Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.nehmen. Vielleicht auch -- - doch wozu den Hungrigen, den man Heinrich Heine hat uns por einigen Tagen verlassen, um nehmen. Vielleicht auch — - doch wozu den Hungrigen, den man Heinrich Heine hat uns por einigen Tagen verlassen, um <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0190" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181374"/> <p xml:id="ID_528" prev="#ID_527"> nehmen. Vielleicht auch — - doch wozu den Hungrigen, den man<lb/> nicht speisen kann, an eine wohlbesetzte Tafel führen? Nur im Traum<lb/> können wir das holde Glück genießen, das ich eben skizzirte. Unsere<lb/> Phantasie feiert Schäferstunden mit dem seligen Glauben — daß die<lb/> Hamburgische Verfassung, wie sie im Jahr 1710 aus kaiserlicher<lb/> Truppeneinmischung in die Streitigkeiten des Senates und der Bür¬<lb/> gerschaft hervorgegangen, sterblich ist, wie jedes andere Menschenwerk<lb/> Md d,aß mit chrex früher oder spater zu hoffenden Reform neue Ele¬<lb/> mente in den.alten Sauerteig unseres Staatslebens dringen werden.<lb/> — Wie nöthig unserer guten Bürgerschaft die .öffentliche Besprechung<lb/> der Staat.sdinge wäre, möge Ihnen die merkwürdige Thatsache be¬<lb/> weisen, daß dieselbe in der Mehrheit durchaus nicht von der ihr zu¬<lb/> stehenden Freiheit unterrichtet war, die vom Rath proponirte große<lb/> .EntscheiduugBcommisslon ,(vergl. Weinen letzten Brief) abweisen<lb/> zu dürfen, wMirch dje Ratifikation der vielbesprochenen k^lbschiff-<lb/> Mrlsverttag>e gerade ^möglich geworden M^rp!.!!</p><lb/> <p xml:id="ID_529" next="#ID_530"> Heinrich Heine hat uns por einigen Tagen verlassen, um<lb/> zu seiner Familie^ nach Paris zurückzukehren. Ich habe in h/in letzte»<lb/> Wochen manch' angenehme StNNde mit ihm vervlaMert und .die Be¬<lb/> merkung gemacht, daß sein Hamonrger Habitus von seinem Pariser<lb/> äußerst verschieden ist. Hier die .liebenswürdige Offenheit und zutrau¬<lb/> liche Gesprächigkeit selbst, dort Meist zurückstoßend, wortkarg, voll<lb/> Mißtrauen, In Paris hatte er, nicht ol),ne GrWd, vor der Mehr¬<lb/> heit der Deutschen eine oft an das Verdächtige .grenzende Scheu.<lb/> Hier freilich war er gezwungen, mit den Deutschen zu leben und<lb/> sich selbst manche Mangenehme Bekanntschaft gefallen zu lassen.<lb/> Heine's „Neue Gedichte" machen, wie Campe sagt, der in solch«»<lb/> Dingen kein Renommist scheint, mehr Glück, als irgend eine seiner<lb/> früheren PxoduMMi, Hie erste Auflage von, dreitausend Exempla¬<lb/> ren konnte schon Mes vierzehn Tagest den zahlreichen Bestellungen<lb/> nicht mehr genügen, und schon befindet sich eine zweite, um tausend<lb/> Ereiflplare stärkere, bei Vogt in Wandsbeck, unter der Presse. Das<lb/> hiesige Urthcjl M den ,,Uf«e» Gedichten" in ihre» ersten Abiheiluft¬<lb/> gen, worin ganz her alte Heine lebt und webt, glänzende Gerechtig¬<lb/> keit widecsghxe». NW Minder findet xyM den WiK des „Winter-<lb/> märchefls" originell und Mark und Bein des Zieles treffend, aber<lb/> mit dem rynischen Muthwillen, mit den übelriechendem Sprüngen,<lb/> welche der Heine'sche Humor gegen den Schluß hin nimmt, kann sich<lb/> unser sauberer, ehrbarer Sinn keineswegs persöhnen, Ich hüte mich<lb/> wohl, ihm das übel ZU nehmen. handelt sich hier um keine<lb/> Prüderie, sondern um ein tief sittliches Gefühl, das der Dichter w<lb/> seiner rücksichtslosen Ungenjrthejt diesmal etwas zu sehr »erletzt hat.<lb/> Die Hamburgeusien im ,,Wintermärchen" ergötzten im Uebrigen sehr,<lb/> Paß aber unserer edlen Schutzgöttiq Hammonia so arg mitgespielt</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0190]
nehmen. Vielleicht auch — - doch wozu den Hungrigen, den man
nicht speisen kann, an eine wohlbesetzte Tafel führen? Nur im Traum
können wir das holde Glück genießen, das ich eben skizzirte. Unsere
Phantasie feiert Schäferstunden mit dem seligen Glauben — daß die
Hamburgische Verfassung, wie sie im Jahr 1710 aus kaiserlicher
Truppeneinmischung in die Streitigkeiten des Senates und der Bür¬
gerschaft hervorgegangen, sterblich ist, wie jedes andere Menschenwerk
Md d,aß mit chrex früher oder spater zu hoffenden Reform neue Ele¬
mente in den.alten Sauerteig unseres Staatslebens dringen werden.
— Wie nöthig unserer guten Bürgerschaft die .öffentliche Besprechung
der Staat.sdinge wäre, möge Ihnen die merkwürdige Thatsache be¬
weisen, daß dieselbe in der Mehrheit durchaus nicht von der ihr zu¬
stehenden Freiheit unterrichtet war, die vom Rath proponirte große
.EntscheiduugBcommisslon ,(vergl. Weinen letzten Brief) abweisen
zu dürfen, wMirch dje Ratifikation der vielbesprochenen k^lbschiff-
Mrlsverttag>e gerade ^möglich geworden M^rp!.!!
Heinrich Heine hat uns por einigen Tagen verlassen, um
zu seiner Familie^ nach Paris zurückzukehren. Ich habe in h/in letzte»
Wochen manch' angenehme StNNde mit ihm vervlaMert und .die Be¬
merkung gemacht, daß sein Hamonrger Habitus von seinem Pariser
äußerst verschieden ist. Hier die .liebenswürdige Offenheit und zutrau¬
liche Gesprächigkeit selbst, dort Meist zurückstoßend, wortkarg, voll
Mißtrauen, In Paris hatte er, nicht ol),ne GrWd, vor der Mehr¬
heit der Deutschen eine oft an das Verdächtige .grenzende Scheu.
Hier freilich war er gezwungen, mit den Deutschen zu leben und
sich selbst manche Mangenehme Bekanntschaft gefallen zu lassen.
Heine's „Neue Gedichte" machen, wie Campe sagt, der in solch«»
Dingen kein Renommist scheint, mehr Glück, als irgend eine seiner
früheren PxoduMMi, Hie erste Auflage von, dreitausend Exempla¬
ren konnte schon Mes vierzehn Tagest den zahlreichen Bestellungen
nicht mehr genügen, und schon befindet sich eine zweite, um tausend
Ereiflplare stärkere, bei Vogt in Wandsbeck, unter der Presse. Das
hiesige Urthcjl M den ,,Uf«e» Gedichten" in ihre» ersten Abiheiluft¬
gen, worin ganz her alte Heine lebt und webt, glänzende Gerechtig¬
keit widecsghxe». NW Minder findet xyM den WiK des „Winter-
märchefls" originell und Mark und Bein des Zieles treffend, aber
mit dem rynischen Muthwillen, mit den übelriechendem Sprüngen,
welche der Heine'sche Humor gegen den Schluß hin nimmt, kann sich
unser sauberer, ehrbarer Sinn keineswegs persöhnen, Ich hüte mich
wohl, ihm das übel ZU nehmen. handelt sich hier um keine
Prüderie, sondern um ein tief sittliches Gefühl, das der Dichter w
seiner rücksichtslosen Ungenjrthejt diesmal etwas zu sehr »erletzt hat.
Die Hamburgeusien im ,,Wintermärchen" ergötzten im Uebrigen sehr,
Paß aber unserer edlen Schutzgöttiq Hammonia so arg mitgespielt
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