daher zu der Berathung über
diesen Gegenstand die Genehmigung nicht ertheilen zu können erklärt
hatte. Der Vorstand des Vereins, Obersteuerprocuraror Eisenstück,
remonstrirte deshalb persönlich bei den betheiligten Ministerialvor-
ständen, und berief sich namentlich auf die Vorgänge deS verflossenen
Jahres, und daß damals die sächsische Regierung in der Mainzer
Anwaltsversammlung etwas Bedenkliches nicht erblickt habe; allein
es ward ihm darauf die Bescheidung zu Theil, daß damals ja
gar nicht in Frage gestanden habe, ob die sächsische Regierung die
Abhaltung einer allgemeinen, deutschen Advokatenversammlung in
Sachsen gestatten wolle; gegenwärtig aber müsse sie diese Gestattung
bedenklich finven, nachdem benachbarte Regierungen durch das an
ihre Anwälte erlassene Verbot des Besuchs jener Versammlung deut¬
lich genug zu verstehen gegeben hätten, daß sie eine solche nicht für
statthaft erachten könnten.

Inmittelst war der erste Tag der Versammlung, der 23. Okto¬
ber, herangekommen, und die späteren Nachmittagsstunden vereinigten
in dem bereitwillig überlassenen Sitzungssaale der Dresdener Stadt<
verordneten die Sachwalter ziemlich zahlreich. Fast aus allen Städ¬
ten des Vaterlandes waren Vertreter des Standes der Einladung
ihrer Dresdener College" gefolgt:") alte, bekannte Gesichter tauch¬
ten hier und da auf, und die erwachenden Reminiscenzen an die
besten Jahre der Jugend, die fröhliche Studentenzeit, machte dieses
Zusammentreffen zu einem freudig bewegten, herzlich innigen. Nach
der Begrüßung der Versammlung durch den Vorstand des Dresde¬
ner Avvokatenvereins sollte die Versammlung zur Wahl ihrer Prä¬
sidenten und Sekretäre vorschreiten. Durch eine von einem Leipziger
Sachwalter proclamirte Acclamation ward die erstere Wahl auf die
Vorstände jenes Vereins Obersteuerprocurator Eisenstück und Finanz-
procurator Kültner geworfen, und zwar mit einer unvermeidlichen
Beschränkung der Wahlfreiheit, über welche in den darauf folgenden
Tagen diese und jene Klage laut ward. Ueberhaupt waren die er¬
sten einleitenden Regungen der Versammlung etwas tumultuanscher
Natur, und man hörte den polnischen Reichstag nicht mit Unrecht



*) Am letzten Tage der Versammlung wies die Präsenzliste 200 Theil-
nehmer nach.
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Sachsen nicht in Aussicht stellen, und daher zu der Berathung über
diesen Gegenstand die Genehmigung nicht ertheilen zu können erklärt
hatte. Der Vorstand des Vereins, Obersteuerprocuraror Eisenstück,
remonstrirte deshalb persönlich bei den betheiligten Ministerialvor-
ständen, und berief sich namentlich auf die Vorgänge deS verflossenen
Jahres, und daß damals die sächsische Regierung in der Mainzer
Anwaltsversammlung etwas Bedenkliches nicht erblickt habe; allein
es ward ihm darauf die Bescheidung zu Theil, daß damals ja
gar nicht in Frage gestanden habe, ob die sächsische Regierung die
Abhaltung einer allgemeinen, deutschen Advokatenversammlung in
Sachsen gestatten wolle; gegenwärtig aber müsse sie diese Gestattung
bedenklich finven, nachdem benachbarte Regierungen durch das an
ihre Anwälte erlassene Verbot des Besuchs jener Versammlung deut¬
lich genug zu verstehen gegeben hätten, daß sie eine solche nicht für
statthaft erachten könnten.

Inmittelst war der erste Tag der Versammlung, der 23. Okto¬
ber, herangekommen, und die späteren Nachmittagsstunden vereinigten
in dem bereitwillig überlassenen Sitzungssaale der Dresdener Stadt<
verordneten die Sachwalter ziemlich zahlreich. Fast aus allen Städ¬
ten des Vaterlandes waren Vertreter des Standes der Einladung
ihrer Dresdener College» gefolgt:») alte, bekannte Gesichter tauch¬
ten hier und da auf, und die erwachenden Reminiscenzen an die
besten Jahre der Jugend, die fröhliche Studentenzeit, machte dieses
Zusammentreffen zu einem freudig bewegten, herzlich innigen. Nach
der Begrüßung der Versammlung durch den Vorstand des Dresde¬
ner Avvokatenvereins sollte die Versammlung zur Wahl ihrer Prä¬
sidenten und Sekretäre vorschreiten. Durch eine von einem Leipziger
Sachwalter proclamirte Acclamation ward die erstere Wahl auf die
Vorstände jenes Vereins Obersteuerprocurator Eisenstück und Finanz-
procurator Kültner geworfen, und zwar mit einer unvermeidlichen
Beschränkung der Wahlfreiheit, über welche in den darauf folgenden
Tagen diese und jene Klage laut ward. Ueberhaupt waren die er¬
sten einleitenden Regungen der Versammlung etwas tumultuanscher
Natur, und man hörte den polnischen Reichstag nicht mit Unrecht



*) Am letzten Tage der Versammlung wies die Präsenzliste 200 Theil-
nehmer nach.
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[0247] Sachsen nicht in Aussicht stellen, und daher zu der Berathung über diesen Gegenstand die Genehmigung nicht ertheilen zu können erklärt hatte. Der Vorstand des Vereins, Obersteuerprocuraror Eisenstück, remonstrirte deshalb persönlich bei den betheiligten Ministerialvor- ständen, und berief sich namentlich auf die Vorgänge deS verflossenen Jahres, und daß damals die sächsische Regierung in der Mainzer Anwaltsversammlung etwas Bedenkliches nicht erblickt habe; allein es ward ihm darauf die Bescheidung zu Theil, daß damals ja gar nicht in Frage gestanden habe, ob die sächsische Regierung die Abhaltung einer allgemeinen, deutschen Advokatenversammlung in Sachsen gestatten wolle; gegenwärtig aber müsse sie diese Gestattung bedenklich finven, nachdem benachbarte Regierungen durch das an ihre Anwälte erlassene Verbot des Besuchs jener Versammlung deut¬ lich genug zu verstehen gegeben hätten, daß sie eine solche nicht für statthaft erachten könnten. Inmittelst war der erste Tag der Versammlung, der 23. Okto¬ ber, herangekommen, und die späteren Nachmittagsstunden vereinigten in dem bereitwillig überlassenen Sitzungssaale der Dresdener Stadt< verordneten die Sachwalter ziemlich zahlreich. Fast aus allen Städ¬ ten des Vaterlandes waren Vertreter des Standes der Einladung ihrer Dresdener College» gefolgt:») alte, bekannte Gesichter tauch¬ ten hier und da auf, und die erwachenden Reminiscenzen an die besten Jahre der Jugend, die fröhliche Studentenzeit, machte dieses Zusammentreffen zu einem freudig bewegten, herzlich innigen. Nach der Begrüßung der Versammlung durch den Vorstand des Dresde¬ ner Avvokatenvereins sollte die Versammlung zur Wahl ihrer Prä¬ sidenten und Sekretäre vorschreiten. Durch eine von einem Leipziger Sachwalter proclamirte Acclamation ward die erstere Wahl auf die Vorstände jenes Vereins Obersteuerprocurator Eisenstück und Finanz- procurator Kültner geworfen, und zwar mit einer unvermeidlichen Beschränkung der Wahlfreiheit, über welche in den darauf folgenden Tagen diese und jene Klage laut ward. Ueberhaupt waren die er¬ sten einleitenden Regungen der Versammlung etwas tumultuanscher Natur, und man hörte den polnischen Reichstag nicht mit Unrecht *) Am letzten Tage der Versammlung wies die Präsenzliste 200 Theil- nehmer nach. 31'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/247>, abgerufen am 10.02.2025.