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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Mit Schmerzen wenden wir uns von ihm,
Den wir einst thaten lieben;"
Zum Glück ist Herr von Prokesch uns,
Der neue Petrarca, geblieben. --
-- So sprachen die Philister zu mir,
So hört' ich's, lieber Heine!
So klagte das deutsche Central-Orga",
Die Augsburger Allgemeine.
Da ward ich traurig und dachte mir,
Du sei'se doch wohl gealtert --
Dick bist. Du auch -- und habest Dich
Ausgesungen und ausgepsaltert.
Schon war verleidet mir Dein Buch,
Nach Prokesch zog's mich auch nicht --
Doch lag' ich ohne Lectüre im Bett?
Es ist einmal mein Brauch nicht.
So mußt' ich mich zuletzt denn doch
Entschließen, Dich zu lesen --
Und hol' der Teufel Dein dummes Buch!
Bin die ganze Nacht wach gewesen.
Ob Du der alte Heine bist?
Ich wußt' es nicht zu entscheiden;
Doch sicher ist's: Du bist immer neu --
Das mag ich eben leiden.
Die Thräne rollt Dir noch vom Aug',
Und wie in früheren Zeiten;
Du hast die alte Grazie,
Und Kraft und Lust zu streiten.
Und wenn Du über Deutschland schimpfst,
So kommt's Dir aus dem Herzen;
Ach, was wir lieben, das macht uns ja
Die ungeheuersten Schmerzen.
Drum eben -- ich begreif' es nicht,
Was Dich die Philister so meistern!
Lebte noch der alte Hofrath von Genz,
Du würdest ihn wieder begeistern.

Mit Schmerzen wenden wir uns von ihm,
Den wir einst thaten lieben;"
Zum Glück ist Herr von Prokesch uns,
Der neue Petrarca, geblieben. —
— So sprachen die Philister zu mir,
So hört' ich's, lieber Heine!
So klagte das deutsche Central-Orga»,
Die Augsburger Allgemeine.
Da ward ich traurig und dachte mir,
Du sei'se doch wohl gealtert —
Dick bist. Du auch — und habest Dich
Ausgesungen und ausgepsaltert.
Schon war verleidet mir Dein Buch,
Nach Prokesch zog's mich auch nicht —
Doch lag' ich ohne Lectüre im Bett?
Es ist einmal mein Brauch nicht.
So mußt' ich mich zuletzt denn doch
Entschließen, Dich zu lesen —
Und hol' der Teufel Dein dummes Buch!
Bin die ganze Nacht wach gewesen.
Ob Du der alte Heine bist?
Ich wußt' es nicht zu entscheiden;
Doch sicher ist's: Du bist immer neu —
Das mag ich eben leiden.
Die Thräne rollt Dir noch vom Aug',
Und wie in früheren Zeiten;
Du hast die alte Grazie,
Und Kraft und Lust zu streiten.
Und wenn Du über Deutschland schimpfst,
So kommt's Dir aus dem Herzen;
Ach, was wir lieben, das macht uns ja
Die ungeheuersten Schmerzen.
Drum eben — ich begreif' es nicht,
Was Dich die Philister so meistern!
Lebte noch der alte Hofrath von Genz,
Du würdest ihn wieder begeistern.

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[0339] Mit Schmerzen wenden wir uns von ihm, Den wir einst thaten lieben;" Zum Glück ist Herr von Prokesch uns, Der neue Petrarca, geblieben. — — So sprachen die Philister zu mir, So hört' ich's, lieber Heine! So klagte das deutsche Central-Orga», Die Augsburger Allgemeine. Da ward ich traurig und dachte mir, Du sei'se doch wohl gealtert — Dick bist. Du auch — und habest Dich Ausgesungen und ausgepsaltert. Schon war verleidet mir Dein Buch, Nach Prokesch zog's mich auch nicht — Doch lag' ich ohne Lectüre im Bett? Es ist einmal mein Brauch nicht. So mußt' ich mich zuletzt denn doch Entschließen, Dich zu lesen — Und hol' der Teufel Dein dummes Buch! Bin die ganze Nacht wach gewesen. Ob Du der alte Heine bist? Ich wußt' es nicht zu entscheiden; Doch sicher ist's: Du bist immer neu — Das mag ich eben leiden. Die Thräne rollt Dir noch vom Aug', Und wie in früheren Zeiten; Du hast die alte Grazie, Und Kraft und Lust zu streiten. Und wenn Du über Deutschland schimpfst, So kommt's Dir aus dem Herzen; Ach, was wir lieben, das macht uns ja Die ungeheuersten Schmerzen. Drum eben — ich begreif' es nicht, Was Dich die Philister so meistern! Lebte noch der alte Hofrath von Genz, Du würdest ihn wieder begeistern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/339>, abgerufen am 27.07.2024.