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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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machen es nicht allein! Oder glauben Sie, daß nicht auch andere
Schriftsteller, die jahrelang für ihr eigenes Blatt und für andere
Blatter thätig waren, ihre zerstreuten Aufsätze in drei, vier Banden
sammeln und dann unter dem süßen Titel "Aquarellen" herausgeben
könnten? Sie allerdings sind über derlei scheue Zurückhaltung hinaus.
Dafür aber sind Sie auch .,der große Kaufmann im Süden", der
Cockeril, dessen Fabriken Alles erzeugen; Sie sind die "Seehandlung"
unserer Literatur, die mit Allem Handel treibt. Welchen Artikel füh¬
ren Sie denn nicht?

Nun segne Gott Ihren Handel, er vermehre sich und gedeihe!
Glauben Sie mir, Sie haben keine Neider zu befürchten. Geben Sie
zu Ihrem Europa noch ein Asten heraus. Der Kaufmann verbindet
ja mit einem Federstriche zwei Welttheile! Aber treiben Sie Ihr Ge¬
schäft in dem neuen Europa geschickter; loyaler kann ich Ihnen nicht
zumuthen

Herr Lewald mag zu vornehm sein, sich gegen Angriffe auf seine
journalistische Wirksamkeit zu vertheidigen; wir sind es nicht,
wir sind stets bereit, dem Publicum Rechenschaft zu geben. Dem
Publikum, nicht Herrn Lewald, mögen auch die folgenden Aufschlüsse
über die Grenzboten gelten.

Die Grenzboten wurden im Jahre 1841 in Brüssel gegründet.
Es war dies zu einer Zeit, wo die deutschen Journale keineswegs die
belgische Sprach- und Nationalfrage aus dem gefunden Gesichtspunkte
betrachteten, wie heute, und Belgien überhaupt sehr über die Achsel
ansahen. Die Grenzboten haben nicht den Dünkel, einen großen Er¬
folg in dieser Beziehung erstrebt zu haben; manche Anregung jedoch
dürfen sie sich zuschreiben. Fast alle politischen Journale Deutschlands
brachten Auszüge aus unsern Artikeln oder druckten sie ganz nach.
Daß die Idee, welche wir damals mit Eifer vertraten, keine chimä¬
rische war, hat sich durch den Vertrag zwischen dem Zollverein und
Belgien klar herausgestellt. Allein je mehr die deutsche Tagespreise
den belgischen Fragen ihre Aufmerksamkeit schenkte, um so überflüssiger
wurde es, ihnen ein eigenes Blatt ganz zu widmen. Dies, so wie
die Censur- und Communicationsschwierigkeitcn, mit welchen die Grenz¬
boten gleich vom Anfang an zu kämpfen hatten, veranlaßten die Re¬
daction, sie nach Leipzig zu verlegen. Mit dieser Uebersiedlung trat



*) Herr Lewald hat es nicht gern, wenn deutsche Schriftsteller reisen; er
fürchtrt, sie kommen ihm dann auf die Spur, wie er seine Bücher fabrizirt.
Ein Beispiel. In Mailand kaufte ich bei Tendler und Schäfer Lewald's
Handbuch über Italien und freute mich recht über dessen praktische Brauch¬
barkeit. Später kaufte ich in Rom ein anderes Handbuch l'ltsli" cointortaliw
,>-"- V-Ul-r?. Und siehe da, ick, hatte eine und dieselbe Geschichte zweimal.
Lewald hat den Valvry Wort für Wort übersetzt, ohne mit einem Sterbens¬
wörtchen den wahren Autor zu verrathen.

machen es nicht allein! Oder glauben Sie, daß nicht auch andere
Schriftsteller, die jahrelang für ihr eigenes Blatt und für andere
Blatter thätig waren, ihre zerstreuten Aufsätze in drei, vier Banden
sammeln und dann unter dem süßen Titel „Aquarellen" herausgeben
könnten? Sie allerdings sind über derlei scheue Zurückhaltung hinaus.
Dafür aber sind Sie auch .,der große Kaufmann im Süden", der
Cockeril, dessen Fabriken Alles erzeugen; Sie sind die „Seehandlung"
unserer Literatur, die mit Allem Handel treibt. Welchen Artikel füh¬
ren Sie denn nicht?

Nun segne Gott Ihren Handel, er vermehre sich und gedeihe!
Glauben Sie mir, Sie haben keine Neider zu befürchten. Geben Sie
zu Ihrem Europa noch ein Asten heraus. Der Kaufmann verbindet
ja mit einem Federstriche zwei Welttheile! Aber treiben Sie Ihr Ge¬
schäft in dem neuen Europa geschickter; loyaler kann ich Ihnen nicht
zumuthen

Herr Lewald mag zu vornehm sein, sich gegen Angriffe auf seine
journalistische Wirksamkeit zu vertheidigen; wir sind es nicht,
wir sind stets bereit, dem Publicum Rechenschaft zu geben. Dem
Publikum, nicht Herrn Lewald, mögen auch die folgenden Aufschlüsse
über die Grenzboten gelten.

Die Grenzboten wurden im Jahre 1841 in Brüssel gegründet.
Es war dies zu einer Zeit, wo die deutschen Journale keineswegs die
belgische Sprach- und Nationalfrage aus dem gefunden Gesichtspunkte
betrachteten, wie heute, und Belgien überhaupt sehr über die Achsel
ansahen. Die Grenzboten haben nicht den Dünkel, einen großen Er¬
folg in dieser Beziehung erstrebt zu haben; manche Anregung jedoch
dürfen sie sich zuschreiben. Fast alle politischen Journale Deutschlands
brachten Auszüge aus unsern Artikeln oder druckten sie ganz nach.
Daß die Idee, welche wir damals mit Eifer vertraten, keine chimä¬
rische war, hat sich durch den Vertrag zwischen dem Zollverein und
Belgien klar herausgestellt. Allein je mehr die deutsche Tagespreise
den belgischen Fragen ihre Aufmerksamkeit schenkte, um so überflüssiger
wurde es, ihnen ein eigenes Blatt ganz zu widmen. Dies, so wie
die Censur- und Communicationsschwierigkeitcn, mit welchen die Grenz¬
boten gleich vom Anfang an zu kämpfen hatten, veranlaßten die Re¬
daction, sie nach Leipzig zu verlegen. Mit dieser Uebersiedlung trat



*) Herr Lewald hat es nicht gern, wenn deutsche Schriftsteller reisen; er
fürchtrt, sie kommen ihm dann auf die Spur, wie er seine Bücher fabrizirt.
Ein Beispiel. In Mailand kaufte ich bei Tendler und Schäfer Lewald's
Handbuch über Italien und freute mich recht über dessen praktische Brauch¬
barkeit. Später kaufte ich in Rom ein anderes Handbuch l'ltsli« cointortaliw
,>-»- V-Ul-r?. Und siehe da, ick, hatte eine und dieselbe Geschichte zweimal.
Lewald hat den Valvry Wort für Wort übersetzt, ohne mit einem Sterbens¬
wörtchen den wahren Autor zu verrathen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/351>, abgerufen am 23.07.2024.