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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Das Pamphlet heißt: "F. G. Schlosser, als wortbrüchiger Au¬
tor vor den Richterstuhl der öffentlichen Meinung geladen von F. G.
Franckh, Stuttgart 1843." Ich habe über dieselbe schon im Leipziger
Literatenverein Bericht abgestattet und will sie auch hier besprechen, weil die
Dreistigkeit, womit der Ankläger am Eingange und Schluß sich auf
Thatsachen und Urkunden bezieht, Leser, die blos die Anfangsblätter
und das Ende lesen, ganz irre führen kann.

Denn weder jene Thatsachen noch jene Urkunden begründen eine
Anklage, stehen selbst nicht fest.

Das Sachverhältniß ist dieses: Ein Buchhändler, der, wie Buch¬
händler Pflegen, statt angetragene Werke zu übernehmen, lieber Be¬
stellungen macht, kam aus den Gedanken, daß eine allgemeine Ge¬
schichte, die unter dem Namen eines großen Historikers erschiene,
einen ansehnlichen Gewinn abwerfen müsse, und acquirirte Herrn
Gfrörer, eine solche zu schreiben, und wollte auch den Namen eines
Heidelberger Historikers dazu acquiriren. Gervinus lehnte den
Antrag ab, Schlosser ging auf eine Popularisirung seiner Weltge¬
schichte ein; zwei lückenhaft (!) mitgetheilte Briefe Gfrörer's an
Franckh verrathen die Hast, mit welcher der alte Mann zu einem
Contracte gedrängt werben sollte. "Angesichts dies kommen
Sie hierher; es ist Alles noch über Erwarten glücklich ge¬
gangen. Schlosser, den ich diesen Morgen sprach, hat mir gleich
ja gesagt, Alles in meine Hände gelegt (!?) und zugleich erklärt,
daß er es iWasH theilweise nur zu Liebe thue, was Sie aus sei¬
nem Munde hören werden. -- Wir (d. h. doch Gförer und Franckh?)
werden dann den Contract entwerfen. Schlosser wird sich schnell an
die drei fehlenden Jahrhunderte machen. Das Glück scheint uns
sehr zu lächeln." Auf diesen am 19. Mai 1842 nach Stuttgart ge¬
richteten Brief folgte schon in den Morgenstunden des 22.? Mai
ein zweites Schreiben: "Ich habe Ihnen schon am Donnerstage ge¬
schrieben und Sie aufgefordert, stehenden Fußes hierher zu kommen,
weil alle Unterhandlungen aufs glücklichste abgelaufen sind und nur
der Contract abgeschlossen zu werden braucht. Warum kommen
Sie denn nicht? Sie setzen mich in die größte Verlegenheit, weil
ich Schlosser gesagt habe, daß ich Sie spätestens heute ihm vorstellen
werde. Jetzt beschwöre ich Sie, kommen Sie Angesichts dies."

Wer argwöhnisch ist, könnte fast, da man keinen Grund zu sol-


Das Pamphlet heißt: „F. G. Schlosser, als wortbrüchiger Au¬
tor vor den Richterstuhl der öffentlichen Meinung geladen von F. G.
Franckh, Stuttgart 1843." Ich habe über dieselbe schon im Leipziger
Literatenverein Bericht abgestattet und will sie auch hier besprechen, weil die
Dreistigkeit, womit der Ankläger am Eingange und Schluß sich auf
Thatsachen und Urkunden bezieht, Leser, die blos die Anfangsblätter
und das Ende lesen, ganz irre führen kann.

Denn weder jene Thatsachen noch jene Urkunden begründen eine
Anklage, stehen selbst nicht fest.

Das Sachverhältniß ist dieses: Ein Buchhändler, der, wie Buch¬
händler Pflegen, statt angetragene Werke zu übernehmen, lieber Be¬
stellungen macht, kam aus den Gedanken, daß eine allgemeine Ge¬
schichte, die unter dem Namen eines großen Historikers erschiene,
einen ansehnlichen Gewinn abwerfen müsse, und acquirirte Herrn
Gfrörer, eine solche zu schreiben, und wollte auch den Namen eines
Heidelberger Historikers dazu acquiriren. Gervinus lehnte den
Antrag ab, Schlosser ging auf eine Popularisirung seiner Weltge¬
schichte ein; zwei lückenhaft (!) mitgetheilte Briefe Gfrörer's an
Franckh verrathen die Hast, mit welcher der alte Mann zu einem
Contracte gedrängt werben sollte. „Angesichts dies kommen
Sie hierher; es ist Alles noch über Erwarten glücklich ge¬
gangen. Schlosser, den ich diesen Morgen sprach, hat mir gleich
ja gesagt, Alles in meine Hände gelegt (!?) und zugleich erklärt,
daß er es iWasH theilweise nur zu Liebe thue, was Sie aus sei¬
nem Munde hören werden. — Wir (d. h. doch Gförer und Franckh?)
werden dann den Contract entwerfen. Schlosser wird sich schnell an
die drei fehlenden Jahrhunderte machen. Das Glück scheint uns
sehr zu lächeln." Auf diesen am 19. Mai 1842 nach Stuttgart ge¬
richteten Brief folgte schon in den Morgenstunden des 22.? Mai
ein zweites Schreiben: „Ich habe Ihnen schon am Donnerstage ge¬
schrieben und Sie aufgefordert, stehenden Fußes hierher zu kommen,
weil alle Unterhandlungen aufs glücklichste abgelaufen sind und nur
der Contract abgeschlossen zu werden braucht. Warum kommen
Sie denn nicht? Sie setzen mich in die größte Verlegenheit, weil
ich Schlosser gesagt habe, daß ich Sie spätestens heute ihm vorstellen
werde. Jetzt beschwöre ich Sie, kommen Sie Angesichts dies."

Wer argwöhnisch ist, könnte fast, da man keinen Grund zu sol-


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[0211] Das Pamphlet heißt: „F. G. Schlosser, als wortbrüchiger Au¬ tor vor den Richterstuhl der öffentlichen Meinung geladen von F. G. Franckh, Stuttgart 1843." Ich habe über dieselbe schon im Leipziger Literatenverein Bericht abgestattet und will sie auch hier besprechen, weil die Dreistigkeit, womit der Ankläger am Eingange und Schluß sich auf Thatsachen und Urkunden bezieht, Leser, die blos die Anfangsblätter und das Ende lesen, ganz irre führen kann. Denn weder jene Thatsachen noch jene Urkunden begründen eine Anklage, stehen selbst nicht fest. Das Sachverhältniß ist dieses: Ein Buchhändler, der, wie Buch¬ händler Pflegen, statt angetragene Werke zu übernehmen, lieber Be¬ stellungen macht, kam aus den Gedanken, daß eine allgemeine Ge¬ schichte, die unter dem Namen eines großen Historikers erschiene, einen ansehnlichen Gewinn abwerfen müsse, und acquirirte Herrn Gfrörer, eine solche zu schreiben, und wollte auch den Namen eines Heidelberger Historikers dazu acquiriren. Gervinus lehnte den Antrag ab, Schlosser ging auf eine Popularisirung seiner Weltge¬ schichte ein; zwei lückenhaft (!) mitgetheilte Briefe Gfrörer's an Franckh verrathen die Hast, mit welcher der alte Mann zu einem Contracte gedrängt werben sollte. „Angesichts dies kommen Sie hierher; es ist Alles noch über Erwarten glücklich ge¬ gangen. Schlosser, den ich diesen Morgen sprach, hat mir gleich ja gesagt, Alles in meine Hände gelegt (!?) und zugleich erklärt, daß er es iWasH theilweise nur zu Liebe thue, was Sie aus sei¬ nem Munde hören werden. — Wir (d. h. doch Gförer und Franckh?) werden dann den Contract entwerfen. Schlosser wird sich schnell an die drei fehlenden Jahrhunderte machen. Das Glück scheint uns sehr zu lächeln." Auf diesen am 19. Mai 1842 nach Stuttgart ge¬ richteten Brief folgte schon in den Morgenstunden des 22.? Mai ein zweites Schreiben: „Ich habe Ihnen schon am Donnerstage ge¬ schrieben und Sie aufgefordert, stehenden Fußes hierher zu kommen, weil alle Unterhandlungen aufs glücklichste abgelaufen sind und nur der Contract abgeschlossen zu werden braucht. Warum kommen Sie denn nicht? Sie setzen mich in die größte Verlegenheit, weil ich Schlosser gesagt habe, daß ich Sie spätestens heute ihm vorstellen werde. Jetzt beschwöre ich Sie, kommen Sie Angesichts dies." Wer argwöhnisch ist, könnte fast, da man keinen Grund zu sol-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/211>, abgerufen am 01.09.2024.