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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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riß der deutschen Sprache allgemein vermißt. Es ist dies nicht das
Resultat meiner einseitigen Auffassung der Verhältnisse, sondern ein
von Armen und Reichen gleichmäßig empfundenes Bedürfniß." Er
bemerkte ausdrücklich: "daß auch das nordschleöwigsche Volk im Gan¬
zen seinen Blick nach Süden richte." Als der Abgeordnete
Lorenzen von Lillholt Einführung der dänischen Sprache als Gerichts¬
sprache in dem dänisch redenden Theile beantragte, erklärte er aus¬
drücklich: "Es versteht sich von selbst, daß dadurch keine nähere
Verbindung mit dem Königreiche beabsichtigt wird, sondern daß
wir uns als einen unzertrennbaren Theil des Herzogthums
Schleswig betrachten und auf keine Weise von Schleswig Holstein
abzusondern gedenken." Wie Petersen diese Präposition wegen Ein¬
führung der dänischen Gerichtssprache unterstützte, so unterstützte Lo¬
renzen Petersen's Proposition wegen des deutschen Sprachunterrichts.
Beide Propositionen wurden einem Comite, aus lauter Ver¬
tretern der nördlichen schleswigschen Districte bestehend,
überwiesen, das sich für beide erklärte. "Eine Trennung der nord"
liehen Districte von Schleswig-Holstein und eine nähere Verbindung
derselben mit dem Königreiche vorzubereiten, könne durchaus nicht
Absicht sein. Die Kenntniß der deutschen Sprache und eine gewisse
Fertigkeit in derselben sei für die Bewohner der nördlichen Districte
Schleswigs nicht nur wünschenswert!), sondern ein entschiede¬
nes Bedürfniß. Sie stehen nämlich in weit größerem Verkehr
rin den deutsch redenden Einwohnern des Herzogthums Schleswig
und mit Holstein, als mit Dänemark. Dies gilt nicht blos von den
Wohlhabenderen, sondern auch von der ärmeren Volksclasse. Die
Söhne der ärmeren Volksclasse, welche ein Handwerk erlernen, gehen
zu diesem Behufe nie nach Jütland, sondern immer nach dem Sü¬
den :c. Noch unentbehrlicher ist den Wohlhabenderen diese Kennt¬
niß. Die Landbesitzer, deren Hauptnahrungszwcig Pferde und Vieh¬
zucht ist, besuchen deutsche Märkte, ja auch holsteinische Städte und
selbst Hamburg, oder der Verkauf ihres Viehes wird von deutsch
redenden Aufkäufern beschafft, welche kein Dänisch verstehen. In
beiden Fällen entsteht aus der mangelnden Festigkeit im Deutschen
Verlegenheit, leicht auch Streit und ökonomischer Verlust." So ent¬
schieden und bestimmt erklärten sich I8Z8, ehe die dänische Propa¬
ganda auf die Bewohner dieser Districte eingewirkt, die Vertreter der


riß der deutschen Sprache allgemein vermißt. Es ist dies nicht das
Resultat meiner einseitigen Auffassung der Verhältnisse, sondern ein
von Armen und Reichen gleichmäßig empfundenes Bedürfniß." Er
bemerkte ausdrücklich: „daß auch das nordschleöwigsche Volk im Gan¬
zen seinen Blick nach Süden richte." Als der Abgeordnete
Lorenzen von Lillholt Einführung der dänischen Sprache als Gerichts¬
sprache in dem dänisch redenden Theile beantragte, erklärte er aus¬
drücklich: „Es versteht sich von selbst, daß dadurch keine nähere
Verbindung mit dem Königreiche beabsichtigt wird, sondern daß
wir uns als einen unzertrennbaren Theil des Herzogthums
Schleswig betrachten und auf keine Weise von Schleswig Holstein
abzusondern gedenken." Wie Petersen diese Präposition wegen Ein¬
führung der dänischen Gerichtssprache unterstützte, so unterstützte Lo¬
renzen Petersen's Proposition wegen des deutschen Sprachunterrichts.
Beide Propositionen wurden einem Comite, aus lauter Ver¬
tretern der nördlichen schleswigschen Districte bestehend,
überwiesen, das sich für beide erklärte. „Eine Trennung der nord»
liehen Districte von Schleswig-Holstein und eine nähere Verbindung
derselben mit dem Königreiche vorzubereiten, könne durchaus nicht
Absicht sein. Die Kenntniß der deutschen Sprache und eine gewisse
Fertigkeit in derselben sei für die Bewohner der nördlichen Districte
Schleswigs nicht nur wünschenswert!), sondern ein entschiede¬
nes Bedürfniß. Sie stehen nämlich in weit größerem Verkehr
rin den deutsch redenden Einwohnern des Herzogthums Schleswig
und mit Holstein, als mit Dänemark. Dies gilt nicht blos von den
Wohlhabenderen, sondern auch von der ärmeren Volksclasse. Die
Söhne der ärmeren Volksclasse, welche ein Handwerk erlernen, gehen
zu diesem Behufe nie nach Jütland, sondern immer nach dem Sü¬
den :c. Noch unentbehrlicher ist den Wohlhabenderen diese Kennt¬
niß. Die Landbesitzer, deren Hauptnahrungszwcig Pferde und Vieh¬
zucht ist, besuchen deutsche Märkte, ja auch holsteinische Städte und
selbst Hamburg, oder der Verkauf ihres Viehes wird von deutsch
redenden Aufkäufern beschafft, welche kein Dänisch verstehen. In
beiden Fällen entsteht aus der mangelnden Festigkeit im Deutschen
Verlegenheit, leicht auch Streit und ökonomischer Verlust." So ent¬
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[0446] riß der deutschen Sprache allgemein vermißt. Es ist dies nicht das Resultat meiner einseitigen Auffassung der Verhältnisse, sondern ein von Armen und Reichen gleichmäßig empfundenes Bedürfniß." Er bemerkte ausdrücklich: „daß auch das nordschleöwigsche Volk im Gan¬ zen seinen Blick nach Süden richte." Als der Abgeordnete Lorenzen von Lillholt Einführung der dänischen Sprache als Gerichts¬ sprache in dem dänisch redenden Theile beantragte, erklärte er aus¬ drücklich: „Es versteht sich von selbst, daß dadurch keine nähere Verbindung mit dem Königreiche beabsichtigt wird, sondern daß wir uns als einen unzertrennbaren Theil des Herzogthums Schleswig betrachten und auf keine Weise von Schleswig Holstein abzusondern gedenken." Wie Petersen diese Präposition wegen Ein¬ führung der dänischen Gerichtssprache unterstützte, so unterstützte Lo¬ renzen Petersen's Proposition wegen des deutschen Sprachunterrichts. Beide Propositionen wurden einem Comite, aus lauter Ver¬ tretern der nördlichen schleswigschen Districte bestehend, überwiesen, das sich für beide erklärte. „Eine Trennung der nord» liehen Districte von Schleswig-Holstein und eine nähere Verbindung derselben mit dem Königreiche vorzubereiten, könne durchaus nicht Absicht sein. Die Kenntniß der deutschen Sprache und eine gewisse Fertigkeit in derselben sei für die Bewohner der nördlichen Districte Schleswigs nicht nur wünschenswert!), sondern ein entschiede¬ nes Bedürfniß. Sie stehen nämlich in weit größerem Verkehr rin den deutsch redenden Einwohnern des Herzogthums Schleswig und mit Holstein, als mit Dänemark. Dies gilt nicht blos von den Wohlhabenderen, sondern auch von der ärmeren Volksclasse. Die Söhne der ärmeren Volksclasse, welche ein Handwerk erlernen, gehen zu diesem Behufe nie nach Jütland, sondern immer nach dem Sü¬ den :c. Noch unentbehrlicher ist den Wohlhabenderen diese Kennt¬ niß. Die Landbesitzer, deren Hauptnahrungszwcig Pferde und Vieh¬ zucht ist, besuchen deutsche Märkte, ja auch holsteinische Städte und selbst Hamburg, oder der Verkauf ihres Viehes wird von deutsch redenden Aufkäufern beschafft, welche kein Dänisch verstehen. In beiden Fällen entsteht aus der mangelnden Festigkeit im Deutschen Verlegenheit, leicht auch Streit und ökonomischer Verlust." So ent¬ schieden und bestimmt erklärten sich I8Z8, ehe die dänische Propa¬ ganda auf die Bewohner dieser Districte eingewirkt, die Vertreter der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/446>, abgerufen am 28.07.2024.