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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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geschichie für daS deutsche Volk. Unter Mitwirkung deS Verfassers
bearbeitet von II,-. G. L. Kriegk" erscheint. Die ersten zwei Hefte,
welche, den ersten Band bildend, den größten Theil der alten Ge¬
schichte umfassen, liegen bereits vor. Trotz der guten Ausstattung kostet
der Bogen nur ungefähr das Drittel des gewöhnlichen Buchhändler¬
preises, so daß die Anschaffung sehr erleichtert ist. Diese allgemeine
Geschichte kann der Historiker Jedermann mit gutem Gewissen empfehlen;
außer ihr aber keine, höchstens kurze Lehrbücher wie das Wachler'sche.

Schlosser, der größte lebende Geschichtsschreiber Deutschlands,
hat nämlich außer vielen einzelnen Schriften in einer Reihenfolge von
zwanzig Banden den größten Theil der allgemeinen Geschichte be¬
handelt. In Neun Bänden oder Abtheilungen gab er (1826--1834)
eine universalhistorische Uebersicht der alten Welt und ihrer Cultur,
welches Werk eine Ausführung des ersten Bandes seiner Weltge¬
schichte in zusammenhängenden Erzählungen ist, in sieben Bänden der
letzteren (1817 --1824. 4^39--1841) führte er uns durch das
Mittelalter bis an die Schwelle des fünfzehnten Jahrhunderts, und
endlich in vier Bänden (1836--1843) behandelte er die Geschichte
d.'s 18. Jahrhunderts bis zur französischen Revolution. Aus diesen Werken,
die mehr oder weniger für Gelehrte abgefaßt sind, veranstaltete nun O--.
Kriegk in Frankfurt, ein eifriger Schüler Schlosser's und längst
rühmlich bekannter Geograph, einen Auszug für das große Publicum.
Die Lücken aber wurden aus Schlosser'S Kollegienheften ergänzt. Das
deutsche Volk pflegt sich um seine großen Männer wenig zu küm¬
mern, und gewiß mancher Leser dieser Blätter wird Schlosser's Na¬
men zum ersten Mal vernehmen und wird sich wundern, daß ein
Professor in Heidelberg ein großer Mann genannt werde, auf den
das Vaterland stolz zu sein Ursache habe. Incuriosit suorum :^>-
tas! Unter Ministern und hohen Würdenträgern dürfen wir heutigen
Tages die großen Männer bei uns nicht suchen: nur unter unschein¬
baren Schriftstellern sind sie noch zu finden. Es ist ein Fehler un¬
serer Tagespreise die Gleichgültigkeit gegen das Einheimische. Sie
sollte den Wirkungskreis trefflicher Männer erweitern. Es ist ein
Fehler unserer ganzen Gesellschaft der Neid gegen den Hervorragen¬
den; den kleinlichen Kopf, den Mittelmäßigen, zieht sie hervor, um
jenen nicht emporkommen zu lassen. Sie hemmt damit den Fort-


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geschichie für daS deutsche Volk. Unter Mitwirkung deS Verfassers
bearbeitet von II,-. G. L. Kriegk" erscheint. Die ersten zwei Hefte,
welche, den ersten Band bildend, den größten Theil der alten Ge¬
schichte umfassen, liegen bereits vor. Trotz der guten Ausstattung kostet
der Bogen nur ungefähr das Drittel des gewöhnlichen Buchhändler¬
preises, so daß die Anschaffung sehr erleichtert ist. Diese allgemeine
Geschichte kann der Historiker Jedermann mit gutem Gewissen empfehlen;
außer ihr aber keine, höchstens kurze Lehrbücher wie das Wachler'sche.

Schlosser, der größte lebende Geschichtsschreiber Deutschlands,
hat nämlich außer vielen einzelnen Schriften in einer Reihenfolge von
zwanzig Banden den größten Theil der allgemeinen Geschichte be¬
handelt. In Neun Bänden oder Abtheilungen gab er (1826—1834)
eine universalhistorische Uebersicht der alten Welt und ihrer Cultur,
welches Werk eine Ausführung des ersten Bandes seiner Weltge¬
schichte in zusammenhängenden Erzählungen ist, in sieben Bänden der
letzteren (1817 —1824. 4^39—1841) führte er uns durch das
Mittelalter bis an die Schwelle des fünfzehnten Jahrhunderts, und
endlich in vier Bänden (1836—1843) behandelte er die Geschichte
d.'s 18. Jahrhunderts bis zur französischen Revolution. Aus diesen Werken,
die mehr oder weniger für Gelehrte abgefaßt sind, veranstaltete nun O--.
Kriegk in Frankfurt, ein eifriger Schüler Schlosser's und längst
rühmlich bekannter Geograph, einen Auszug für das große Publicum.
Die Lücken aber wurden aus Schlosser'S Kollegienheften ergänzt. Das
deutsche Volk pflegt sich um seine großen Männer wenig zu küm¬
mern, und gewiß mancher Leser dieser Blätter wird Schlosser's Na¬
men zum ersten Mal vernehmen und wird sich wundern, daß ein
Professor in Heidelberg ein großer Mann genannt werde, auf den
das Vaterland stolz zu sein Ursache habe. Incuriosit suorum :^>-
tas! Unter Ministern und hohen Würdenträgern dürfen wir heutigen
Tages die großen Männer bei uns nicht suchen: nur unter unschein¬
baren Schriftstellern sind sie noch zu finden. Es ist ein Fehler un¬
serer Tagespreise die Gleichgültigkeit gegen das Einheimische. Sie
sollte den Wirkungskreis trefflicher Männer erweitern. Es ist ein
Fehler unserer ganzen Gesellschaft der Neid gegen den Hervorragen¬
den; den kleinlichen Kopf, den Mittelmäßigen, zieht sie hervor, um
jenen nicht emporkommen zu lassen. Sie hemmt damit den Fort-


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[0199] geschichie für daS deutsche Volk. Unter Mitwirkung deS Verfassers bearbeitet von II,-. G. L. Kriegk" erscheint. Die ersten zwei Hefte, welche, den ersten Band bildend, den größten Theil der alten Ge¬ schichte umfassen, liegen bereits vor. Trotz der guten Ausstattung kostet der Bogen nur ungefähr das Drittel des gewöhnlichen Buchhändler¬ preises, so daß die Anschaffung sehr erleichtert ist. Diese allgemeine Geschichte kann der Historiker Jedermann mit gutem Gewissen empfehlen; außer ihr aber keine, höchstens kurze Lehrbücher wie das Wachler'sche. Schlosser, der größte lebende Geschichtsschreiber Deutschlands, hat nämlich außer vielen einzelnen Schriften in einer Reihenfolge von zwanzig Banden den größten Theil der allgemeinen Geschichte be¬ handelt. In Neun Bänden oder Abtheilungen gab er (1826—1834) eine universalhistorische Uebersicht der alten Welt und ihrer Cultur, welches Werk eine Ausführung des ersten Bandes seiner Weltge¬ schichte in zusammenhängenden Erzählungen ist, in sieben Bänden der letzteren (1817 —1824. 4^39—1841) führte er uns durch das Mittelalter bis an die Schwelle des fünfzehnten Jahrhunderts, und endlich in vier Bänden (1836—1843) behandelte er die Geschichte d.'s 18. Jahrhunderts bis zur französischen Revolution. Aus diesen Werken, die mehr oder weniger für Gelehrte abgefaßt sind, veranstaltete nun O--. Kriegk in Frankfurt, ein eifriger Schüler Schlosser's und längst rühmlich bekannter Geograph, einen Auszug für das große Publicum. Die Lücken aber wurden aus Schlosser'S Kollegienheften ergänzt. Das deutsche Volk pflegt sich um seine großen Männer wenig zu küm¬ mern, und gewiß mancher Leser dieser Blätter wird Schlosser's Na¬ men zum ersten Mal vernehmen und wird sich wundern, daß ein Professor in Heidelberg ein großer Mann genannt werde, auf den das Vaterland stolz zu sein Ursache habe. Incuriosit suorum :^>- tas! Unter Ministern und hohen Würdenträgern dürfen wir heutigen Tages die großen Männer bei uns nicht suchen: nur unter unschein¬ baren Schriftstellern sind sie noch zu finden. Es ist ein Fehler un¬ serer Tagespreise die Gleichgültigkeit gegen das Einheimische. Sie sollte den Wirkungskreis trefflicher Männer erweitern. Es ist ein Fehler unserer ganzen Gesellschaft der Neid gegen den Hervorragen¬ den; den kleinlichen Kopf, den Mittelmäßigen, zieht sie hervor, um jenen nicht emporkommen zu lassen. Sie hemmt damit den Fort- 25*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/199>, abgerufen am 01.09.2024.