Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.und forderten im Namen derselben einen der Rabbiner auf, den de- Wie fehr darüber geklagt wird, daß unsere gegenwärtige Thcater- und forderten im Namen derselben einen der Rabbiner auf, den de- Wie fehr darüber geklagt wird, daß unsere gegenwärtige Thcater- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0096" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181280"/> <p xml:id="ID_258" prev="#ID_257"> und forderten im Namen derselben einen der Rabbiner auf, den de-<lb/> putirten Geistlichen ebenfalls beizutreten, was denn auch geschah und<lb/> worauf dieser Rabbiner, eben so wie die übrigen Deputieren, vom<lb/> Könige zur Tafel gezogen wurde. Es ist bei dieser Gelegenheit die<lb/> Bemerkung gemacht worden, daß seit dem sechszehnten Jahrhundert<lb/> in Berlin keine Pöbelcrcesse gegen die Juden vorgekommen seien.<lb/> Selbst im Jahre 1819, als fast in ganz Deutschland das verrufene<lb/> Hepp, Hepp! erscholl, hat sich Berlin von diesen Verdunkelungen der<lb/> Bildung unserer Zeit völlig frei erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_259"> Wie fehr darüber geklagt wird, daß unsere gegenwärtige Thcater-<lb/> verwaltung die Bedürfnisse des Publicums und die Anforderungen<lb/> der Zeit nicht zu befriedigen vermöge, wissen Sie bereits zur Genüge.<lb/> Es soll sogar eine Bittschrift an den König zur Unterzeichnung circu-<lb/> liren, worin diese Klagen näher auseinander gesetzt werden, besonders<lb/> mit Bezug darauf, daß fast gar Nichts für die Würde des deutschen<lb/> Schauspiels der ersten Bühne der Hauptstadt geschehe und alle Ma߬<lb/> regeln nur auf die Vergrößerung der täglichen Einnahme berechnet<lb/> seien. Die schöne Zeit Iffland's und der Theaterverwaltung des Gra¬<lb/> fen Brühe dürfte wohl niemals wieder für Berlin zurückkehren; diese<lb/> war zum größten Theil schon unter der Verwaltung des Grafen von<lb/> Redern kaum mehr zu erkennen; jetzt ist aber auch nicht die leiseste<lb/> Spur davon wahrzunehmen, wenn man nicht etwa Madame Erelin-<lb/> ger als den letzten Mohikaner aus jener Zeit betrachten will. Welche<lb/> seltsame Mißgriffe mitunter hier gemacht werden, läßt sich aus dem<lb/> vielbelachten Factum abnehmen, daß am Tage der feierlichen Rück¬<lb/> kehr Ihrer Majestäten, an welchem so viele Reden von allen Seiten<lb/> gehalten wurden, im königlichen Theater das Lustspiel „Lüge und<lb/> Wahrheit" gegeben ward. Indessen läßt sich auch von dem „Königs-<lb/> städtischcn Theater" nicht sagen, daß es seine Zeit und sein Publicum ^<lb/> verstehe; statt sich ausschließlich auf das leichte Singspiel und auf die<lb/> Posse zu legen und diese auf das Beste und Vollständigste zu besetzen,<lb/> läßt sich der Director dieses Theaters in jedem Winter eine kostspie¬<lb/> lige Operngesellschaft aus Italien kommen, die meistens aus mittel¬<lb/> mäßigen Subjecten besteht, weil die ausgezeichnetem sich lieber für<lb/> Mailand, Neapel, Paris oder London engagiren lassen, und obgleich<lb/> diese Gesellschaft fast immer vor leeren Bänken spielt, muß sich doch<lb/> das Publicum zwei oder dreimal wöchentlich die ..ceti's und die ..ini's<lb/> vorführen lassen, blos weil einige vornehme Gönner des Königsstädti-<lb/> schen Theaters Gefallen daran finden. Es ist gar nicht zu verwun¬<lb/> dern, daß der geniale Beckmann aus Verdruß über diesen Spuk da¬<lb/> vongelaufen, obwohl das Davonlaufen immer eine unverantwortliche<lb/><note type="byline"> Justus.</note> Sache bleibt. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0096]
und forderten im Namen derselben einen der Rabbiner auf, den de-
putirten Geistlichen ebenfalls beizutreten, was denn auch geschah und
worauf dieser Rabbiner, eben so wie die übrigen Deputieren, vom
Könige zur Tafel gezogen wurde. Es ist bei dieser Gelegenheit die
Bemerkung gemacht worden, daß seit dem sechszehnten Jahrhundert
in Berlin keine Pöbelcrcesse gegen die Juden vorgekommen seien.
Selbst im Jahre 1819, als fast in ganz Deutschland das verrufene
Hepp, Hepp! erscholl, hat sich Berlin von diesen Verdunkelungen der
Bildung unserer Zeit völlig frei erhalten.
Wie fehr darüber geklagt wird, daß unsere gegenwärtige Thcater-
verwaltung die Bedürfnisse des Publicums und die Anforderungen
der Zeit nicht zu befriedigen vermöge, wissen Sie bereits zur Genüge.
Es soll sogar eine Bittschrift an den König zur Unterzeichnung circu-
liren, worin diese Klagen näher auseinander gesetzt werden, besonders
mit Bezug darauf, daß fast gar Nichts für die Würde des deutschen
Schauspiels der ersten Bühne der Hauptstadt geschehe und alle Ma߬
regeln nur auf die Vergrößerung der täglichen Einnahme berechnet
seien. Die schöne Zeit Iffland's und der Theaterverwaltung des Gra¬
fen Brühe dürfte wohl niemals wieder für Berlin zurückkehren; diese
war zum größten Theil schon unter der Verwaltung des Grafen von
Redern kaum mehr zu erkennen; jetzt ist aber auch nicht die leiseste
Spur davon wahrzunehmen, wenn man nicht etwa Madame Erelin-
ger als den letzten Mohikaner aus jener Zeit betrachten will. Welche
seltsame Mißgriffe mitunter hier gemacht werden, läßt sich aus dem
vielbelachten Factum abnehmen, daß am Tage der feierlichen Rück¬
kehr Ihrer Majestäten, an welchem so viele Reden von allen Seiten
gehalten wurden, im königlichen Theater das Lustspiel „Lüge und
Wahrheit" gegeben ward. Indessen läßt sich auch von dem „Königs-
städtischcn Theater" nicht sagen, daß es seine Zeit und sein Publicum ^
verstehe; statt sich ausschließlich auf das leichte Singspiel und auf die
Posse zu legen und diese auf das Beste und Vollständigste zu besetzen,
läßt sich der Director dieses Theaters in jedem Winter eine kostspie¬
lige Operngesellschaft aus Italien kommen, die meistens aus mittel¬
mäßigen Subjecten besteht, weil die ausgezeichnetem sich lieber für
Mailand, Neapel, Paris oder London engagiren lassen, und obgleich
diese Gesellschaft fast immer vor leeren Bänken spielt, muß sich doch
das Publicum zwei oder dreimal wöchentlich die ..ceti's und die ..ini's
vorführen lassen, blos weil einige vornehme Gönner des Königsstädti-
schen Theaters Gefallen daran finden. Es ist gar nicht zu verwun¬
dern, daß der geniale Beckmann aus Verdruß über diesen Spuk da¬
vongelaufen, obwohl das Davonlaufen immer eine unverantwortliche
Justus. Sache bleibt.
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