Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.sechswöchentlichen Gefängnißstrafe rechtskräftig verurtheilt. Sein Be¬ In Bremen scheinen nicht Gesetze, sondern Nachsichten und Rück¬ Verdächtig der Beförderung des Tumults war Ussing den Hoch¬ 63 "
sechswöchentlichen Gefängnißstrafe rechtskräftig verurtheilt. Sein Be¬ In Bremen scheinen nicht Gesetze, sondern Nachsichten und Rück¬ Verdächtig der Beförderung des Tumults war Ussing den Hoch¬ 63 »
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269916"/> <p xml:id="ID_1376" prev="#ID_1375"> sechswöchentlichen Gefängnißstrafe rechtskräftig verurtheilt. Sein Be¬<lb/> nehmen, als er auf Requisition einer auswärtigen Behörde vernom¬<lb/> men werden mußte, war der Art, daß er es nur einer großen Nach,<lb/> ficht zu danken hat, wenn damals nicht weiter gegen ihn eingeschritten<lb/> wurde, und daß dieses selbst dann noch unterblieb, als eine Abschrift<lb/> des damals aufgenommenen Protokolls, aber verstümmelt und dage¬<lb/> gen mit Randglossen versehen, in einem öffentlichen Blatte erschien."</p><lb/> <p xml:id="ID_1377"> In Bremen scheinen nicht Gesetze, sondern Nachsichten und Rück¬<lb/> sichten zu regieren. Entweder war Rvstng's Benehmen gesetzwidrig<lb/> und dann mußte man pflichtmäßig gegen ihn einschreiten, oder es<lb/> war nicht gesetzwidrig, da bedürfte es der Nachsicht nicht. Aus<lb/> diesen Entscheidungsgründen lernen wir die Motive des Verfahrens<lb/> gegen Ussing kennen. Er, der Bürger der freien Stadt Bremen,<lb/> war ni'l ungehorsamer Unterthan „seiner Obrigkeit." Er hatte den<lb/> Puder von den galten bestäubten Perücken etwas abklopfen wollen;<lb/> er hatte „in einem der bestehenden Ordnung feindlichen Geiste" ge¬<lb/> schrieben; er hatte wiederholt an die Öffentlichkeit appellirt<lb/> und die Hochweisen Bremens in ihrem geheimen Treiben gestört.<lb/> Er hatte im Jahre 4834 „Constitutionelle Verhandlungen<lb/> zwischen Rath und Bürgerschaft der freien Stadt Bremen" in Braun¬<lb/> schweig drucken und in Bremen verkaufen lassen. Erhalte — und<lb/> dies ist ein Hauptanklagepunkt gegen ihn, da „die gleichzeitige<lb/> Verbreitung jener Schrift zur Bildung einer Art von öffentli¬<lb/> cher Meinung nicht ohne Einfluß geblieben ist," — diese Schrift am<lb/> 19. April 184! abermals durch die wöchentlichen Nachrichten, also<lb/> mit Bremer Censur, zum Verkaufe aufbieten lassen, „und zwar diese<lb/> neunzig Druckseiten zu dem äußerst niedrigen Preise von zwei Gro-<lb/> den." Charakteristisch ist es, daß man in der freien Stadt Bremen<lb/> gar keine „öffentliche Meinung" dulden will, daß man den, der Ver¬<lb/> anlassung gibt, daß sich nur „eine Art vonoffentl ieber Mei¬<lb/> nung" bildet, als Verbrecher behandelt. Dem Bürger der freien<lb/> Stadt Bremen, meint man, zieme stummer Gehorsam. Eine eigene<lb/> Meinung gegen die von Gott eingesetzte Obrigkeit zu haben, sei un¬<lb/> zulässig.</p><lb/> <p xml:id="ID_1378" next="#ID_1379"> Verdächtig der Beförderung des Tumults war Ussing den Hoch¬<lb/> weisen in Bremen ferner durch Mittheilung einer Abschrift seines<lb/> Protestes, durch augenblickliche Anwesenheit in dem Rathskeller an</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 63 »</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0501]
sechswöchentlichen Gefängnißstrafe rechtskräftig verurtheilt. Sein Be¬
nehmen, als er auf Requisition einer auswärtigen Behörde vernom¬
men werden mußte, war der Art, daß er es nur einer großen Nach,
ficht zu danken hat, wenn damals nicht weiter gegen ihn eingeschritten
wurde, und daß dieses selbst dann noch unterblieb, als eine Abschrift
des damals aufgenommenen Protokolls, aber verstümmelt und dage¬
gen mit Randglossen versehen, in einem öffentlichen Blatte erschien."
In Bremen scheinen nicht Gesetze, sondern Nachsichten und Rück¬
sichten zu regieren. Entweder war Rvstng's Benehmen gesetzwidrig
und dann mußte man pflichtmäßig gegen ihn einschreiten, oder es
war nicht gesetzwidrig, da bedürfte es der Nachsicht nicht. Aus
diesen Entscheidungsgründen lernen wir die Motive des Verfahrens
gegen Ussing kennen. Er, der Bürger der freien Stadt Bremen,
war ni'l ungehorsamer Unterthan „seiner Obrigkeit." Er hatte den
Puder von den galten bestäubten Perücken etwas abklopfen wollen;
er hatte „in einem der bestehenden Ordnung feindlichen Geiste" ge¬
schrieben; er hatte wiederholt an die Öffentlichkeit appellirt
und die Hochweisen Bremens in ihrem geheimen Treiben gestört.
Er hatte im Jahre 4834 „Constitutionelle Verhandlungen
zwischen Rath und Bürgerschaft der freien Stadt Bremen" in Braun¬
schweig drucken und in Bremen verkaufen lassen. Erhalte — und
dies ist ein Hauptanklagepunkt gegen ihn, da „die gleichzeitige
Verbreitung jener Schrift zur Bildung einer Art von öffentli¬
cher Meinung nicht ohne Einfluß geblieben ist," — diese Schrift am
19. April 184! abermals durch die wöchentlichen Nachrichten, also
mit Bremer Censur, zum Verkaufe aufbieten lassen, „und zwar diese
neunzig Druckseiten zu dem äußerst niedrigen Preise von zwei Gro-
den." Charakteristisch ist es, daß man in der freien Stadt Bremen
gar keine „öffentliche Meinung" dulden will, daß man den, der Ver¬
anlassung gibt, daß sich nur „eine Art vonoffentl ieber Mei¬
nung" bildet, als Verbrecher behandelt. Dem Bürger der freien
Stadt Bremen, meint man, zieme stummer Gehorsam. Eine eigene
Meinung gegen die von Gott eingesetzte Obrigkeit zu haben, sei un¬
zulässig.
Verdächtig der Beförderung des Tumults war Ussing den Hoch¬
weisen in Bremen ferner durch Mittheilung einer Abschrift seines
Protestes, durch augenblickliche Anwesenheit in dem Rathskeller an
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