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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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wird; hier haben wir es blos mit dem Redacteur und seinem
Blatte zu thun, ihm wollten wir blos erklären, weshalb er
kein Recht hat zu grollen, wenn ihn sein Publicum verläßt;
er, der immer nur seine Sache und nicht die allgemeine Sache
gepflegt hat. Deutschland machte in den letzten Jahren wenigstens
den Fortschritt, daß es von der einheimischen Presse verlangt, sie solle
sich mit seinen Angelegenheiten und nicht mit anderen beschäftigen.
Das Interesse des deutschen Volkes concentrirt sich nicht mehr in
Frankreich wie zur Zeit, wo Lewald in Europa auftauchte; es will
seine innersten Freuden und Leiden besprochen sehen, seine Schmerzen
und seine Hoffnungen, lauter Dinge, um die Herr Lewald sich wenig
kümmert. Die Europa hat die Wendung der neuen Zeit nicht be¬
griffen, und diese hat sie daher im Stiche gelassen. Ueberdieß sind
die industriellen Kunststückchen dieses Blattes zu regelmäßig wiederge¬
kehrt und haben sich abgenützt. Das Publicum weiß, daß die Europa
alle Jahre meldet, diesmal werde sie sicher den Messias gebären und
alle zwölf Apostel haben sich ihr als Mitarbeiter angeschlossen; es ist
schon daran gewöhnt, daß Herr Lewald zu jedem Neujahr ankündigen
läßt: diesmal sei die Europa mit großen Dingen schwanger und es
werden Wunder geschehen; man weiß, daß das Neujahr es blos auf
die heiligen drei Könige absieht, damit diese herbeiströmen und ihre
reichen Abonnementsgaben dem wunderthätigen Lewaldskindlein zu Fü¬
ßen legen. Aber die drei Könige haben schon durch mehrere Jahre,
wenn sie herbei kamen, die Krippe leer gefunden; nur


"Das Oechselein brüllte, das Eselein schrie."

Die heiligen drei Könige wollten nicht immer die Gefoppten sein,
nicht einmal die Dombausteine, die Herr Lewald nach Köln sandte,
rührten sie. Zuerst blieb der Kaspar aus und dann der Melchior, und
damit nicht zuletzt auch der Balthasar ausbleibe, sieht Herr Lewald
sich genöthigt, sein Krippenfpiel neu decoriren zu lassen und es im
herabgesetzten Preise zu zeigen.



*)Bon den allerliebsten Kunststückchen, mit denen Herr Lewald " la Döbler
und Bcsco das Publicum zu foppen weiß, wollen wir blos eines hier anfüh¬
ren. Bor etwa zwei, drei Jahren, als die Europa bereits fühlte, daß man
ihren Versprechungen nicht mehr traue, kündigte sie zu Neujahr an, daß for¬
tan auf dem Umschlage immer die Manuskripte angezeigt werden sollten, welche sür
die Zeitschrift einliefen. Wirklich wurden in den darauf folgenden Wochen ei¬
nige, wenn auch spärliche Einsendungen von namhaften Schriftstellern auf dem
Umschlage telegraphirt. Das Publicum, wie die Einsender, erwarteten nun von
Tag zu Tag, daß die Manuskripte abgedruckt erschienen --- aber Döbler hob
lächelnd den Hut auf, kein Sträußchen, kein Manuscript zu sehen -- Alles
verschwunden. Die Europa hatte es wie jener reisende Athlet gemacht, der
an den Straßenecken ankündigte, wer ihn besiege, dem werden tausend Du-
caten versprochen. Aber wie entschuldigt sich die Europa jenen Einsendern
gegenüber? Hier als Beispiel ein Brief, den Herr Lewald dem geistvollen
Schriftsteller Willkomm, einem durch jene Täuschung Entrüsteten, zusandte-

wird; hier haben wir es blos mit dem Redacteur und seinem
Blatte zu thun, ihm wollten wir blos erklären, weshalb er
kein Recht hat zu grollen, wenn ihn sein Publicum verläßt;
er, der immer nur seine Sache und nicht die allgemeine Sache
gepflegt hat. Deutschland machte in den letzten Jahren wenigstens
den Fortschritt, daß es von der einheimischen Presse verlangt, sie solle
sich mit seinen Angelegenheiten und nicht mit anderen beschäftigen.
Das Interesse des deutschen Volkes concentrirt sich nicht mehr in
Frankreich wie zur Zeit, wo Lewald in Europa auftauchte; es will
seine innersten Freuden und Leiden besprochen sehen, seine Schmerzen
und seine Hoffnungen, lauter Dinge, um die Herr Lewald sich wenig
kümmert. Die Europa hat die Wendung der neuen Zeit nicht be¬
griffen, und diese hat sie daher im Stiche gelassen. Ueberdieß sind
die industriellen Kunststückchen dieses Blattes zu regelmäßig wiederge¬
kehrt und haben sich abgenützt. Das Publicum weiß, daß die Europa
alle Jahre meldet, diesmal werde sie sicher den Messias gebären und
alle zwölf Apostel haben sich ihr als Mitarbeiter angeschlossen; es ist
schon daran gewöhnt, daß Herr Lewald zu jedem Neujahr ankündigen
läßt: diesmal sei die Europa mit großen Dingen schwanger und es
werden Wunder geschehen; man weiß, daß das Neujahr es blos auf
die heiligen drei Könige absieht, damit diese herbeiströmen und ihre
reichen Abonnementsgaben dem wunderthätigen Lewaldskindlein zu Fü¬
ßen legen. Aber die drei Könige haben schon durch mehrere Jahre,
wenn sie herbei kamen, die Krippe leer gefunden; nur


„Das Oechselein brüllte, das Eselein schrie."

Die heiligen drei Könige wollten nicht immer die Gefoppten sein,
nicht einmal die Dombausteine, die Herr Lewald nach Köln sandte,
rührten sie. Zuerst blieb der Kaspar aus und dann der Melchior, und
damit nicht zuletzt auch der Balthasar ausbleibe, sieht Herr Lewald
sich genöthigt, sein Krippenfpiel neu decoriren zu lassen und es im
herabgesetzten Preise zu zeigen.



*)Bon den allerliebsten Kunststückchen, mit denen Herr Lewald » la Döbler
und Bcsco das Publicum zu foppen weiß, wollen wir blos eines hier anfüh¬
ren. Bor etwa zwei, drei Jahren, als die Europa bereits fühlte, daß man
ihren Versprechungen nicht mehr traue, kündigte sie zu Neujahr an, daß for¬
tan auf dem Umschlage immer die Manuskripte angezeigt werden sollten, welche sür
die Zeitschrift einliefen. Wirklich wurden in den darauf folgenden Wochen ei¬
nige, wenn auch spärliche Einsendungen von namhaften Schriftstellern auf dem
Umschlage telegraphirt. Das Publicum, wie die Einsender, erwarteten nun von
Tag zu Tag, daß die Manuskripte abgedruckt erschienen -— aber Döbler hob
lächelnd den Hut auf, kein Sträußchen, kein Manuscript zu sehen — Alles
verschwunden. Die Europa hatte es wie jener reisende Athlet gemacht, der
an den Straßenecken ankündigte, wer ihn besiege, dem werden tausend Du-
caten versprochen. Aber wie entschuldigt sich die Europa jenen Einsendern
gegenüber? Hier als Beispiel ein Brief, den Herr Lewald dem geistvollen
Schriftsteller Willkomm, einem durch jene Täuschung Entrüsteten, zusandte-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/48>, abgerufen am 22.07.2024.