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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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höhern Geselligkeit für die Herzogthümer bildete, schwingt sich in der
letzteren Zeit auch in materieller Beziehung immer mehr und mehr zu
größerer Bedeutung herauf. Die Eisenbahnverbindung mit Altona hat
den Handelsverkehr auf hier, zum Nachtheil Lübecks und anderer Ostsee¬
häfen, bedeutend vermehrt und gibt für eine ausgedehnte Verbindung
mit russischen und schwedischen Häfen günstige Aussichten. Eine
regelmäßige Dampfschiffahrt zwischen hier und Petersburg wird
schon diesen Sommer eingerichtet werden, und gerne wollen wir die
reichen Moskowiter mit ihren Banknoten und Goldstücken bei uns
an's Land steigen sehen, wenn wir auch sonst wenig Sympathien für
das Land des weißen Czars hegen. Wenn, wie ziemlich gewiß zu
erwarten steht, der Glückstadter Hafen, sei es von Seiten der Re¬
gierung, oder durch Privatunternehmer, die gehörige Erweiterung er¬
halten haben und dadurch eine regelmäßige Dampfschiffahrt zwischen
England und dort zu Stande kommen wird, dürfen wir auch von
dorther eines bedeutenden Verkehrs gewärtig sein, da die englischen
Waarenzüge für die Ostsee, mit Umgehung des Staber-, wie des Sund¬
zolls und der Hamburger Vermittlung, direkt per Eisenbahn auf hier
und dann weiter gehn werden. Die natürliche Beschaffenheit des Kieler
Hafens bietet alle Erfordernisse für einen ausgebreiteten Verkehr, und
wenn einst die Idee einer deutschen Flotte weniger wie jetzt ein lnsel^
ges Phantom ist, das man durch ein winziges Schifflein auf komische
Weise verwirklichen wollte, bietet jedenfalls die Kieler Föhrde den schön¬
sten Platz zu einem deutschen Kriegshafen. -- Auf unserer Universität
sielen vor einiger Zeit MißHelligkeiten zwischen der Akademischen Be¬
hörde und den Studenten vor. Eine Anzahl der letztern hatte einen
Professor, der sich bei ihnen mehrfach unbeliebt gemacht, in seinem
Colleg ausgescharrt, und als später hierüber eine Untersuchung einge¬
leitet ward, eine mit vielen Unterschriften versehene Eingabe ge¬
macht, in welcher jenes Verfahren durchaus gebilligt 'ward. Da
wurden einige zwanzig Studenten auf ein halbes Jahr confilirt; die
übrigen gaben den Verwichenen ein glänzendes Comitat und besuchten
während einer ganzen Woche kein Colleg, bis endlich, nachdem auch
die Bürger zu Gunsten der Studenten bei der Akademischen Behörde
intervenirt hatten, eine Art von Transaction zu Stande kam, wonach
die Studenten sich mit einem Gesuch direkt an den König wandten
und die Begnadigung ihrer Commilitonen erreichten. Von den Stu¬
denten, die sich übrigens bei dieser Gelegenheit ebenso einträchtig als
consequent und ehrenfest benahmen, ist eine kleine Broschüre heraus¬
gegeben worden, welche die ganze Angelegenheit auseinandersetzt. --
Der diesjährige Kieler Umschlag, eine noch aus den Zeiten des al¬
ten Hansabundes her datirende Art von Messe, auf der die wichtigsten
Geldgeschäfte, Güterkäufe und Verkäufe für beide Herzogthümer abge¬
schlossen werden, und wodurch in der Mitte des Januarmonats eine


höhern Geselligkeit für die Herzogthümer bildete, schwingt sich in der
letzteren Zeit auch in materieller Beziehung immer mehr und mehr zu
größerer Bedeutung herauf. Die Eisenbahnverbindung mit Altona hat
den Handelsverkehr auf hier, zum Nachtheil Lübecks und anderer Ostsee¬
häfen, bedeutend vermehrt und gibt für eine ausgedehnte Verbindung
mit russischen und schwedischen Häfen günstige Aussichten. Eine
regelmäßige Dampfschiffahrt zwischen hier und Petersburg wird
schon diesen Sommer eingerichtet werden, und gerne wollen wir die
reichen Moskowiter mit ihren Banknoten und Goldstücken bei uns
an's Land steigen sehen, wenn wir auch sonst wenig Sympathien für
das Land des weißen Czars hegen. Wenn, wie ziemlich gewiß zu
erwarten steht, der Glückstadter Hafen, sei es von Seiten der Re¬
gierung, oder durch Privatunternehmer, die gehörige Erweiterung er¬
halten haben und dadurch eine regelmäßige Dampfschiffahrt zwischen
England und dort zu Stande kommen wird, dürfen wir auch von
dorther eines bedeutenden Verkehrs gewärtig sein, da die englischen
Waarenzüge für die Ostsee, mit Umgehung des Staber-, wie des Sund¬
zolls und der Hamburger Vermittlung, direkt per Eisenbahn auf hier
und dann weiter gehn werden. Die natürliche Beschaffenheit des Kieler
Hafens bietet alle Erfordernisse für einen ausgebreiteten Verkehr, und
wenn einst die Idee einer deutschen Flotte weniger wie jetzt ein lnsel^
ges Phantom ist, das man durch ein winziges Schifflein auf komische
Weise verwirklichen wollte, bietet jedenfalls die Kieler Föhrde den schön¬
sten Platz zu einem deutschen Kriegshafen. — Auf unserer Universität
sielen vor einiger Zeit MißHelligkeiten zwischen der Akademischen Be¬
hörde und den Studenten vor. Eine Anzahl der letztern hatte einen
Professor, der sich bei ihnen mehrfach unbeliebt gemacht, in seinem
Colleg ausgescharrt, und als später hierüber eine Untersuchung einge¬
leitet ward, eine mit vielen Unterschriften versehene Eingabe ge¬
macht, in welcher jenes Verfahren durchaus gebilligt 'ward. Da
wurden einige zwanzig Studenten auf ein halbes Jahr confilirt; die
übrigen gaben den Verwichenen ein glänzendes Comitat und besuchten
während einer ganzen Woche kein Colleg, bis endlich, nachdem auch
die Bürger zu Gunsten der Studenten bei der Akademischen Behörde
intervenirt hatten, eine Art von Transaction zu Stande kam, wonach
die Studenten sich mit einem Gesuch direkt an den König wandten
und die Begnadigung ihrer Commilitonen erreichten. Von den Stu¬
denten, die sich übrigens bei dieser Gelegenheit ebenso einträchtig als
consequent und ehrenfest benahmen, ist eine kleine Broschüre heraus¬
gegeben worden, welche die ganze Angelegenheit auseinandersetzt. —
Der diesjährige Kieler Umschlag, eine noch aus den Zeiten des al¬
ten Hansabundes her datirende Art von Messe, auf der die wichtigsten
Geldgeschäfte, Güterkäufe und Verkäufe für beide Herzogthümer abge¬
schlossen werden, und wodurch in der Mitte des Januarmonats eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/614>, abgerufen am 22.07.2024.