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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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den zu überzeugen, verlangte Giovanni, noch heute den Ort zu ver¬
lassen, an dem sie lebten.

-- Und wohin willst Du gehen? fragte der Maestro.

-- Nach Italien zurück.

-- Cornelia ist im Kloster, wie ich zufällig weiß, um ihre Er¬
ziehung zu vollenden, warf der Maestro hin und lockte damit eine
glühende Rothe auf seines Schülers Wangen hervor, der sich ab¬
wendete und befangen sagte: So möchte ich nach Paris. --

Im Moment befahl der Maestro, zu packen und noch an dem¬
selben Tage waren sie auf dem Wege nach Frankreichs Hauptstadt.
Dort wollte der Jüngling sich seiner neuen Freiheit bewußt, dort
mußte seinem erwachten Ehrgeiz neue Nahrung werden.




Kaum in Paris angelangt, ward Giovanni der Held des Ta¬
ges. Man strömte herbei, um ihn zu hören, die ersten Zirkel rangen
nach der Gunst, ihn zu besitzen, und die schönsten Frauen erstrebten
die Liebe des genialen Jünglings. Da fing das Bild der Heimath
und der todten Mutter zu verbleichen an, und auch die Erinnerung
an die kleine Cornelia kam seltener und immer farbloser in sei¬
nen Sinn.

Giovanni fühlte sich frei, er glaubte sich auf der Höhe des Le¬
bens. Ruhm, Ehre und Reichthum krönten seine schöne Stimme,
die Liebe kam ihm auf allen Wegen entgegen und er stürzte sich glü¬
hend in das Meer von Genuß. Das sah der Maestro mit sicht¬
lichem Vergnügen. Er spielte fast den Diener des Jünglings, er
machte den Liebesboten, so oft es dessen bedürfte, und wußte jede
Schwierigkeit zu heben, die sich zwischen Giovanni und dessen Wün¬
sche stellte. Gab es irgend einen Sinnengenuß, den Giovanni nicht
kannte, so war es der Maestro, der ihn darauf hinwies und ihn
antrieb, nur an sich zu denken, ohne Rücksicht auf Gott und Men¬
schen, die Giovanni in solcher Schule bald vergessen und gering
schätzen lernte. Er hatte den Glauben an Gott längst verloren und
die einzige Gottheit, die er verehrte, war die Kunst. So gingen
einige Jahre in wildem Rausche dahin; und das Publicum, das
seine Vorliebe für den genialen Künstler, für den excentrischen Jung-


den zu überzeugen, verlangte Giovanni, noch heute den Ort zu ver¬
lassen, an dem sie lebten.

— Und wohin willst Du gehen? fragte der Maestro.

— Nach Italien zurück.

— Cornelia ist im Kloster, wie ich zufällig weiß, um ihre Er¬
ziehung zu vollenden, warf der Maestro hin und lockte damit eine
glühende Rothe auf seines Schülers Wangen hervor, der sich ab¬
wendete und befangen sagte: So möchte ich nach Paris. —

Im Moment befahl der Maestro, zu packen und noch an dem¬
selben Tage waren sie auf dem Wege nach Frankreichs Hauptstadt.
Dort wollte der Jüngling sich seiner neuen Freiheit bewußt, dort
mußte seinem erwachten Ehrgeiz neue Nahrung werden.




Kaum in Paris angelangt, ward Giovanni der Held des Ta¬
ges. Man strömte herbei, um ihn zu hören, die ersten Zirkel rangen
nach der Gunst, ihn zu besitzen, und die schönsten Frauen erstrebten
die Liebe des genialen Jünglings. Da fing das Bild der Heimath
und der todten Mutter zu verbleichen an, und auch die Erinnerung
an die kleine Cornelia kam seltener und immer farbloser in sei¬
nen Sinn.

Giovanni fühlte sich frei, er glaubte sich auf der Höhe des Le¬
bens. Ruhm, Ehre und Reichthum krönten seine schöne Stimme,
die Liebe kam ihm auf allen Wegen entgegen und er stürzte sich glü¬
hend in das Meer von Genuß. Das sah der Maestro mit sicht¬
lichem Vergnügen. Er spielte fast den Diener des Jünglings, er
machte den Liebesboten, so oft es dessen bedürfte, und wußte jede
Schwierigkeit zu heben, die sich zwischen Giovanni und dessen Wün¬
sche stellte. Gab es irgend einen Sinnengenuß, den Giovanni nicht
kannte, so war es der Maestro, der ihn darauf hinwies und ihn
antrieb, nur an sich zu denken, ohne Rücksicht auf Gott und Men¬
schen, die Giovanni in solcher Schule bald vergessen und gering
schätzen lernte. Er hatte den Glauben an Gott längst verloren und
die einzige Gottheit, die er verehrte, war die Kunst. So gingen
einige Jahre in wildem Rausche dahin; und das Publicum, das
seine Vorliebe für den genialen Künstler, für den excentrischen Jung-


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[0468] den zu überzeugen, verlangte Giovanni, noch heute den Ort zu ver¬ lassen, an dem sie lebten. — Und wohin willst Du gehen? fragte der Maestro. — Nach Italien zurück. — Cornelia ist im Kloster, wie ich zufällig weiß, um ihre Er¬ ziehung zu vollenden, warf der Maestro hin und lockte damit eine glühende Rothe auf seines Schülers Wangen hervor, der sich ab¬ wendete und befangen sagte: So möchte ich nach Paris. — Im Moment befahl der Maestro, zu packen und noch an dem¬ selben Tage waren sie auf dem Wege nach Frankreichs Hauptstadt. Dort wollte der Jüngling sich seiner neuen Freiheit bewußt, dort mußte seinem erwachten Ehrgeiz neue Nahrung werden. Kaum in Paris angelangt, ward Giovanni der Held des Ta¬ ges. Man strömte herbei, um ihn zu hören, die ersten Zirkel rangen nach der Gunst, ihn zu besitzen, und die schönsten Frauen erstrebten die Liebe des genialen Jünglings. Da fing das Bild der Heimath und der todten Mutter zu verbleichen an, und auch die Erinnerung an die kleine Cornelia kam seltener und immer farbloser in sei¬ nen Sinn. Giovanni fühlte sich frei, er glaubte sich auf der Höhe des Le¬ bens. Ruhm, Ehre und Reichthum krönten seine schöne Stimme, die Liebe kam ihm auf allen Wegen entgegen und er stürzte sich glü¬ hend in das Meer von Genuß. Das sah der Maestro mit sicht¬ lichem Vergnügen. Er spielte fast den Diener des Jünglings, er machte den Liebesboten, so oft es dessen bedürfte, und wußte jede Schwierigkeit zu heben, die sich zwischen Giovanni und dessen Wün¬ sche stellte. Gab es irgend einen Sinnengenuß, den Giovanni nicht kannte, so war es der Maestro, der ihn darauf hinwies und ihn antrieb, nur an sich zu denken, ohne Rücksicht auf Gott und Men¬ schen, die Giovanni in solcher Schule bald vergessen und gering schätzen lernte. Er hatte den Glauben an Gott längst verloren und die einzige Gottheit, die er verehrte, war die Kunst. So gingen einige Jahre in wildem Rausche dahin; und das Publicum, das seine Vorliebe für den genialen Künstler, für den excentrischen Jung-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/468>, abgerufen am 28.07.2024.