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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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er speculirt, einer Rose, die mit Spinngeweben umzogen ist, oder
einem Elfen, der in'ö Tintenfaß fiel und dort erbärmlich zappelt.
Für die Dichtkunst hätte er Treffliches leisten können, doch nun
schwebt er, wie der Sarg des Propheten, zwischen dem Himmel der
Poesie und dem festen Boden der Philosophie haltlos im weiten
Aethersraum.

Weit reiner, frischer und freier hat Afzelius das Hegel'sche
System erfaßt; er kennt die deutsche Sprache gründlich und war oft
in Berlin. Die studirende Jugend fühlt auch seine überwiegende
Kraft, denn sein Auditorium ist stets gedrängt voll Zuhörern. Vor
Kurzem gab er, als Resultat seiner Forschungen, den ersten Theil
eines Werkes heraus, das den Titel führt: "lie^el-zka ?KiIo8oprüen.
Historisl! i>"in8tiMnmF ick k^eörik (Zeoi-A ^cknelius." Dieser An¬
fang ist wahrhaft bedeutend und zeugt dafür, daß der Verfasser voll¬
kommen berufen sei, die Lehre des größten Weisen unseres Jahrhun¬
derts über Schweden auszubreiten.

Der nächste Morgen verging mit Besuchen und mit einer Fahrt
nach der Morawiese, wo vormals aus freier Königswahl der Herri¬
scher Schwedens hervorging. Nachmittags stieg ich mit dem Pro¬
fessor in den Wagen, um nach Alt-Upsala hinauszufahren, und ein
Zug Studenten begleitete uns. Die Gegend, durch welche wir ka¬
men, war flach und fruchtbar; die Aehren der Korn-, Gerste- und
Weizenfelder rauschten in üppiger Fülle, und fast Alles gehörte, als
Präbende, den theologischen Professoren von Upsala. Wir erreichten
im vollen Trabe den ärmlichen Ort, und unser kleiner Omnibus¬
kutscher blies ohrzerreißend auf seinem Horn, während wir durch die
Dorfstraße rollten. - - Zuerst besahen wir die Kirche, die hauptsächlich
dadurch berühmt, daß sie die älteste in ganz Schweden ist; und das
Gebäude, dessen ungleiche Wände aus rohen Feldsteinen zusammen¬
geklebt sind, trägt den Stempel kunstloser Ursprünglichkeit an der
Stirn. Drinnen war Erik's des Heiligen Grab, bis seine Gebeine
nach dem Dom von Upsala gebracht und dort beinahe göttlich
verehrt wurden. Die Wandgemälde dieses Kirchleins stellten vormals
Scenen aus dem Leben dieses Fürsten dar, aber man hat sie längst
mit weißem Kalk übertüncht, und jetzt sieht man nur noch Bruchstücke
des alten Altars. Derselbe ist in Holz geschnitzt, und aus Hellem
Goldgrund tauchen, halb erhaben, die buntbemalten Gestalten von


er speculirt, einer Rose, die mit Spinngeweben umzogen ist, oder
einem Elfen, der in'ö Tintenfaß fiel und dort erbärmlich zappelt.
Für die Dichtkunst hätte er Treffliches leisten können, doch nun
schwebt er, wie der Sarg des Propheten, zwischen dem Himmel der
Poesie und dem festen Boden der Philosophie haltlos im weiten
Aethersraum.

Weit reiner, frischer und freier hat Afzelius das Hegel'sche
System erfaßt; er kennt die deutsche Sprache gründlich und war oft
in Berlin. Die studirende Jugend fühlt auch seine überwiegende
Kraft, denn sein Auditorium ist stets gedrängt voll Zuhörern. Vor
Kurzem gab er, als Resultat seiner Forschungen, den ersten Theil
eines Werkes heraus, das den Titel führt: „lie^el-zka ?KiIo8oprüen.
Historisl! i>»in8tiMnmF ick k^eörik (Zeoi-A ^cknelius." Dieser An¬
fang ist wahrhaft bedeutend und zeugt dafür, daß der Verfasser voll¬
kommen berufen sei, die Lehre des größten Weisen unseres Jahrhun¬
derts über Schweden auszubreiten.

Der nächste Morgen verging mit Besuchen und mit einer Fahrt
nach der Morawiese, wo vormals aus freier Königswahl der Herri¬
scher Schwedens hervorging. Nachmittags stieg ich mit dem Pro¬
fessor in den Wagen, um nach Alt-Upsala hinauszufahren, und ein
Zug Studenten begleitete uns. Die Gegend, durch welche wir ka¬
men, war flach und fruchtbar; die Aehren der Korn-, Gerste- und
Weizenfelder rauschten in üppiger Fülle, und fast Alles gehörte, als
Präbende, den theologischen Professoren von Upsala. Wir erreichten
im vollen Trabe den ärmlichen Ort, und unser kleiner Omnibus¬
kutscher blies ohrzerreißend auf seinem Horn, während wir durch die
Dorfstraße rollten. - - Zuerst besahen wir die Kirche, die hauptsächlich
dadurch berühmt, daß sie die älteste in ganz Schweden ist; und das
Gebäude, dessen ungleiche Wände aus rohen Feldsteinen zusammen¬
geklebt sind, trägt den Stempel kunstloser Ursprünglichkeit an der
Stirn. Drinnen war Erik's des Heiligen Grab, bis seine Gebeine
nach dem Dom von Upsala gebracht und dort beinahe göttlich
verehrt wurden. Die Wandgemälde dieses Kirchleins stellten vormals
Scenen aus dem Leben dieses Fürsten dar, aber man hat sie längst
mit weißem Kalk übertüncht, und jetzt sieht man nur noch Bruchstücke
des alten Altars. Derselbe ist in Holz geschnitzt, und aus Hellem
Goldgrund tauchen, halb erhaben, die buntbemalten Gestalten von


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[0258] er speculirt, einer Rose, die mit Spinngeweben umzogen ist, oder einem Elfen, der in'ö Tintenfaß fiel und dort erbärmlich zappelt. Für die Dichtkunst hätte er Treffliches leisten können, doch nun schwebt er, wie der Sarg des Propheten, zwischen dem Himmel der Poesie und dem festen Boden der Philosophie haltlos im weiten Aethersraum. Weit reiner, frischer und freier hat Afzelius das Hegel'sche System erfaßt; er kennt die deutsche Sprache gründlich und war oft in Berlin. Die studirende Jugend fühlt auch seine überwiegende Kraft, denn sein Auditorium ist stets gedrängt voll Zuhörern. Vor Kurzem gab er, als Resultat seiner Forschungen, den ersten Theil eines Werkes heraus, das den Titel führt: „lie^el-zka ?KiIo8oprüen. Historisl! i>»in8tiMnmF ick k^eörik (Zeoi-A ^cknelius." Dieser An¬ fang ist wahrhaft bedeutend und zeugt dafür, daß der Verfasser voll¬ kommen berufen sei, die Lehre des größten Weisen unseres Jahrhun¬ derts über Schweden auszubreiten. Der nächste Morgen verging mit Besuchen und mit einer Fahrt nach der Morawiese, wo vormals aus freier Königswahl der Herri¬ scher Schwedens hervorging. Nachmittags stieg ich mit dem Pro¬ fessor in den Wagen, um nach Alt-Upsala hinauszufahren, und ein Zug Studenten begleitete uns. Die Gegend, durch welche wir ka¬ men, war flach und fruchtbar; die Aehren der Korn-, Gerste- und Weizenfelder rauschten in üppiger Fülle, und fast Alles gehörte, als Präbende, den theologischen Professoren von Upsala. Wir erreichten im vollen Trabe den ärmlichen Ort, und unser kleiner Omnibus¬ kutscher blies ohrzerreißend auf seinem Horn, während wir durch die Dorfstraße rollten. - - Zuerst besahen wir die Kirche, die hauptsächlich dadurch berühmt, daß sie die älteste in ganz Schweden ist; und das Gebäude, dessen ungleiche Wände aus rohen Feldsteinen zusammen¬ geklebt sind, trägt den Stempel kunstloser Ursprünglichkeit an der Stirn. Drinnen war Erik's des Heiligen Grab, bis seine Gebeine nach dem Dom von Upsala gebracht und dort beinahe göttlich verehrt wurden. Die Wandgemälde dieses Kirchleins stellten vormals Scenen aus dem Leben dieses Fürsten dar, aber man hat sie längst mit weißem Kalk übertüncht, und jetzt sieht man nur noch Bruchstücke des alten Altars. Derselbe ist in Holz geschnitzt, und aus Hellem Goldgrund tauchen, halb erhaben, die buntbemalten Gestalten von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/258>, abgerufen am 01.09.2024.