Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.sich durch Bekrittelung eines katholischen Priesters versündigen. Unser Nur eine Klasse der Gesellschaft, für welche unserm Jüngling Nächst dieser privilegirten Klasse dispcnsirte unser Weltweiser sich durch Bekrittelung eines katholischen Priesters versündigen. Unser Nur eine Klasse der Gesellschaft, für welche unserm Jüngling Nächst dieser privilegirten Klasse dispcnsirte unser Weltweiser <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271415"/> <p xml:id="ID_366" prev="#ID_365"> sich durch Bekrittelung eines katholischen Priesters versündigen. Unser<lb/> Jüngling hing an seiner besorgten Mutter wie an seinem Leben.<lb/> Ein leiser Wink von ihr vermochte sonst Alles über ihn; aber seit¬<lb/> dem ein Pater bei einer gerade Georgs Stübchen gegenüber abge¬<lb/> staueten Visite im kritischen Moment die Vorhänge zu schließen vergaß<lb/> und er daS Thema der Unterhaltung drüben firiren konnte, hielt er<lb/> selbst einen Mann im Mönchsgewand so gut als einen Herrn im<lb/> goldgestickten Frack für einen ganz gewöhnlichen Menschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_367"> Nur eine Klasse der Gesellschaft, für welche unserm Jüngling<lb/> von Kindheit an ein ganz besonderer Respect eingepflanzt worden<lb/> war, machte noch eine rühmliche Ausnahme. Dieß waren die Väter<lb/> vom heil. Loyola. Ein ?-leer 8aeieti»dis ^vsu erschien unserm jungen<lb/> Philosophen in der modernen Welt viel großartiger, als Homer's<lb/> Heroengeschlecht vor Troja. Damals hatte er nämlich noch keinen<lb/> Jesuiten in der Nähe gesehen, oder war wenigstens der festen Mei¬<lb/> nung, noch nie einen gesehen zu haben. Von einem ehrwürdigen<lb/> Vater im Frack oder goldgestickten Gewand konnte sich seine kühne<lb/> Phantasie vollends gar keinen Begriff machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_368" next="#ID_369"> Nächst dieser privilegirten Klasse dispcnsirte unser Weltweiser<lb/> auch seine Religion von dem Richterstuhl seines LiebliiuMegisterö.<lb/> Hier hielt er fest an dem Grundsatz: zu glauben, was er nicht ver<<lb/> stehe! Kam da auch manchmal ein Widerspruch mit seinen Lieb¬<lb/> lingen heraus, so wußte er sich schnell zu helfen. Er erklärte die<lb/> letztem für poetische Schönheiten, und jeder Scrupel war damit be¬<lb/> seitigt. Selbst Schiller, für den der Jüngling schwärmte, mußte auf<lb/> diese Art in den Hintergrund treten; und seit der Seelsorger der<lb/> Pfarrei, der ihn gerade bei der Lectüre des Don Carlos überrascht,<lb/> den großen Dichter einen „lutherschen Esel" titulirt hatte, der aus dein<lb/> Taugenichts von Infanten einen verführerischen Glaubenshelden ge¬<lb/> stempelt, hielt dieser die größte Vorsicht für doppelt nothwendig. Der<lb/> Seelsorger führte einen langen Beweis aus Don Carlos, wie die<lb/> Protestanten sogar offenbare Thatsachen verdrehen. Schienen dem<lb/> Jüngling solche Deductionen auch schon damals wurmstichig, so war<lb/> doch seine Ehrfurcht vor der oft erprobten Gewalt des Priesters über<lb/> die Familie groß genug, ihn höchst unterwürfig zu machen. Er<lb/> wand sich von Schiller ungefähr so los, wie ein Jüngling aus ter<lb/> Umarmung seiner ersten Liebe. Auch las er von >u n an kein denk-</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0154]
sich durch Bekrittelung eines katholischen Priesters versündigen. Unser
Jüngling hing an seiner besorgten Mutter wie an seinem Leben.
Ein leiser Wink von ihr vermochte sonst Alles über ihn; aber seit¬
dem ein Pater bei einer gerade Georgs Stübchen gegenüber abge¬
staueten Visite im kritischen Moment die Vorhänge zu schließen vergaß
und er daS Thema der Unterhaltung drüben firiren konnte, hielt er
selbst einen Mann im Mönchsgewand so gut als einen Herrn im
goldgestickten Frack für einen ganz gewöhnlichen Menschen.
Nur eine Klasse der Gesellschaft, für welche unserm Jüngling
von Kindheit an ein ganz besonderer Respect eingepflanzt worden
war, machte noch eine rühmliche Ausnahme. Dieß waren die Väter
vom heil. Loyola. Ein ?-leer 8aeieti»dis ^vsu erschien unserm jungen
Philosophen in der modernen Welt viel großartiger, als Homer's
Heroengeschlecht vor Troja. Damals hatte er nämlich noch keinen
Jesuiten in der Nähe gesehen, oder war wenigstens der festen Mei¬
nung, noch nie einen gesehen zu haben. Von einem ehrwürdigen
Vater im Frack oder goldgestickten Gewand konnte sich seine kühne
Phantasie vollends gar keinen Begriff machen.
Nächst dieser privilegirten Klasse dispcnsirte unser Weltweiser
auch seine Religion von dem Richterstuhl seines LiebliiuMegisterö.
Hier hielt er fest an dem Grundsatz: zu glauben, was er nicht ver<
stehe! Kam da auch manchmal ein Widerspruch mit seinen Lieb¬
lingen heraus, so wußte er sich schnell zu helfen. Er erklärte die
letztem für poetische Schönheiten, und jeder Scrupel war damit be¬
seitigt. Selbst Schiller, für den der Jüngling schwärmte, mußte auf
diese Art in den Hintergrund treten; und seit der Seelsorger der
Pfarrei, der ihn gerade bei der Lectüre des Don Carlos überrascht,
den großen Dichter einen „lutherschen Esel" titulirt hatte, der aus dein
Taugenichts von Infanten einen verführerischen Glaubenshelden ge¬
stempelt, hielt dieser die größte Vorsicht für doppelt nothwendig. Der
Seelsorger führte einen langen Beweis aus Don Carlos, wie die
Protestanten sogar offenbare Thatsachen verdrehen. Schienen dem
Jüngling solche Deductionen auch schon damals wurmstichig, so war
doch seine Ehrfurcht vor der oft erprobten Gewalt des Priesters über
die Familie groß genug, ihn höchst unterwürfig zu machen. Er
wand sich von Schiller ungefähr so los, wie ein Jüngling aus ter
Umarmung seiner ersten Liebe. Auch las er von >u n an kein denk-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |