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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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wie die edlen Streiche sonst noch heißen, aus irgend einer geistlichen
Confession seinen Vortheil zu ziehen. In Wesel hatte ers auf die
evangelische abgesehen, wurde, wie es scheint, aber durchschaut, da
man seine Seele nicht wollte, und daher wandte er sich nach Cöln
und Bonn, wo seine Spekulation auf den Katholicismus auch nicht
Wurzel schlagen wollte. Endlich kam er nach mancherlei Abentheuern
nach Baiern - und wurde, wie er sagt, katholisch. Gar erbau¬
lich hat er seinen Uebertritt beschrieben, nur Schade, daß er sein
reich bewegtes Leben selbst nicht unbeschrieben, d. h. Wahrheit und
keine Dichtung, wenn das sonst bei ihm möglich, damit die Katho¬
liken doch sahen, um welche Seele sie reicher geworden sind. Er lebt
jetzt in Würzburg, weiß, dem Anscheine nach, die rechte Fahne auf¬
zustecken, schreibt eine Biographie des Ignatius Loyola, giebt in
Neuß einen katholischen Volkskalendcr heraus -- und wird von einer
Partei gehalten, der seine Vergangenheit durchaus nicht unbekannt
sein kann, und die ihm als ihren o<""mi8-v<>v!i>>v>ir benutzt, welcher
aber hier am Orte durchaus schlechte Geschäfte gemacht hat. Solche,
denen nichts heilig, wo es ihren Vortheil gilt, die mit Allem Scha¬
cher treiben, müßte die öffentliche Presse nach Verdienst brandmarken,
damit das ganze Deutschland wisse, was es an ihnen hat, damit sie
allenthalben nach Verdienst gewürdigt werden, und sich derjenige,
welcher es mit Allem, und so auch mit seinen religiösen Ansichten
wirklich ehrlich meint, vor ihnen hüten kann. Solche Leute schaden
natürlich der Partei am meisten, für welche sie wirken sollen, denn
aus den Mitteln schließt man nur gar zu leicht auf den Zweck. --
Am 19. Oktober starb unser, in Münster gleichsam in der Verban¬
nung lebender Erzbischof Clemens August von Droste zu Vischering,
eben 72 Jahre alt. Johannes von Geißel, sein Coadjutor, wird
dem Verstorbenen in seiner Würde als Erzbischof folgen, da er unter
dieser Bedingung sein Amt als Verwalter der Erzdiöcese angetreten
hat. Clemens August war, wie man auch sein Wirken und Handeln
heures.'neu mag, ein Charakter, fromm und wohlthätig. Morgens,
Mittags und Abends hallt feierliches Trauergeläute aller Glocken über
unsere Mauern. Ob der Verstorbene im hiesigen Dome beigesetzt
wird, ist, wie man hört, noch nicht bestimmt; es hangt von seinem
letzten Willen ab, der noch nicht eröffnet ist. Nach abgehaltenen
Trauerfeierlichkeiten für den Verewigten wird auch wohl der neue
Erzbischof Johannes feierlichst inthronisirt werden. -- Nachdem die
uns bevorstehende Theuerung, der über alle Vorstellungen große Geld¬
mangel, wie ganz narürlich, die Erinnerungen an die königlichen
Feste, welche in vergangenem Sommer unsere Gegend belebten, schon
verdrängt, ja verwischt haben, tauchen noch einzelne Momente auf,
die durch ihre Originalität wieder einmal flüchtig die Aufmerksamkeit
der Menge darauf hinlenken. Klar ist es, daß der Aufenthalt unsers


wie die edlen Streiche sonst noch heißen, aus irgend einer geistlichen
Confession seinen Vortheil zu ziehen. In Wesel hatte ers auf die
evangelische abgesehen, wurde, wie es scheint, aber durchschaut, da
man seine Seele nicht wollte, und daher wandte er sich nach Cöln
und Bonn, wo seine Spekulation auf den Katholicismus auch nicht
Wurzel schlagen wollte. Endlich kam er nach mancherlei Abentheuern
nach Baiern - und wurde, wie er sagt, katholisch. Gar erbau¬
lich hat er seinen Uebertritt beschrieben, nur Schade, daß er sein
reich bewegtes Leben selbst nicht unbeschrieben, d. h. Wahrheit und
keine Dichtung, wenn das sonst bei ihm möglich, damit die Katho¬
liken doch sahen, um welche Seele sie reicher geworden sind. Er lebt
jetzt in Würzburg, weiß, dem Anscheine nach, die rechte Fahne auf¬
zustecken, schreibt eine Biographie des Ignatius Loyola, giebt in
Neuß einen katholischen Volkskalendcr heraus — und wird von einer
Partei gehalten, der seine Vergangenheit durchaus nicht unbekannt
sein kann, und die ihm als ihren o<»»mi8-v<>v!i>>v>ir benutzt, welcher
aber hier am Orte durchaus schlechte Geschäfte gemacht hat. Solche,
denen nichts heilig, wo es ihren Vortheil gilt, die mit Allem Scha¬
cher treiben, müßte die öffentliche Presse nach Verdienst brandmarken,
damit das ganze Deutschland wisse, was es an ihnen hat, damit sie
allenthalben nach Verdienst gewürdigt werden, und sich derjenige,
welcher es mit Allem, und so auch mit seinen religiösen Ansichten
wirklich ehrlich meint, vor ihnen hüten kann. Solche Leute schaden
natürlich der Partei am meisten, für welche sie wirken sollen, denn
aus den Mitteln schließt man nur gar zu leicht auf den Zweck. —
Am 19. Oktober starb unser, in Münster gleichsam in der Verban¬
nung lebender Erzbischof Clemens August von Droste zu Vischering,
eben 72 Jahre alt. Johannes von Geißel, sein Coadjutor, wird
dem Verstorbenen in seiner Würde als Erzbischof folgen, da er unter
dieser Bedingung sein Amt als Verwalter der Erzdiöcese angetreten
hat. Clemens August war, wie man auch sein Wirken und Handeln
heures.'neu mag, ein Charakter, fromm und wohlthätig. Morgens,
Mittags und Abends hallt feierliches Trauergeläute aller Glocken über
unsere Mauern. Ob der Verstorbene im hiesigen Dome beigesetzt
wird, ist, wie man hört, noch nicht bestimmt; es hangt von seinem
letzten Willen ab, der noch nicht eröffnet ist. Nach abgehaltenen
Trauerfeierlichkeiten für den Verewigten wird auch wohl der neue
Erzbischof Johannes feierlichst inthronisirt werden. — Nachdem die
uns bevorstehende Theuerung, der über alle Vorstellungen große Geld¬
mangel, wie ganz narürlich, die Erinnerungen an die königlichen
Feste, welche in vergangenem Sommer unsere Gegend belebten, schon
verdrängt, ja verwischt haben, tauchen noch einzelne Momente auf,
die durch ihre Originalität wieder einmal flüchtig die Aufmerksamkeit
der Menge darauf hinlenken. Klar ist es, daß der Aufenthalt unsers


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/238>, abgerufen am 05.02.2025.