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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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direct von "draußen" kömmt, darüber Aufschlüsse geben könne. Die
naiven!

Lassen Sie mich über das gewöhnliche politische Geschwätz, das
man bei solchen Gelegenheiten hört, hinwegeilen und nur den ver¬
schiedenartigen Eindruck schildern, den die Nachricht in einigen mün¬
digen Zirkeln machte, wo man die Folgen der preußischen Staatskata¬
strophe, wenn sie wirklich eintreten sollte, in ihren praktischen Folgen auf
Oesterreich zu beurtheilen weiß. Ein Theil des ständischen Adels
Böhmens und Niederösterreichs hat an der Belebung unserer Pro-
vinzialstände ein directes Interesse genommen. Eine längere Fort¬
dauer derselben wäre ihm sehr erwünscht; theils weil er den durch
die lange Vernachlässigung seiner Rechte aus der Uebung gekommenen
Gebrauch derselben durch naheliegende Erfahrungen wieder zu beleben
hofft, theils weil das Beispiel eines Nachbarstaates die hiesige Re¬
gierung auf die Länge hätte bewegen müssen, ähnlichen, längst ver¬
brieften Rechten ein praktisches Leben zuzugestehen. Mit der Ein¬
führung von Reichsständen in Preußen ist den österreichischen Land¬
ständen wenig gedient. Erstens weil der Abstand zu groß ist, um
Aehnliches von Oesterreich zu hoffen, andererseits weil der Demokratie
dadurch ein größerer Einfluß auf die Staatöentwickelung gestattet wird,
als dem so hoch privilegirten Adel Oesterreichs lieb sein kann.

"Vom Gesichtspunkt der innern Verwaltung" --
sagte mir ein eben so aufgeklärter als hochgestellter Beamte -- "ist
"es für Oesterreich besser, wenn Preußen Reichsstände einführt, als wenn es
"seine jetzigen petitionirenden Provinzialstände fortdauern läßt. Eine
"tumultuarische Bewegung unserer Ständeversammlungen in Prag,
"Wien, Brünn ze. wäre die größte Kalamität, welche unsere Regie¬
rung treffen könnte; sie würde sie entweder zu Repressivmaßrcgeln
"veranlassen, waS der Politik, wie den Gefühlen des Kaiserhauses
"am meisten zuwider ist, oder fie würde uns die mühsam erlangte
"Centralisation der Verwaltung entreißen, für die wir erst in neuester
"Zeit durch die Staatseisenbahnen so große Opfer gebracht haben.
"Man hat gut sagen, daß Landstände nur eine berathende Stimme
"haben, daß man der Oeffentlichkeit ihrer Debatten Grenzen setzen
"könne; die moralische Macht, welche sie durch die Zustimmung der
"öffentlichen Meinung erhalten, so wie umgekehrt, den großen Ein-
"fluß, den sie auf die öffentliche Meinung ausüben, kann man ihnen


Grciijbvtc" IKili. I. 5,4

direct von „draußen" kömmt, darüber Aufschlüsse geben könne. Die
naiven!

Lassen Sie mich über das gewöhnliche politische Geschwätz, das
man bei solchen Gelegenheiten hört, hinwegeilen und nur den ver¬
schiedenartigen Eindruck schildern, den die Nachricht in einigen mün¬
digen Zirkeln machte, wo man die Folgen der preußischen Staatskata¬
strophe, wenn sie wirklich eintreten sollte, in ihren praktischen Folgen auf
Oesterreich zu beurtheilen weiß. Ein Theil des ständischen Adels
Böhmens und Niederösterreichs hat an der Belebung unserer Pro-
vinzialstände ein directes Interesse genommen. Eine längere Fort¬
dauer derselben wäre ihm sehr erwünscht; theils weil er den durch
die lange Vernachlässigung seiner Rechte aus der Uebung gekommenen
Gebrauch derselben durch naheliegende Erfahrungen wieder zu beleben
hofft, theils weil das Beispiel eines Nachbarstaates die hiesige Re¬
gierung auf die Länge hätte bewegen müssen, ähnlichen, längst ver¬
brieften Rechten ein praktisches Leben zuzugestehen. Mit der Ein¬
führung von Reichsständen in Preußen ist den österreichischen Land¬
ständen wenig gedient. Erstens weil der Abstand zu groß ist, um
Aehnliches von Oesterreich zu hoffen, andererseits weil der Demokratie
dadurch ein größerer Einfluß auf die Staatöentwickelung gestattet wird,
als dem so hoch privilegirten Adel Oesterreichs lieb sein kann.

„Vom Gesichtspunkt der innern Verwaltung" —
sagte mir ein eben so aufgeklärter als hochgestellter Beamte — „ist
„es für Oesterreich besser, wenn Preußen Reichsstände einführt, als wenn es
„seine jetzigen petitionirenden Provinzialstände fortdauern läßt. Eine
„tumultuarische Bewegung unserer Ständeversammlungen in Prag,
„Wien, Brünn ze. wäre die größte Kalamität, welche unsere Regie¬
rung treffen könnte; sie würde sie entweder zu Repressivmaßrcgeln
„veranlassen, waS der Politik, wie den Gefühlen des Kaiserhauses
„am meisten zuwider ist, oder fie würde uns die mühsam erlangte
„Centralisation der Verwaltung entreißen, für die wir erst in neuester
„Zeit durch die Staatseisenbahnen so große Opfer gebracht haben.
„Man hat gut sagen, daß Landstände nur eine berathende Stimme
„haben, daß man der Oeffentlichkeit ihrer Debatten Grenzen setzen
„könne; die moralische Macht, welche sie durch die Zustimmung der
„öffentlichen Meinung erhalten, so wie umgekehrt, den großen Ein-
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[0427] direct von „draußen" kömmt, darüber Aufschlüsse geben könne. Die naiven! Lassen Sie mich über das gewöhnliche politische Geschwätz, das man bei solchen Gelegenheiten hört, hinwegeilen und nur den ver¬ schiedenartigen Eindruck schildern, den die Nachricht in einigen mün¬ digen Zirkeln machte, wo man die Folgen der preußischen Staatskata¬ strophe, wenn sie wirklich eintreten sollte, in ihren praktischen Folgen auf Oesterreich zu beurtheilen weiß. Ein Theil des ständischen Adels Böhmens und Niederösterreichs hat an der Belebung unserer Pro- vinzialstände ein directes Interesse genommen. Eine längere Fort¬ dauer derselben wäre ihm sehr erwünscht; theils weil er den durch die lange Vernachlässigung seiner Rechte aus der Uebung gekommenen Gebrauch derselben durch naheliegende Erfahrungen wieder zu beleben hofft, theils weil das Beispiel eines Nachbarstaates die hiesige Re¬ gierung auf die Länge hätte bewegen müssen, ähnlichen, längst ver¬ brieften Rechten ein praktisches Leben zuzugestehen. Mit der Ein¬ führung von Reichsständen in Preußen ist den österreichischen Land¬ ständen wenig gedient. Erstens weil der Abstand zu groß ist, um Aehnliches von Oesterreich zu hoffen, andererseits weil der Demokratie dadurch ein größerer Einfluß auf die Staatöentwickelung gestattet wird, als dem so hoch privilegirten Adel Oesterreichs lieb sein kann. „Vom Gesichtspunkt der innern Verwaltung" — sagte mir ein eben so aufgeklärter als hochgestellter Beamte — „ist „es für Oesterreich besser, wenn Preußen Reichsstände einführt, als wenn es „seine jetzigen petitionirenden Provinzialstände fortdauern läßt. Eine „tumultuarische Bewegung unserer Ständeversammlungen in Prag, „Wien, Brünn ze. wäre die größte Kalamität, welche unsere Regie¬ rung treffen könnte; sie würde sie entweder zu Repressivmaßrcgeln „veranlassen, waS der Politik, wie den Gefühlen des Kaiserhauses „am meisten zuwider ist, oder fie würde uns die mühsam erlangte „Centralisation der Verwaltung entreißen, für die wir erst in neuester „Zeit durch die Staatseisenbahnen so große Opfer gebracht haben. „Man hat gut sagen, daß Landstände nur eine berathende Stimme „haben, daß man der Oeffentlichkeit ihrer Debatten Grenzen setzen „könne; die moralische Macht, welche sie durch die Zustimmung der „öffentlichen Meinung erhalten, so wie umgekehrt, den großen Ein- „fluß, den sie auf die öffentliche Meinung ausüben, kann man ihnen Grciijbvtc» IKili. I. 5,4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/427>, abgerufen am 22.07.2024.