Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber nur zu bald bereute Margarethe den Schritt, den sie ge¬
than. Das Wohlgefallen an seiner jungen hübschen Frau ging bei
dem alternden Mann schnell in Gleichgiltigkeit über. Der wüste
Mensch konnte das ruhige Einerlei deS häuslichen Lebens nicht er¬
tragen, er wollte Abwechselung haben und griff im Wirthshause, in
dem er die ganzen Tage verlebte, zum Spiel, das er immer geliebt.
An ordentlichen Erwerb war bei solchem Leben nicht zu denken. Das
mitgebrachte Geld wurde verspielt, Schulden zu Schulden gehäuft
und nach ein Paar Jahren sah sich Margarethe mit den beiden
Kindern, die sie geboren hatte, aus dem Häuschen vertrieben, das
den Gläubigern ihres Mannes zufiel. Still fügte sich die arme
Frau in das Unabänderliche. Sie hatte Niemand, dem sie ihre Lei¬
den klagen konnte; die Mutter hatte der Gram über Margarethens
Elend getödtet, und ihr Mann war ihr ein Fremder, dem sie nur
mit Furcht sich nahte. Nur zu oft hatte sie es erfahren, daß jede
Vorstellung, jede Bitte an dem harten Sinne ihres Mannes schei¬
terte, der weder ihrer, noch der Kinder gedachte und durch Genuß
geistiger Getränke sich zu betäuben suchte, wenn ihm doch bisweilen
das Geeteskam das er bein.

esnr,gg
Natürlich versank seitdem die kleine Wirthschaft, trotz Marga¬
rethens Fleiß und Sorgfalt immer tiefer in Armuth. Was sie müh¬
sam erwarb, vergeudete ihr Mann schnell, und drückende Noth wohnte
in ihrer Hütte, drückende Noth sprach aus den bleichen Zügen der
einst so blühenden Margarethe, die sorgenvoll auf ihre Kinder blickte,
wenn sie des langen, nahen Winters gedachte. Doch diese hatten
keine Ahnung des Elends, das sie umgab. Der fünfjährige Hans
blies lustige Weisen auf einer Pfeife aus Weidenrinde, während die
kleine Marie röli in der dunkeln Ecke umhersprang.

-- Still da! rief plötzlich der Alte dazwischen und schlug mit
der Faust auf den Tisch, daß die Kinder ängstlich zur Mutter flüch¬
teten. Nimm dem Jungen die Pfeife fort und laß die Rangen das
Maul

alten.
Margarethe that, wie ihr geheißen wurde, aber nur zu bald
hatte der kindliche Frohsinn den Befehl vergessen, und das Scherzen
und Springen begann aufs Neue, trotz der Winke der Mutter. Da
fuhr der Vater mit erobenerand von der Bank rmor und Mar-


,
Grcnzbvten 1844. II. 57

Aber nur zu bald bereute Margarethe den Schritt, den sie ge¬
than. Das Wohlgefallen an seiner jungen hübschen Frau ging bei
dem alternden Mann schnell in Gleichgiltigkeit über. Der wüste
Mensch konnte das ruhige Einerlei deS häuslichen Lebens nicht er¬
tragen, er wollte Abwechselung haben und griff im Wirthshause, in
dem er die ganzen Tage verlebte, zum Spiel, das er immer geliebt.
An ordentlichen Erwerb war bei solchem Leben nicht zu denken. Das
mitgebrachte Geld wurde verspielt, Schulden zu Schulden gehäuft
und nach ein Paar Jahren sah sich Margarethe mit den beiden
Kindern, die sie geboren hatte, aus dem Häuschen vertrieben, das
den Gläubigern ihres Mannes zufiel. Still fügte sich die arme
Frau in das Unabänderliche. Sie hatte Niemand, dem sie ihre Lei¬
den klagen konnte; die Mutter hatte der Gram über Margarethens
Elend getödtet, und ihr Mann war ihr ein Fremder, dem sie nur
mit Furcht sich nahte. Nur zu oft hatte sie es erfahren, daß jede
Vorstellung, jede Bitte an dem harten Sinne ihres Mannes schei¬
terte, der weder ihrer, noch der Kinder gedachte und durch Genuß
geistiger Getränke sich zu betäuben suchte, wenn ihm doch bisweilen
das Geeteskam das er bein.

esnr,gg
Natürlich versank seitdem die kleine Wirthschaft, trotz Marga¬
rethens Fleiß und Sorgfalt immer tiefer in Armuth. Was sie müh¬
sam erwarb, vergeudete ihr Mann schnell, und drückende Noth wohnte
in ihrer Hütte, drückende Noth sprach aus den bleichen Zügen der
einst so blühenden Margarethe, die sorgenvoll auf ihre Kinder blickte,
wenn sie des langen, nahen Winters gedachte. Doch diese hatten
keine Ahnung des Elends, das sie umgab. Der fünfjährige Hans
blies lustige Weisen auf einer Pfeife aus Weidenrinde, während die
kleine Marie röli in der dunkeln Ecke umhersprang.

— Still da! rief plötzlich der Alte dazwischen und schlug mit
der Faust auf den Tisch, daß die Kinder ängstlich zur Mutter flüch¬
teten. Nimm dem Jungen die Pfeife fort und laß die Rangen das
Maul

alten.
Margarethe that, wie ihr geheißen wurde, aber nur zu bald
hatte der kindliche Frohsinn den Befehl vergessen, und das Scherzen
und Springen begann aufs Neue, trotz der Winke der Mutter. Da
fuhr der Vater mit erobenerand von der Bank rmor und Mar-


,
Grcnzbvten 1844. II. 57
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0453" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181637"/>
            <p xml:id="ID_1236"> Aber nur zu bald bereute Margarethe den Schritt, den sie ge¬<lb/>
than. Das Wohlgefallen an seiner jungen hübschen Frau ging bei<lb/>
dem alternden Mann schnell in Gleichgiltigkeit über. Der wüste<lb/>
Mensch konnte das ruhige Einerlei deS häuslichen Lebens nicht er¬<lb/>
tragen, er wollte Abwechselung haben und griff im Wirthshause, in<lb/>
dem er die ganzen Tage verlebte, zum Spiel, das er immer geliebt.<lb/>
An ordentlichen Erwerb war bei solchem Leben nicht zu denken. Das<lb/>
mitgebrachte Geld wurde verspielt, Schulden zu Schulden gehäuft<lb/>
und nach ein Paar Jahren sah sich Margarethe mit den beiden<lb/>
Kindern, die sie geboren hatte, aus dem Häuschen vertrieben, das<lb/>
den Gläubigern ihres Mannes zufiel. Still fügte sich die arme<lb/>
Frau in das Unabänderliche. Sie hatte Niemand, dem sie ihre Lei¬<lb/>
den klagen konnte; die Mutter hatte der Gram über Margarethens<lb/>
Elend getödtet, und ihr Mann war ihr ein Fremder, dem sie nur<lb/>
mit Furcht sich nahte. Nur zu oft hatte sie es erfahren, daß jede<lb/>
Vorstellung, jede Bitte an dem harten Sinne ihres Mannes schei¬<lb/>
terte, der weder ihrer, noch der Kinder gedachte und durch Genuß<lb/>
geistiger Getränke sich zu betäuben suchte, wenn ihm doch bisweilen<lb/>
das Geeteskam das er bein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1237"> esnr,gg<lb/>
Natürlich versank seitdem die kleine Wirthschaft, trotz Marga¬<lb/>
rethens Fleiß und Sorgfalt immer tiefer in Armuth. Was sie müh¬<lb/>
sam erwarb, vergeudete ihr Mann schnell, und drückende Noth wohnte<lb/>
in ihrer Hütte, drückende Noth sprach aus den bleichen Zügen der<lb/>
einst so blühenden Margarethe, die sorgenvoll auf ihre Kinder blickte,<lb/>
wenn sie des langen, nahen Winters gedachte. Doch diese hatten<lb/>
keine Ahnung des Elends, das sie umgab. Der fünfjährige Hans<lb/>
blies lustige Weisen auf einer Pfeife aus Weidenrinde, während die<lb/>
kleine Marie röli in der dunkeln Ecke umhersprang.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1238"> &#x2014; Still da! rief plötzlich der Alte dazwischen und schlug mit<lb/>
der Faust auf den Tisch, daß die Kinder ängstlich zur Mutter flüch¬<lb/>
teten. Nimm dem Jungen die Pfeife fort und laß die Rangen das<lb/>
Maul</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1239" next="#ID_1240"> alten.<lb/>
Margarethe that, wie ihr geheißen wurde, aber nur zu bald<lb/>
hatte der kindliche Frohsinn den Befehl vergessen, und das Scherzen<lb/>
und Springen begann aufs Neue, trotz der Winke der Mutter. Da<lb/>
fuhr der Vater mit erobenerand von der Bank rmor und Mar-</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> ,<lb/>
Grcnzbvten 1844.  II. 57</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0453] Aber nur zu bald bereute Margarethe den Schritt, den sie ge¬ than. Das Wohlgefallen an seiner jungen hübschen Frau ging bei dem alternden Mann schnell in Gleichgiltigkeit über. Der wüste Mensch konnte das ruhige Einerlei deS häuslichen Lebens nicht er¬ tragen, er wollte Abwechselung haben und griff im Wirthshause, in dem er die ganzen Tage verlebte, zum Spiel, das er immer geliebt. An ordentlichen Erwerb war bei solchem Leben nicht zu denken. Das mitgebrachte Geld wurde verspielt, Schulden zu Schulden gehäuft und nach ein Paar Jahren sah sich Margarethe mit den beiden Kindern, die sie geboren hatte, aus dem Häuschen vertrieben, das den Gläubigern ihres Mannes zufiel. Still fügte sich die arme Frau in das Unabänderliche. Sie hatte Niemand, dem sie ihre Lei¬ den klagen konnte; die Mutter hatte der Gram über Margarethens Elend getödtet, und ihr Mann war ihr ein Fremder, dem sie nur mit Furcht sich nahte. Nur zu oft hatte sie es erfahren, daß jede Vorstellung, jede Bitte an dem harten Sinne ihres Mannes schei¬ terte, der weder ihrer, noch der Kinder gedachte und durch Genuß geistiger Getränke sich zu betäuben suchte, wenn ihm doch bisweilen das Geeteskam das er bein. esnr,gg Natürlich versank seitdem die kleine Wirthschaft, trotz Marga¬ rethens Fleiß und Sorgfalt immer tiefer in Armuth. Was sie müh¬ sam erwarb, vergeudete ihr Mann schnell, und drückende Noth wohnte in ihrer Hütte, drückende Noth sprach aus den bleichen Zügen der einst so blühenden Margarethe, die sorgenvoll auf ihre Kinder blickte, wenn sie des langen, nahen Winters gedachte. Doch diese hatten keine Ahnung des Elends, das sie umgab. Der fünfjährige Hans blies lustige Weisen auf einer Pfeife aus Weidenrinde, während die kleine Marie röli in der dunkeln Ecke umhersprang. — Still da! rief plötzlich der Alte dazwischen und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Kinder ängstlich zur Mutter flüch¬ teten. Nimm dem Jungen die Pfeife fort und laß die Rangen das Maul alten. Margarethe that, wie ihr geheißen wurde, aber nur zu bald hatte der kindliche Frohsinn den Befehl vergessen, und das Scherzen und Springen begann aufs Neue, trotz der Winke der Mutter. Da fuhr der Vater mit erobenerand von der Bank rmor und Mar- , Grcnzbvten 1844. II. 57

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/453
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/453>, abgerufen am 28.07.2024.