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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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-- Sie haben nun einen kleinen Beweis von den Wirkungen
des höllischen StaubgiftcS erhalten, das aus eine so unerklärliche
Weise in der Welt verbreitet ist, sagte der Schachtelmann mit ängst¬
licher, Hilfe suchender Stimme zu mir, nachdem Friedrich auf meine
Weisung den Staub mit einen, feuchten Tuche abgewischt hatte.

-- Wie lange, sprach ich und suchte mich so ruhig wie mög¬
lich zu halten, damit kein neuer Anfall die Mittheilung unterbrechen
möchte; wie lange ist es, daß Sie den verderblichen Einfluß dieses
freilich überall ausgestreuten und in den Sommermonaten allerdings
zuweilen unerträglichen Gastes empfinden?

-- Nicht wahr, Sie finden ihn auch unerträglich? entgegnete
er freudig.

-- Ja wohl kann es Verhältnisse und Umstände geben, wo der
Staub, im Uebermaß verschluckt oder eingeathmet, der Lunge be¬
schwerlich fällt und unsere Brust beklemmt.

-- Gottlob! rief der Kranke, so finde ich doch endlich eine
Seele, die meinen Kummer versteht. O, von Ihnen, mein Bester,
wird mir endlich Rettung zu Theil werden, Ihnen will ich auch mein
ganzes Herz öffnen!

-- Thun Sie das, erwiederte ich, auf jeden Fall hoffe ich Ihnen
dann wenigstens Linderung versprechen zu können.

-- So hören Sie denn, Herr Doctor, die Geschichte eines un¬
glücklichen Mannes, der, mit einem zu reizbaren Körper begabt, von
Jugend auf seine Kräfte an der eisernen Stirn des Schicksals zer¬
schellte und nun keine andere Bitte mehr hat an Den, der oben wal¬
tet, als daß er wenigstens die wenigen Stunden seines Daseins un¬
gestört hinbringen dürfe. -- Unsere Bekanntschaft, sprach er und hu¬
stete, als sei ihm etwas in die Kehle geflogen, scheint zwar noch neu,
allein meine Minuten sind wahrscheinlich gezählt und dann habe ich
Sie auch aufmerksamer beobachtet, als Sie vielleicht glauben; ich erin¬
nere mich recht gut Ihrer Eltern, und Ihre Gestalt steht jetzr so leb¬
haft wieder vor meinen Augen wie damals, wo ich Sie als Knaben
malte.

-- Sie malten mich? fragte ich verwundert.

-- Ja, sagte er; Friedrich, rief er dem Diener zu, wenn Du
jeden Staub vermeiden willst, so hole einmal das zweite von den
Bildern in der vordem Stube. Aber geh' langsam, ich bitte Dich,


Grenzboten II. H

— Sie haben nun einen kleinen Beweis von den Wirkungen
des höllischen StaubgiftcS erhalten, das aus eine so unerklärliche
Weise in der Welt verbreitet ist, sagte der Schachtelmann mit ängst¬
licher, Hilfe suchender Stimme zu mir, nachdem Friedrich auf meine
Weisung den Staub mit einen, feuchten Tuche abgewischt hatte.

— Wie lange, sprach ich und suchte mich so ruhig wie mög¬
lich zu halten, damit kein neuer Anfall die Mittheilung unterbrechen
möchte; wie lange ist es, daß Sie den verderblichen Einfluß dieses
freilich überall ausgestreuten und in den Sommermonaten allerdings
zuweilen unerträglichen Gastes empfinden?

— Nicht wahr, Sie finden ihn auch unerträglich? entgegnete
er freudig.

— Ja wohl kann es Verhältnisse und Umstände geben, wo der
Staub, im Uebermaß verschluckt oder eingeathmet, der Lunge be¬
schwerlich fällt und unsere Brust beklemmt.

— Gottlob! rief der Kranke, so finde ich doch endlich eine
Seele, die meinen Kummer versteht. O, von Ihnen, mein Bester,
wird mir endlich Rettung zu Theil werden, Ihnen will ich auch mein
ganzes Herz öffnen!

— Thun Sie das, erwiederte ich, auf jeden Fall hoffe ich Ihnen
dann wenigstens Linderung versprechen zu können.

— So hören Sie denn, Herr Doctor, die Geschichte eines un¬
glücklichen Mannes, der, mit einem zu reizbaren Körper begabt, von
Jugend auf seine Kräfte an der eisernen Stirn des Schicksals zer¬
schellte und nun keine andere Bitte mehr hat an Den, der oben wal¬
tet, als daß er wenigstens die wenigen Stunden seines Daseins un¬
gestört hinbringen dürfe. — Unsere Bekanntschaft, sprach er und hu¬
stete, als sei ihm etwas in die Kehle geflogen, scheint zwar noch neu,
allein meine Minuten sind wahrscheinlich gezählt und dann habe ich
Sie auch aufmerksamer beobachtet, als Sie vielleicht glauben; ich erin¬
nere mich recht gut Ihrer Eltern, und Ihre Gestalt steht jetzr so leb¬
haft wieder vor meinen Augen wie damals, wo ich Sie als Knaben
malte.

— Sie malten mich? fragte ich verwundert.

— Ja, sagte er; Friedrich, rief er dem Diener zu, wenn Du
jeden Staub vermeiden willst, so hole einmal das zweite von den
Bildern in der vordem Stube. Aber geh' langsam, ich bitte Dich,


Grenzboten II. H
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/61>, abgerufen am 01.09.2024.