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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Garantien bietet wie die andere. Konsequenter Weise muß dies also
auch bei den Schriftstellern und ihren Contracten Anwendung finden.

Ein Landsmann Karl Beck'S-- in so weit man einen gallizi-
schen und einen ungarischen Unterthan Oesterreichs Landsleute nen¬
nen kann -- befindet sich in Leipzig in einer Verlegenheit anderer
Art. Es ist dies der Literat und Dr. der Medizin Philipp Löben-
stein, der hier zwei Romane des russischen Dichters Marlinski in
gelungener Uebersetzung herausgegeben hat. -- Die österreichische Cen-
surbehörde scheint dadurch auf die Idee gerathen zu sein, Herr L.
sei der Verfasser mehrerer anderer in Leipzig erschienenen Schriften poli¬
tischer Natur; seine Localbehörde berief ihn nun nach Hause und die
Leipziger Universität, bei der er inscribirt war, hat seinen Paß aus¬
geliefert. -- Herr Löbenstein, ein junger Mann von schwächlicher Ge¬
sundheit, sieht sich nun genöthigt, mitten im Winter die weite Reise
antreten zu müssen und sich aus einer mühsam erworbenen schrift¬
stellerischen Position loszureißen. Dieses Verfahren ist sowohl von der Leip¬
ziger Universität, als von der österreichischen Behörde gleich unbegreiflich.

Oesterreich hat uns in letzterer Zeit zu der Hoffnung berechtigt,
es gehe in Bezug auf das Gesetz, welches österreichischen Literaten
verbietet, im Auslande Schriften herauszugeben, von zeitgemäßen
und gemilderten Grundsätzen aus; es hat einige polizeiliche Un¬
tersuchungen dieser Art ohne weitere Folge fallen lassen, und dadurch
gewiß nicht wenig in der öffentlichen Meinung gewonnen. Sollten
wir uns getäuscht haben? Oder soll Deutschland sagen, daß
man in Wien nur gegen Schriftsteller von Renommee, gegen Lenau,
Grün, Karl Beck, Rank, Dukter, gegen oft citirte Publicisten, wie
Wiesncr, Schuselka, mit Nachsicht verfährt, während man gegen die min¬
der bekannten die ganze Strenge des alten Prinzips anwendet? Und
Wie will man gegen den Angeklagten Beweise liefern? Und ist es
human, einen Mann aus seinen Erwerböverhältnissen zu reißen und
ihn dann wieder ziehen zu lassen?

-- Nach dem allen hier Erzählten wird man gestehen, daß das
Loos eines deutschen Schriftstellers, in welchem Winkel der sechsund¬
dreißig Bundesstaaten er auch lebe, kein beneidenswerthes ist; er bleibt
mehr oder minder ein Mensch außerhalb des Gesetzes.


I. Kuranda.


Garantien bietet wie die andere. Konsequenter Weise muß dies also
auch bei den Schriftstellern und ihren Contracten Anwendung finden.

Ein Landsmann Karl Beck'S— in so weit man einen gallizi-
schen und einen ungarischen Unterthan Oesterreichs Landsleute nen¬
nen kann — befindet sich in Leipzig in einer Verlegenheit anderer
Art. Es ist dies der Literat und Dr. der Medizin Philipp Löben-
stein, der hier zwei Romane des russischen Dichters Marlinski in
gelungener Uebersetzung herausgegeben hat. — Die österreichische Cen-
surbehörde scheint dadurch auf die Idee gerathen zu sein, Herr L.
sei der Verfasser mehrerer anderer in Leipzig erschienenen Schriften poli¬
tischer Natur; seine Localbehörde berief ihn nun nach Hause und die
Leipziger Universität, bei der er inscribirt war, hat seinen Paß aus¬
geliefert. — Herr Löbenstein, ein junger Mann von schwächlicher Ge¬
sundheit, sieht sich nun genöthigt, mitten im Winter die weite Reise
antreten zu müssen und sich aus einer mühsam erworbenen schrift¬
stellerischen Position loszureißen. Dieses Verfahren ist sowohl von der Leip¬
ziger Universität, als von der österreichischen Behörde gleich unbegreiflich.

Oesterreich hat uns in letzterer Zeit zu der Hoffnung berechtigt,
es gehe in Bezug auf das Gesetz, welches österreichischen Literaten
verbietet, im Auslande Schriften herauszugeben, von zeitgemäßen
und gemilderten Grundsätzen aus; es hat einige polizeiliche Un¬
tersuchungen dieser Art ohne weitere Folge fallen lassen, und dadurch
gewiß nicht wenig in der öffentlichen Meinung gewonnen. Sollten
wir uns getäuscht haben? Oder soll Deutschland sagen, daß
man in Wien nur gegen Schriftsteller von Renommee, gegen Lenau,
Grün, Karl Beck, Rank, Dukter, gegen oft citirte Publicisten, wie
Wiesncr, Schuselka, mit Nachsicht verfährt, während man gegen die min¬
der bekannten die ganze Strenge des alten Prinzips anwendet? Und
Wie will man gegen den Angeklagten Beweise liefern? Und ist es
human, einen Mann aus seinen Erwerböverhältnissen zu reißen und
ihn dann wieder ziehen zu lassen?

— Nach dem allen hier Erzählten wird man gestehen, daß das
Loos eines deutschen Schriftstellers, in welchem Winkel der sechsund¬
dreißig Bundesstaaten er auch lebe, kein beneidenswerthes ist; er bleibt
mehr oder minder ein Mensch außerhalb des Gesetzes.


I. Kuranda.


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[0603] Garantien bietet wie die andere. Konsequenter Weise muß dies also auch bei den Schriftstellern und ihren Contracten Anwendung finden. Ein Landsmann Karl Beck'S— in so weit man einen gallizi- schen und einen ungarischen Unterthan Oesterreichs Landsleute nen¬ nen kann — befindet sich in Leipzig in einer Verlegenheit anderer Art. Es ist dies der Literat und Dr. der Medizin Philipp Löben- stein, der hier zwei Romane des russischen Dichters Marlinski in gelungener Uebersetzung herausgegeben hat. — Die österreichische Cen- surbehörde scheint dadurch auf die Idee gerathen zu sein, Herr L. sei der Verfasser mehrerer anderer in Leipzig erschienenen Schriften poli¬ tischer Natur; seine Localbehörde berief ihn nun nach Hause und die Leipziger Universität, bei der er inscribirt war, hat seinen Paß aus¬ geliefert. — Herr Löbenstein, ein junger Mann von schwächlicher Ge¬ sundheit, sieht sich nun genöthigt, mitten im Winter die weite Reise antreten zu müssen und sich aus einer mühsam erworbenen schrift¬ stellerischen Position loszureißen. Dieses Verfahren ist sowohl von der Leip¬ ziger Universität, als von der österreichischen Behörde gleich unbegreiflich. Oesterreich hat uns in letzterer Zeit zu der Hoffnung berechtigt, es gehe in Bezug auf das Gesetz, welches österreichischen Literaten verbietet, im Auslande Schriften herauszugeben, von zeitgemäßen und gemilderten Grundsätzen aus; es hat einige polizeiliche Un¬ tersuchungen dieser Art ohne weitere Folge fallen lassen, und dadurch gewiß nicht wenig in der öffentlichen Meinung gewonnen. Sollten wir uns getäuscht haben? Oder soll Deutschland sagen, daß man in Wien nur gegen Schriftsteller von Renommee, gegen Lenau, Grün, Karl Beck, Rank, Dukter, gegen oft citirte Publicisten, wie Wiesncr, Schuselka, mit Nachsicht verfährt, während man gegen die min¬ der bekannten die ganze Strenge des alten Prinzips anwendet? Und Wie will man gegen den Angeklagten Beweise liefern? Und ist es human, einen Mann aus seinen Erwerböverhältnissen zu reißen und ihn dann wieder ziehen zu lassen? — Nach dem allen hier Erzählten wird man gestehen, daß das Loos eines deutschen Schriftstellers, in welchem Winkel der sechsund¬ dreißig Bundesstaaten er auch lebe, kein beneidenswerthes ist; er bleibt mehr oder minder ein Mensch außerhalb des Gesetzes. I. Kuranda.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/603>, abgerufen am 01.09.2024.