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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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einen wissen -- es ist ja nicht möglich, daß ich auf solch elende,
schreckliche Art sterben soll --!

Er hielt die Hände vor das Gesicht und schluchzte laut.

-- Nehfer -- bat dessen Frau -- kannst Du ihn nicht in die
Cisterne verbergen.

Der Krämer horchte hoch auf.

-- Ja bei Gott, rief der Wirth -- an die hab' ich nicht ge¬
dacht -- dort drinnen suchen sie Euch schwerlich, aber sie ist halb
voll Wasser -- Wolf, könnt Ihr schwimmen?

-- In meinem Leben hab' ich's nicht versucht, antwortete dieser
zitternd.

-- Nun es lehnt eine Stange drin, an die könnt Ihr Euch
halten, sagte Rehfer; das Wasser ist acht Fuß tief, ich habe es erst
heute Morgen gemessen, wir wollen nach einer Weile die Pferde
tränken und ich denke, ich kann, ohne Verdacht zu erregen, drei Fuß
herauslassen, aber schnell, das Hurrahgeschrei drüben kündet ihr Wie¬
derkommen an, schnell, ehe es zu spät wird, und klammert Euch nur
an die Stange an, die wird Euch über Wasser halten; wenn es
dunkel wird, erlös ich Euch wieder!

-- Wie soll ich Euch je danken, schluchzte der Krämer.

-- Fort, fort, keine Redensarten mehr, hinein in'ö Wasser und
laßt die Stange nicht los.

-- Aber wenn es zu tief ist? frug Wolf ängstlich.

-- Ihr kennt das alte Sprichwort, entgegnete Rehfer. Was
hängen soll, ersäuft nicht, das mag Euch trösten.

Damit trat er zuerst vor die Thür, um sich zu versichern, daß
kein unberufener Zeuge den Verfolgten gewahren möchte; Niemanden
aber als die um daS Hotel herum postirten Wachen konnte er sehen,
und diesen verbarg eine Pfirsichbaum-Anpflanzung den Ort, wo sie
standen.

Die Cisterne war ein großes, rundes und hohes Gefäß, nach
Art der Feucrfässcr gearbeitet, von etwa acht Fuß oben wie unten
im Durchmesser, circa sechzehn Fuß Höhe und zur Hälfte mit Wasser
gefüllt, stand aber nicht eingemauert in der Erde, sondern frei, dicht
neben dem Haus, durch starke, eiserne Reifen umschlossen, im Garten,
mit einem Hahn unten daran, das Wasser leicht herauslassen zu
können und war nur mit einzelnen, lose darüber hingelegten Brettern


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einen wissen — es ist ja nicht möglich, daß ich auf solch elende,
schreckliche Art sterben soll —!

Er hielt die Hände vor das Gesicht und schluchzte laut.

— Nehfer — bat dessen Frau — kannst Du ihn nicht in die
Cisterne verbergen.

Der Krämer horchte hoch auf.

— Ja bei Gott, rief der Wirth — an die hab' ich nicht ge¬
dacht — dort drinnen suchen sie Euch schwerlich, aber sie ist halb
voll Wasser — Wolf, könnt Ihr schwimmen?

— In meinem Leben hab' ich's nicht versucht, antwortete dieser
zitternd.

— Nun es lehnt eine Stange drin, an die könnt Ihr Euch
halten, sagte Rehfer; das Wasser ist acht Fuß tief, ich habe es erst
heute Morgen gemessen, wir wollen nach einer Weile die Pferde
tränken und ich denke, ich kann, ohne Verdacht zu erregen, drei Fuß
herauslassen, aber schnell, das Hurrahgeschrei drüben kündet ihr Wie¬
derkommen an, schnell, ehe es zu spät wird, und klammert Euch nur
an die Stange an, die wird Euch über Wasser halten; wenn es
dunkel wird, erlös ich Euch wieder!

— Wie soll ich Euch je danken, schluchzte der Krämer.

— Fort, fort, keine Redensarten mehr, hinein in'ö Wasser und
laßt die Stange nicht los.

— Aber wenn es zu tief ist? frug Wolf ängstlich.

— Ihr kennt das alte Sprichwort, entgegnete Rehfer. Was
hängen soll, ersäuft nicht, das mag Euch trösten.

Damit trat er zuerst vor die Thür, um sich zu versichern, daß
kein unberufener Zeuge den Verfolgten gewahren möchte; Niemanden
aber als die um daS Hotel herum postirten Wachen konnte er sehen,
und diesen verbarg eine Pfirsichbaum-Anpflanzung den Ort, wo sie
standen.

Die Cisterne war ein großes, rundes und hohes Gefäß, nach
Art der Feucrfässcr gearbeitet, von etwa acht Fuß oben wie unten
im Durchmesser, circa sechzehn Fuß Höhe und zur Hälfte mit Wasser
gefüllt, stand aber nicht eingemauert in der Erde, sondern frei, dicht
neben dem Haus, durch starke, eiserne Reifen umschlossen, im Garten,
mit einem Hahn unten daran, das Wasser leicht herauslassen zu
können und war nur mit einzelnen, lose darüber hingelegten Brettern


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[0565] einen wissen — es ist ja nicht möglich, daß ich auf solch elende, schreckliche Art sterben soll —! Er hielt die Hände vor das Gesicht und schluchzte laut. — Nehfer — bat dessen Frau — kannst Du ihn nicht in die Cisterne verbergen. Der Krämer horchte hoch auf. — Ja bei Gott, rief der Wirth — an die hab' ich nicht ge¬ dacht — dort drinnen suchen sie Euch schwerlich, aber sie ist halb voll Wasser — Wolf, könnt Ihr schwimmen? — In meinem Leben hab' ich's nicht versucht, antwortete dieser zitternd. — Nun es lehnt eine Stange drin, an die könnt Ihr Euch halten, sagte Rehfer; das Wasser ist acht Fuß tief, ich habe es erst heute Morgen gemessen, wir wollen nach einer Weile die Pferde tränken und ich denke, ich kann, ohne Verdacht zu erregen, drei Fuß herauslassen, aber schnell, das Hurrahgeschrei drüben kündet ihr Wie¬ derkommen an, schnell, ehe es zu spät wird, und klammert Euch nur an die Stange an, die wird Euch über Wasser halten; wenn es dunkel wird, erlös ich Euch wieder! — Wie soll ich Euch je danken, schluchzte der Krämer. — Fort, fort, keine Redensarten mehr, hinein in'ö Wasser und laßt die Stange nicht los. — Aber wenn es zu tief ist? frug Wolf ängstlich. — Ihr kennt das alte Sprichwort, entgegnete Rehfer. Was hängen soll, ersäuft nicht, das mag Euch trösten. Damit trat er zuerst vor die Thür, um sich zu versichern, daß kein unberufener Zeuge den Verfolgten gewahren möchte; Niemanden aber als die um daS Hotel herum postirten Wachen konnte er sehen, und diesen verbarg eine Pfirsichbaum-Anpflanzung den Ort, wo sie standen. Die Cisterne war ein großes, rundes und hohes Gefäß, nach Art der Feucrfässcr gearbeitet, von etwa acht Fuß oben wie unten im Durchmesser, circa sechzehn Fuß Höhe und zur Hälfte mit Wasser gefüllt, stand aber nicht eingemauert in der Erde, sondern frei, dicht neben dem Haus, durch starke, eiserne Reifen umschlossen, im Garten, mit einem Hahn unten daran, das Wasser leicht herauslassen zu können und war nur mit einzelnen, lose darüber hingelegten Brettern 7t»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/565>, abgerufen am 23.07.2024.