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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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vier Könige, die in dem Lande, welches sie beherrschen, nicht geboren
sind, sondern ursprünglich einer anderen Nationalität angehören. Es
sind dies die Könige von^Velgien, Griechenland, Hannover und Schwe¬
den. Von diesen sind zwei, nämlich die Könige von Belgien und
Griechenland, Deutsche; einer ist ein Engländer und einer ein Fran¬
zose. Alle vier regieren constitutionelle Lander, wenn auch das Maß
der gesetzlichen Freiheit in Belgien und Griechenland ein ganz anderes
ist, als in Hannover und Schweden. Was mich jedoch auf diese
Betrachtung führt, ist der Umstand, daß, während Belgien, Griechen¬
land und Schweden die Centripetalkraft besitzen, ihre im Auslande ge¬
borenen Könige mitten in ihre geistigen und materiellen Interessen
hineinzuziehen und sie respective zu Belgiern , Hellenen und Skandi¬
naviern zu machen, Deutschland allein so centrifugaler Natur ist, daß
der in England geborne Fürst, der eines seiner Königreiche regiert,
nicht blos ein Engländer in allen seinen Gewohnheiten bleibt, sondern
auch diejenigen englischen Interessen, die mit den deutschen im Wi¬
derspruch sind^ als die seinigen zu betrachten fortfährt. Ist das nicht
ein die deutsche Vielerleiheit charakterisirendes, in keinem andern Lande
und unter keiner andern Nationalität mögliches Merkmal? Ein ganz
vor Kurzem eingetretenes Ereigniß ist ein besonders merkwürdiger Be¬
leg zu dieser eigenthümlichen Erscheinung. Seit mehrern Jahren
nämlich hat England mit den verschiedenen deutschen Staaten neue
Handels- und Schifffahrtsvcrträge abgeschlossen. Leider war der Zoll¬
verein zu jener Zeit noch nicht im Stande, der deutschen Schifffahrt
gleiche Vortheile wie der englischen zu sichern; so lange noch die deut¬
schen Nordscehäfen kein gemeinschaftliches Interesse mit ihm haben,
ist es unmöglich, der vaterländischen Rhederei diejenigen Bevorzugun¬
gen bei uns zu sichern, welche die englische in ihren Hafen durch die
großbritanische Schifffahrts-Acte besitzt, denn kein fremdes Schiff
würde z. B. nach Stettin gehen, wenn es dort gesetzlichen Bestim¬
mungen unterläge, die es in Hamburg mit Leichtigkeit umgehen
könnte. Also bevor nicht einerlei Grundsätze über die deutsche Schiff-
fahrt in Deutschland herrschen, wird das Begehren nach einer deut¬
schen Flagge und einer deutschen (nicht blos preußischen) Flotte, ein
frommer Wunsch, eine patriotische Phantasie bleiben. Nun haben
aber die deutschen Seestaaten und zwar außer Preußen, auch Oester¬
reich, Mecklenburg, Holstein, die Hansestädte und Oldenburg, beim
Abschluß ihrer letzten Handelsvertrage mit England die Möglichkeit,
eine gemeinsame deutsche Schifffahrt herzustellen, stets im Auge be¬
halten und daher nur aus sechs Jahre sich gebunden, um nach Ab¬
lauf dieser kurzen Frist nicht außer Stande zu sein, nationalere Be¬
dingungen von England zu erwirken. Alle ihre Vertrage laufen mit
dem Jahre 1848 ab und für diesen Termin sollen schon jetzt zwischen
einigen deutschen Staaten gemeinsame BerabredM,gen getroffen wor-


vier Könige, die in dem Lande, welches sie beherrschen, nicht geboren
sind, sondern ursprünglich einer anderen Nationalität angehören. Es
sind dies die Könige von^Velgien, Griechenland, Hannover und Schwe¬
den. Von diesen sind zwei, nämlich die Könige von Belgien und
Griechenland, Deutsche; einer ist ein Engländer und einer ein Fran¬
zose. Alle vier regieren constitutionelle Lander, wenn auch das Maß
der gesetzlichen Freiheit in Belgien und Griechenland ein ganz anderes
ist, als in Hannover und Schweden. Was mich jedoch auf diese
Betrachtung führt, ist der Umstand, daß, während Belgien, Griechen¬
land und Schweden die Centripetalkraft besitzen, ihre im Auslande ge¬
borenen Könige mitten in ihre geistigen und materiellen Interessen
hineinzuziehen und sie respective zu Belgiern , Hellenen und Skandi¬
naviern zu machen, Deutschland allein so centrifugaler Natur ist, daß
der in England geborne Fürst, der eines seiner Königreiche regiert,
nicht blos ein Engländer in allen seinen Gewohnheiten bleibt, sondern
auch diejenigen englischen Interessen, die mit den deutschen im Wi¬
derspruch sind^ als die seinigen zu betrachten fortfährt. Ist das nicht
ein die deutsche Vielerleiheit charakterisirendes, in keinem andern Lande
und unter keiner andern Nationalität mögliches Merkmal? Ein ganz
vor Kurzem eingetretenes Ereigniß ist ein besonders merkwürdiger Be¬
leg zu dieser eigenthümlichen Erscheinung. Seit mehrern Jahren
nämlich hat England mit den verschiedenen deutschen Staaten neue
Handels- und Schifffahrtsvcrträge abgeschlossen. Leider war der Zoll¬
verein zu jener Zeit noch nicht im Stande, der deutschen Schifffahrt
gleiche Vortheile wie der englischen zu sichern; so lange noch die deut¬
schen Nordscehäfen kein gemeinschaftliches Interesse mit ihm haben,
ist es unmöglich, der vaterländischen Rhederei diejenigen Bevorzugun¬
gen bei uns zu sichern, welche die englische in ihren Hafen durch die
großbritanische Schifffahrts-Acte besitzt, denn kein fremdes Schiff
würde z. B. nach Stettin gehen, wenn es dort gesetzlichen Bestim¬
mungen unterläge, die es in Hamburg mit Leichtigkeit umgehen
könnte. Also bevor nicht einerlei Grundsätze über die deutsche Schiff-
fahrt in Deutschland herrschen, wird das Begehren nach einer deut¬
schen Flagge und einer deutschen (nicht blos preußischen) Flotte, ein
frommer Wunsch, eine patriotische Phantasie bleiben. Nun haben
aber die deutschen Seestaaten und zwar außer Preußen, auch Oester¬
reich, Mecklenburg, Holstein, die Hansestädte und Oldenburg, beim
Abschluß ihrer letzten Handelsvertrage mit England die Möglichkeit,
eine gemeinsame deutsche Schifffahrt herzustellen, stets im Auge be¬
halten und daher nur aus sechs Jahre sich gebunden, um nach Ab¬
lauf dieser kurzen Frist nicht außer Stande zu sein, nationalere Be¬
dingungen von England zu erwirken. Alle ihre Vertrage laufen mit
dem Jahre 1848 ab und für diesen Termin sollen schon jetzt zwischen
einigen deutschen Staaten gemeinsame BerabredM,gen getroffen wor-


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[0336] vier Könige, die in dem Lande, welches sie beherrschen, nicht geboren sind, sondern ursprünglich einer anderen Nationalität angehören. Es sind dies die Könige von^Velgien, Griechenland, Hannover und Schwe¬ den. Von diesen sind zwei, nämlich die Könige von Belgien und Griechenland, Deutsche; einer ist ein Engländer und einer ein Fran¬ zose. Alle vier regieren constitutionelle Lander, wenn auch das Maß der gesetzlichen Freiheit in Belgien und Griechenland ein ganz anderes ist, als in Hannover und Schweden. Was mich jedoch auf diese Betrachtung führt, ist der Umstand, daß, während Belgien, Griechen¬ land und Schweden die Centripetalkraft besitzen, ihre im Auslande ge¬ borenen Könige mitten in ihre geistigen und materiellen Interessen hineinzuziehen und sie respective zu Belgiern , Hellenen und Skandi¬ naviern zu machen, Deutschland allein so centrifugaler Natur ist, daß der in England geborne Fürst, der eines seiner Königreiche regiert, nicht blos ein Engländer in allen seinen Gewohnheiten bleibt, sondern auch diejenigen englischen Interessen, die mit den deutschen im Wi¬ derspruch sind^ als die seinigen zu betrachten fortfährt. Ist das nicht ein die deutsche Vielerleiheit charakterisirendes, in keinem andern Lande und unter keiner andern Nationalität mögliches Merkmal? Ein ganz vor Kurzem eingetretenes Ereigniß ist ein besonders merkwürdiger Be¬ leg zu dieser eigenthümlichen Erscheinung. Seit mehrern Jahren nämlich hat England mit den verschiedenen deutschen Staaten neue Handels- und Schifffahrtsvcrträge abgeschlossen. Leider war der Zoll¬ verein zu jener Zeit noch nicht im Stande, der deutschen Schifffahrt gleiche Vortheile wie der englischen zu sichern; so lange noch die deut¬ schen Nordscehäfen kein gemeinschaftliches Interesse mit ihm haben, ist es unmöglich, der vaterländischen Rhederei diejenigen Bevorzugun¬ gen bei uns zu sichern, welche die englische in ihren Hafen durch die großbritanische Schifffahrts-Acte besitzt, denn kein fremdes Schiff würde z. B. nach Stettin gehen, wenn es dort gesetzlichen Bestim¬ mungen unterläge, die es in Hamburg mit Leichtigkeit umgehen könnte. Also bevor nicht einerlei Grundsätze über die deutsche Schiff- fahrt in Deutschland herrschen, wird das Begehren nach einer deut¬ schen Flagge und einer deutschen (nicht blos preußischen) Flotte, ein frommer Wunsch, eine patriotische Phantasie bleiben. Nun haben aber die deutschen Seestaaten und zwar außer Preußen, auch Oester¬ reich, Mecklenburg, Holstein, die Hansestädte und Oldenburg, beim Abschluß ihrer letzten Handelsvertrage mit England die Möglichkeit, eine gemeinsame deutsche Schifffahrt herzustellen, stets im Auge be¬ halten und daher nur aus sechs Jahre sich gebunden, um nach Ab¬ lauf dieser kurzen Frist nicht außer Stande zu sein, nationalere Be¬ dingungen von England zu erwirken. Alle ihre Vertrage laufen mit dem Jahre 1848 ab und für diesen Termin sollen schon jetzt zwischen einigen deutschen Staaten gemeinsame BerabredM,gen getroffen wor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/336>, abgerufen am 04.12.2024.