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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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breite blaue Wasserstraße, von schroffen Felswänden eingefaßt, auf
denen dunkle Tannen und frischgrüne Eichen wachsen. Es ist ein
Hohlweg, wo Fluthen rauschen, wo viele Dampfschiffe ihre Bahn
ziehen, und an dessen Ausfahrt man noch aus weiter Entfernung die
Stadt Stockholm amphitheatralisch mit ihren Häusern und Thürmen
emporragen sieht. Endlich verschwindet sie, und nur die Felsen blei¬
ben. Hier windet sich die Fluch zwischen ihren granitnen Wällen
hindurch; dort theilt sich die Wasserbahn in zwei glitzernde Straßen.
Hier liegen kleine, hinkroch angestrichene Hvlzhäuschen, unseren Ty-
rolerwohnungen vergleichbar, im Gebüsch auf der Klippe, und bunte
Kühe weiden dabei; dort zeigen sich weiße, elegante Villen mit bliz-
zenden Fenstern. Eine unabsehbar lange Brücke mit zahllosen rothen
Steinpfeilern führt über den See; das Schiff muß durch den Aus¬
zug, und während dessen erblickt man zur Linken an einer schönen
Bucht das Schloß Drottningholm. Breit, sehr breit wird das Was¬
ser, und auf den Uferhöhen schimmert zuweilen ein Helles, stattliches
Gebäude durch den Baumschlag. Der See verengert sich wieder;
bet einer Brücke zeigt sich die Ruine der alten Burg Almarestäk, und
dann wird das Land etwas fruchtbarer. Grüne, blumenlose Wiesen
dehnen sich aus, und flüsternder Laubwald ersetzt das kalte Nadelholz.
Glatte, bräunliche Felsenblöcke steigen einzeln aus den Wogen empor;
breitgeflügelte Möven umkreisen sie schrillend; nur selten erblickt man
ein Fischerboot auf der Flache -- überall wohnt Schweigen und eine
tiefe, innerliche Melancholie. Es ist ganz schwedisch.

Die Passagiere des Dampfboots waren auch ziemlich still. Män¬
ner und Frauen saßen auf dem erhöhten Theil des Decks, lesend,
strickend oder leise plaudernd. Ein norwegischer Professor machte voll
Energie anhaltende Spaziergänge in dem engen Kreise, der ihm offen
war. Er mußte sehr gelehrt sein, denn er sah schrecklich milzsüchtig
aus. Mehrmals kam er zu mir, um sich seine Cigarre an der mei¬
nen anzuzünden; dabei hielt er dann stets den Hut in der Hand,
setzte ihn nachher wieder auf und zog ihn zum Danke nochmals ab.
Natürlich war ich genöthigt, alle diese nationellen Höflichkeitsmanöv-
res mitzumachen. Ich suchte eine Unterhaltung mit dem Professor
anzuknüpfen, allein ich brachte wenig mehr aus ihm heraus, als ein
gedehntes: "o!" und mußte deshalb meine Bemühungen einstellen.

Der Himmel lachte lebhaft blau, die goldenen Sonnenstrahlen


breite blaue Wasserstraße, von schroffen Felswänden eingefaßt, auf
denen dunkle Tannen und frischgrüne Eichen wachsen. Es ist ein
Hohlweg, wo Fluthen rauschen, wo viele Dampfschiffe ihre Bahn
ziehen, und an dessen Ausfahrt man noch aus weiter Entfernung die
Stadt Stockholm amphitheatralisch mit ihren Häusern und Thürmen
emporragen sieht. Endlich verschwindet sie, und nur die Felsen blei¬
ben. Hier windet sich die Fluch zwischen ihren granitnen Wällen
hindurch; dort theilt sich die Wasserbahn in zwei glitzernde Straßen.
Hier liegen kleine, hinkroch angestrichene Hvlzhäuschen, unseren Ty-
rolerwohnungen vergleichbar, im Gebüsch auf der Klippe, und bunte
Kühe weiden dabei; dort zeigen sich weiße, elegante Villen mit bliz-
zenden Fenstern. Eine unabsehbar lange Brücke mit zahllosen rothen
Steinpfeilern führt über den See; das Schiff muß durch den Aus¬
zug, und während dessen erblickt man zur Linken an einer schönen
Bucht das Schloß Drottningholm. Breit, sehr breit wird das Was¬
ser, und auf den Uferhöhen schimmert zuweilen ein Helles, stattliches
Gebäude durch den Baumschlag. Der See verengert sich wieder;
bet einer Brücke zeigt sich die Ruine der alten Burg Almarestäk, und
dann wird das Land etwas fruchtbarer. Grüne, blumenlose Wiesen
dehnen sich aus, und flüsternder Laubwald ersetzt das kalte Nadelholz.
Glatte, bräunliche Felsenblöcke steigen einzeln aus den Wogen empor;
breitgeflügelte Möven umkreisen sie schrillend; nur selten erblickt man
ein Fischerboot auf der Flache — überall wohnt Schweigen und eine
tiefe, innerliche Melancholie. Es ist ganz schwedisch.

Die Passagiere des Dampfboots waren auch ziemlich still. Män¬
ner und Frauen saßen auf dem erhöhten Theil des Decks, lesend,
strickend oder leise plaudernd. Ein norwegischer Professor machte voll
Energie anhaltende Spaziergänge in dem engen Kreise, der ihm offen
war. Er mußte sehr gelehrt sein, denn er sah schrecklich milzsüchtig
aus. Mehrmals kam er zu mir, um sich seine Cigarre an der mei¬
nen anzuzünden; dabei hielt er dann stets den Hut in der Hand,
setzte ihn nachher wieder auf und zog ihn zum Danke nochmals ab.
Natürlich war ich genöthigt, alle diese nationellen Höflichkeitsmanöv-
res mitzumachen. Ich suchte eine Unterhaltung mit dem Professor
anzuknüpfen, allein ich brachte wenig mehr aus ihm heraus, als ein
gedehntes: «o!" und mußte deshalb meine Bemühungen einstellen.

Der Himmel lachte lebhaft blau, die goldenen Sonnenstrahlen


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[0246] breite blaue Wasserstraße, von schroffen Felswänden eingefaßt, auf denen dunkle Tannen und frischgrüne Eichen wachsen. Es ist ein Hohlweg, wo Fluthen rauschen, wo viele Dampfschiffe ihre Bahn ziehen, und an dessen Ausfahrt man noch aus weiter Entfernung die Stadt Stockholm amphitheatralisch mit ihren Häusern und Thürmen emporragen sieht. Endlich verschwindet sie, und nur die Felsen blei¬ ben. Hier windet sich die Fluch zwischen ihren granitnen Wällen hindurch; dort theilt sich die Wasserbahn in zwei glitzernde Straßen. Hier liegen kleine, hinkroch angestrichene Hvlzhäuschen, unseren Ty- rolerwohnungen vergleichbar, im Gebüsch auf der Klippe, und bunte Kühe weiden dabei; dort zeigen sich weiße, elegante Villen mit bliz- zenden Fenstern. Eine unabsehbar lange Brücke mit zahllosen rothen Steinpfeilern führt über den See; das Schiff muß durch den Aus¬ zug, und während dessen erblickt man zur Linken an einer schönen Bucht das Schloß Drottningholm. Breit, sehr breit wird das Was¬ ser, und auf den Uferhöhen schimmert zuweilen ein Helles, stattliches Gebäude durch den Baumschlag. Der See verengert sich wieder; bet einer Brücke zeigt sich die Ruine der alten Burg Almarestäk, und dann wird das Land etwas fruchtbarer. Grüne, blumenlose Wiesen dehnen sich aus, und flüsternder Laubwald ersetzt das kalte Nadelholz. Glatte, bräunliche Felsenblöcke steigen einzeln aus den Wogen empor; breitgeflügelte Möven umkreisen sie schrillend; nur selten erblickt man ein Fischerboot auf der Flache — überall wohnt Schweigen und eine tiefe, innerliche Melancholie. Es ist ganz schwedisch. Die Passagiere des Dampfboots waren auch ziemlich still. Män¬ ner und Frauen saßen auf dem erhöhten Theil des Decks, lesend, strickend oder leise plaudernd. Ein norwegischer Professor machte voll Energie anhaltende Spaziergänge in dem engen Kreise, der ihm offen war. Er mußte sehr gelehrt sein, denn er sah schrecklich milzsüchtig aus. Mehrmals kam er zu mir, um sich seine Cigarre an der mei¬ nen anzuzünden; dabei hielt er dann stets den Hut in der Hand, setzte ihn nachher wieder auf und zog ihn zum Danke nochmals ab. Natürlich war ich genöthigt, alle diese nationellen Höflichkeitsmanöv- res mitzumachen. Ich suchte eine Unterhaltung mit dem Professor anzuknüpfen, allein ich brachte wenig mehr aus ihm heraus, als ein gedehntes: «o!" und mußte deshalb meine Bemühungen einstellen. Der Himmel lachte lebhaft blau, die goldenen Sonnenstrahlen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/246>, abgerufen am 01.09.2024.