Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.und durchaus anständig ausgesprochenen Einwürfe Dingelstedt's, die Eduard Gans spricht in seinem, in den Dioskuren mitgetheilten und durchaus anständig ausgesprochenen Einwürfe Dingelstedt's, die Eduard Gans spricht in seinem, in den Dioskuren mitgetheilten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269688"/> <p xml:id="ID_776" prev="#ID_775"> und durchaus anständig ausgesprochenen Einwürfe Dingelstedt's, die<lb/> sich am Ende doch nur auf eine mehr individuelle Liebhaberei<lb/> zurückführen lassen, gegen die Drapirung der Gvthestatue? Hier sucht<lb/> man zu berichtigen, und plötzlich taucht ein viel derberer und schneiden¬<lb/> derer Angriff gegen die Weise des berühmten und wirklich genialen,<lb/> vielleicht aus leider fortdauernder Kränklichkeit reizbaren Meisters in<lb/> der Berliner Vossischen Zeitung auf, oder jenseits des Kanals erlaubt<lb/> man sich, wie vor zwei Jahren etwa das „Athenäum", Ausfälle<lb/> gegen den „deutschen Phidias", welche die Ausstellungen und Ein¬<lb/> würfe der einheimischen Journalistik an Bitterkeit weit hinter sich<lb/> lassen. Und was erreicht man mit diesen Reklamationen, diesen Ver¬<lb/> dächtigungen, dieser Empfindlichkeit und Gereiztheit? Die so ange¬<lb/> griffenen und verdächtigten Correspondenten und Kritiker müssen zuletzt<lb/> die hiesigen Künstler im Geheimen für undankbar halten; öffentlich<lb/> aber sind sie zu erklären gezwungen, daß sie es ehrlich und gut mit<lb/> der Münchner Kunst meinen, wie sie durch jene oder diese Schrift,<lb/> jenen oder diesen Aufsatz bereits zur Genüge bewiesen hätten. All-<lb/> mälig aber unterlassen sie, um ferneren Anfeindungen und Verdäch¬<lb/> tigungen nicht mehr ausgesetzt zu sein, die undankbare Mühwaltung,<lb/> über die Münchner Kunst überhaupt zu schreiben, weil sie trotz des<lb/> besten Willens Mißdeutungen nicht immer entgehen können, und das<lb/> Feld bleibt dem böswilligen Raisonnement, den unzähligen, von vorn¬<lb/> herein abgesagter Gegnern der Münchner Kunstrichtung, welche häufig<lb/> sich nur auf Gerüchte und auf bloßes Hörensagen stützen, allein über¬<lb/> lassen. Könnten die Münchner Künstler nur diese Empfindlichkeit<lb/> und Reizbarkeit ablegen, so wären sie unfehlbar die prächtigsten und<lb/> liebenswürdigsten Leute von der Welt. Der echten Genialität, wie<lb/> sie hier so mancher Künstler wirklich besitzt, müßte es, denk' ich, leicht<lb/> fallen, sich über die schnell verrauschenden Meinungen und individuel¬<lb/> len Ansichten des Tags erhaben zu fühlen, statt immer und immer<lb/> wieder Verwahrungen gegen sie einzulegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_777" next="#ID_778"> Eduard Gans spricht in seinem, in den Dioskuren mitgetheilten<lb/> Aufsatze über die „Stiftung der Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik"<lb/> von der autochthonischcn Bildung der Mbaiern und äußert bet dieser<lb/> Gelegenheit: „Sie betrachten die Fremden, die man herbeizuziehen<lb/> bemüht ist, wie Eindringlinge, deren man füglich entbehren könne."<lb/> Allerdings ist man hier vor norddeutschen Kolonen ein wenig auf</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0271]
und durchaus anständig ausgesprochenen Einwürfe Dingelstedt's, die
sich am Ende doch nur auf eine mehr individuelle Liebhaberei
zurückführen lassen, gegen die Drapirung der Gvthestatue? Hier sucht
man zu berichtigen, und plötzlich taucht ein viel derberer und schneiden¬
derer Angriff gegen die Weise des berühmten und wirklich genialen,
vielleicht aus leider fortdauernder Kränklichkeit reizbaren Meisters in
der Berliner Vossischen Zeitung auf, oder jenseits des Kanals erlaubt
man sich, wie vor zwei Jahren etwa das „Athenäum", Ausfälle
gegen den „deutschen Phidias", welche die Ausstellungen und Ein¬
würfe der einheimischen Journalistik an Bitterkeit weit hinter sich
lassen. Und was erreicht man mit diesen Reklamationen, diesen Ver¬
dächtigungen, dieser Empfindlichkeit und Gereiztheit? Die so ange¬
griffenen und verdächtigten Correspondenten und Kritiker müssen zuletzt
die hiesigen Künstler im Geheimen für undankbar halten; öffentlich
aber sind sie zu erklären gezwungen, daß sie es ehrlich und gut mit
der Münchner Kunst meinen, wie sie durch jene oder diese Schrift,
jenen oder diesen Aufsatz bereits zur Genüge bewiesen hätten. All-
mälig aber unterlassen sie, um ferneren Anfeindungen und Verdäch¬
tigungen nicht mehr ausgesetzt zu sein, die undankbare Mühwaltung,
über die Münchner Kunst überhaupt zu schreiben, weil sie trotz des
besten Willens Mißdeutungen nicht immer entgehen können, und das
Feld bleibt dem böswilligen Raisonnement, den unzähligen, von vorn¬
herein abgesagter Gegnern der Münchner Kunstrichtung, welche häufig
sich nur auf Gerüchte und auf bloßes Hörensagen stützen, allein über¬
lassen. Könnten die Münchner Künstler nur diese Empfindlichkeit
und Reizbarkeit ablegen, so wären sie unfehlbar die prächtigsten und
liebenswürdigsten Leute von der Welt. Der echten Genialität, wie
sie hier so mancher Künstler wirklich besitzt, müßte es, denk' ich, leicht
fallen, sich über die schnell verrauschenden Meinungen und individuel¬
len Ansichten des Tags erhaben zu fühlen, statt immer und immer
wieder Verwahrungen gegen sie einzulegen.
Eduard Gans spricht in seinem, in den Dioskuren mitgetheilten
Aufsatze über die „Stiftung der Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik"
von der autochthonischcn Bildung der Mbaiern und äußert bet dieser
Gelegenheit: „Sie betrachten die Fremden, die man herbeizuziehen
bemüht ist, wie Eindringlinge, deren man füglich entbehren könne."
Allerdings ist man hier vor norddeutschen Kolonen ein wenig auf
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