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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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"Die verschiedenen Eindrücke meiner Reise, die feierliche Abgeschie¬
denheit dieses Klosters und die heiligen Bilder rings herum haben
"mich nur ernst gestimmt. Der Wechsel war etwas rasch. Ich
"stellte mir das deutsche Colleg anders vor. Indeß entscheidet ja
"der erste Eindruck nicht. Vielleicht ist's gut, daß schon der Anblick
"des Hauses mich so seltsam überrascht. Ich finde mich vielleicht
"um so besser zurecht, und werde dann auch herzlich froh werden."

"Das werden Sie gewiß, mein theurer Sohn, sobald Sie das
"Ihnen widerfahrene Glück erkennen," entgegnete der Rector. "Sie
"sind ein Auserlesener von Tausenden, den wir mit Gottes und
"seiner heiligen Mutter Maria Hülfe aus dem verderblichen Zeit-
"strom ans Land des wahren Glaubens zu retten hoffen. Und
"welchen schonen Wirkungskreis finden Sie, wenn Sie Vertrauen
"zu uns gefaßt haben! Gibt es etwas Höheres auf Erden, als
"ein Gärtner zu sein im Weinberge des Herrn, und das Unkraut
"der ansteckenden Ketzerei ausrotten zu helfen, das heut zu Tage
"üppiger als je aufsproßt? Sie sind außer mir der einzige Schwabe
"in unsrer Anstalt. Um so theurer und fester werden Sie sich an
"mich anschließen, und mir nicht den Gram bereiten, den ein Un¬
dankbarer auf mich gehäuft, welchen ich vor einem Jahre aufnahm
"in unsere Mitte. Der Verblendete hat das Licht des Herrn nicht
"erkannt. Er verließ uns vor wenigen Monaten, und kehrte ohne
"Ablegung des heiligen Eides wieder zurück nach Baiern. Aber
"die Strafe des Himmels hat ihn bereits ereilt. Sein Vater wollte
"nichts mehr von dem verstockten Kinde wissen, und so trieb ihn der
"Hunger, sich in München als gemeiner Soldat anwerben zu lassen.
"Glücklicher war ich mit der Bekehrung des .... Grafen von ....r.
"Der Herr brachte sonderbare Ansichten aus Deutschland mit sich,
"und wollte anfangs in seinem Pallast nicht einmal meinen Besuch
"annehmen. Endlich aber hat ihm die Fürbitte der heil. Jungfrau
"und daS inbrünstige Flehen meiner Ordensbrüder einen Strahl des
"ewigen Lichtes erwirkt. Er ist jetzt mein frommes Beichtkind ge¬
worden, und ich verspreche mir von seinen hohen Verbindungen in
"B., daß auch die dortige Regierung bald unserm unermüdlichen
"Streben sich noch förderlicher zeigen wird. So öffnen sich in Ih-
"rem Vaterlande schöne Aussichten für Sie, während Sie hier Ihre
"Studien nach dem Rathschlusse Gottes vollenden. Mein theurer


„Die verschiedenen Eindrücke meiner Reise, die feierliche Abgeschie¬
denheit dieses Klosters und die heiligen Bilder rings herum haben
„mich nur ernst gestimmt. Der Wechsel war etwas rasch. Ich
„stellte mir das deutsche Colleg anders vor. Indeß entscheidet ja
„der erste Eindruck nicht. Vielleicht ist's gut, daß schon der Anblick
„des Hauses mich so seltsam überrascht. Ich finde mich vielleicht
„um so besser zurecht, und werde dann auch herzlich froh werden."

„Das werden Sie gewiß, mein theurer Sohn, sobald Sie das
„Ihnen widerfahrene Glück erkennen," entgegnete der Rector. „Sie
„sind ein Auserlesener von Tausenden, den wir mit Gottes und
„seiner heiligen Mutter Maria Hülfe aus dem verderblichen Zeit-
„strom ans Land des wahren Glaubens zu retten hoffen. Und
„welchen schonen Wirkungskreis finden Sie, wenn Sie Vertrauen
„zu uns gefaßt haben! Gibt es etwas Höheres auf Erden, als
„ein Gärtner zu sein im Weinberge des Herrn, und das Unkraut
„der ansteckenden Ketzerei ausrotten zu helfen, das heut zu Tage
„üppiger als je aufsproßt? Sie sind außer mir der einzige Schwabe
„in unsrer Anstalt. Um so theurer und fester werden Sie sich an
„mich anschließen, und mir nicht den Gram bereiten, den ein Un¬
dankbarer auf mich gehäuft, welchen ich vor einem Jahre aufnahm
„in unsere Mitte. Der Verblendete hat das Licht des Herrn nicht
„erkannt. Er verließ uns vor wenigen Monaten, und kehrte ohne
„Ablegung des heiligen Eides wieder zurück nach Baiern. Aber
„die Strafe des Himmels hat ihn bereits ereilt. Sein Vater wollte
„nichts mehr von dem verstockten Kinde wissen, und so trieb ihn der
„Hunger, sich in München als gemeiner Soldat anwerben zu lassen.
„Glücklicher war ich mit der Bekehrung des .... Grafen von ....r.
„Der Herr brachte sonderbare Ansichten aus Deutschland mit sich,
„und wollte anfangs in seinem Pallast nicht einmal meinen Besuch
„annehmen. Endlich aber hat ihm die Fürbitte der heil. Jungfrau
„und daS inbrünstige Flehen meiner Ordensbrüder einen Strahl des
„ewigen Lichtes erwirkt. Er ist jetzt mein frommes Beichtkind ge¬
worden, und ich verspreche mir von seinen hohen Verbindungen in
„B., daß auch die dortige Regierung bald unserm unermüdlichen
„Streben sich noch förderlicher zeigen wird. So öffnen sich in Ih-
„rem Vaterlande schöne Aussichten für Sie, während Sie hier Ihre
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[0194] „Die verschiedenen Eindrücke meiner Reise, die feierliche Abgeschie¬ denheit dieses Klosters und die heiligen Bilder rings herum haben „mich nur ernst gestimmt. Der Wechsel war etwas rasch. Ich „stellte mir das deutsche Colleg anders vor. Indeß entscheidet ja „der erste Eindruck nicht. Vielleicht ist's gut, daß schon der Anblick „des Hauses mich so seltsam überrascht. Ich finde mich vielleicht „um so besser zurecht, und werde dann auch herzlich froh werden." „Das werden Sie gewiß, mein theurer Sohn, sobald Sie das „Ihnen widerfahrene Glück erkennen," entgegnete der Rector. „Sie „sind ein Auserlesener von Tausenden, den wir mit Gottes und „seiner heiligen Mutter Maria Hülfe aus dem verderblichen Zeit- „strom ans Land des wahren Glaubens zu retten hoffen. Und „welchen schonen Wirkungskreis finden Sie, wenn Sie Vertrauen „zu uns gefaßt haben! Gibt es etwas Höheres auf Erden, als „ein Gärtner zu sein im Weinberge des Herrn, und das Unkraut „der ansteckenden Ketzerei ausrotten zu helfen, das heut zu Tage „üppiger als je aufsproßt? Sie sind außer mir der einzige Schwabe „in unsrer Anstalt. Um so theurer und fester werden Sie sich an „mich anschließen, und mir nicht den Gram bereiten, den ein Un¬ dankbarer auf mich gehäuft, welchen ich vor einem Jahre aufnahm „in unsere Mitte. Der Verblendete hat das Licht des Herrn nicht „erkannt. Er verließ uns vor wenigen Monaten, und kehrte ohne „Ablegung des heiligen Eides wieder zurück nach Baiern. Aber „die Strafe des Himmels hat ihn bereits ereilt. Sein Vater wollte „nichts mehr von dem verstockten Kinde wissen, und so trieb ihn der „Hunger, sich in München als gemeiner Soldat anwerben zu lassen. „Glücklicher war ich mit der Bekehrung des .... Grafen von ....r. „Der Herr brachte sonderbare Ansichten aus Deutschland mit sich, „und wollte anfangs in seinem Pallast nicht einmal meinen Besuch „annehmen. Endlich aber hat ihm die Fürbitte der heil. Jungfrau „und daS inbrünstige Flehen meiner Ordensbrüder einen Strahl des „ewigen Lichtes erwirkt. Er ist jetzt mein frommes Beichtkind ge¬ worden, und ich verspreche mir von seinen hohen Verbindungen in „B., daß auch die dortige Regierung bald unserm unermüdlichen „Streben sich noch förderlicher zeigen wird. So öffnen sich in Ih- „rem Vaterlande schöne Aussichten für Sie, während Sie hier Ihre „Studien nach dem Rathschlusse Gottes vollenden. Mein theurer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/194>, abgerufen am 05.02.2025.