Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.dem es nimmt zu kleinen Mitteln seine Zuflucht, es sagt: Chicane Der Kaiser Alexander, einer der Haupttheilnehmer der Pariser dem es nimmt zu kleinen Mitteln seine Zuflucht, es sagt: Chicane Der Kaiser Alexander, einer der Haupttheilnehmer der Pariser <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269438"/> <p xml:id="ID_40" prev="#ID_39"> dem es nimmt zu kleinen Mitteln seine Zuflucht, es sagt: Chicane<lb/> bis zum Ekel!</p><lb/> <p xml:id="ID_41" next="#ID_42"> Der Kaiser Alexander, einer der Haupttheilnehmer der Pariser<lb/> Verträge vom 30. Mai 1814 und 20. November 1815, so wie auch<lb/> des Wiener Kongresses, hat zu Schöpfung eines Königreichs der ver¬<lb/> einigten Niederlande entschieden beigetragen. An die Fortdauer die¬<lb/> ses Staates glaubte er so fest, daß er dem damals muthmaßlichen<lb/> Erben der neuen Krone, dem jetzigen König (von Holland) Wilhelm<lb/> dem Zweiten, eine seiner Schwestern zur Gemahlin gab. Im Jahre 1830<lb/> zerbrach Belgien die vom Wiener Congreß so peinlich ausgearbeitete Com¬<lb/> bination; was wird nun Rußlands Herrscher thun? fragte man sich.<lb/> Mehr als irgend einer der andern Monarchen ist er bei der Frage<lb/> interessirt; außer dem politischen Gedanken des Wiener Congresses<lb/> hat er auch noch das seiner Schwester bald anheimfallende Erbtheil<lb/> zu vertheidigen. Nußland, sagte man, hat so viel Soldaten, daß es<lb/> nicht weiß, was es damit machen soll; ein Schritt seinerseits, eine<lb/> Offenbarung seines Willens würde Preußen und Oesterreich vielleicht<lb/> mit fortgerissen haben. Aber nein, Rußland rührt sich nicht; sür den<lb/> ärgsten Fall ist es ja seines äußersten Mittels noch sicher: es schickt<lb/> keinen Geschäftsträger nach Brüssel!! Es ist wahr, die polnische Re¬<lb/> volution, die den 29. November 1830 ausbrach, d. h. drei Monate<lb/> nach dem ersten Acte der belgischen, mußte die guten Absichten<lb/> des Kaisers Nikolaus lahmen, vorausgesetzt natürlich, daß er über¬<lb/> haupt Absichten hatte. Aber in Polen war ja mit der Einnahme<lb/> von Warschau Alles im December 1831 beendigt; und in Bel¬<lb/> gien war noch Nichts abgeschlossen. Der Kaiser, der nun freier Herr<lb/> seiner Bewegungen geworden, wird er nicht jetzt endlich der Entwicke¬<lb/> lung der Folgen der belgischen Revolution sein gebietendes Machtwort<lb/> als hemmende Schranke entgegenstellen? Nein! — So wird er sich<lb/> wenigstens von der Sache ganz fern halten? Nein. Der russische<lb/> Kaiser, der die belgische Revolution verabscheut, erstens als Revolu¬<lb/> tion und dann auch, weil sie ein Mitglied seiner Familie betrifft,<lb/> nimmt an allen Unterhandlungen Theil; er nimmt die Unabhängig¬<lb/> keitserklärung vom 20 December 1830 an; sein Gesandter in London<lb/> willigt in seinem Namen in Alles, und als später die belgische Na¬<lb/> tion einen König wählt, hat der Kaiser von Rußland, der Schwager<lb/> des muthmaßlichen Thronerben des alten Königs der Niederlande</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0021]
dem es nimmt zu kleinen Mitteln seine Zuflucht, es sagt: Chicane
bis zum Ekel!
Der Kaiser Alexander, einer der Haupttheilnehmer der Pariser
Verträge vom 30. Mai 1814 und 20. November 1815, so wie auch
des Wiener Kongresses, hat zu Schöpfung eines Königreichs der ver¬
einigten Niederlande entschieden beigetragen. An die Fortdauer die¬
ses Staates glaubte er so fest, daß er dem damals muthmaßlichen
Erben der neuen Krone, dem jetzigen König (von Holland) Wilhelm
dem Zweiten, eine seiner Schwestern zur Gemahlin gab. Im Jahre 1830
zerbrach Belgien die vom Wiener Congreß so peinlich ausgearbeitete Com¬
bination; was wird nun Rußlands Herrscher thun? fragte man sich.
Mehr als irgend einer der andern Monarchen ist er bei der Frage
interessirt; außer dem politischen Gedanken des Wiener Congresses
hat er auch noch das seiner Schwester bald anheimfallende Erbtheil
zu vertheidigen. Nußland, sagte man, hat so viel Soldaten, daß es
nicht weiß, was es damit machen soll; ein Schritt seinerseits, eine
Offenbarung seines Willens würde Preußen und Oesterreich vielleicht
mit fortgerissen haben. Aber nein, Rußland rührt sich nicht; sür den
ärgsten Fall ist es ja seines äußersten Mittels noch sicher: es schickt
keinen Geschäftsträger nach Brüssel!! Es ist wahr, die polnische Re¬
volution, die den 29. November 1830 ausbrach, d. h. drei Monate
nach dem ersten Acte der belgischen, mußte die guten Absichten
des Kaisers Nikolaus lahmen, vorausgesetzt natürlich, daß er über¬
haupt Absichten hatte. Aber in Polen war ja mit der Einnahme
von Warschau Alles im December 1831 beendigt; und in Bel¬
gien war noch Nichts abgeschlossen. Der Kaiser, der nun freier Herr
seiner Bewegungen geworden, wird er nicht jetzt endlich der Entwicke¬
lung der Folgen der belgischen Revolution sein gebietendes Machtwort
als hemmende Schranke entgegenstellen? Nein! — So wird er sich
wenigstens von der Sache ganz fern halten? Nein. Der russische
Kaiser, der die belgische Revolution verabscheut, erstens als Revolu¬
tion und dann auch, weil sie ein Mitglied seiner Familie betrifft,
nimmt an allen Unterhandlungen Theil; er nimmt die Unabhängig¬
keitserklärung vom 20 December 1830 an; sein Gesandter in London
willigt in seinem Namen in Alles, und als später die belgische Na¬
tion einen König wählt, hat der Kaiser von Rußland, der Schwager
des muthmaßlichen Thronerben des alten Königs der Niederlande
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |