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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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bin ich doch immer noch zu sehr Hypochonder, um dort nicht wieder
ganz in den Fehler der -- passen Sie auf, was jetzt für ein impo¬
santes Wort kommt -- Heautontimornmenie zu verfallen!

Nicht wahr, das hat Klang? es lebe die deutsche Gelehrsam¬
keit, denn in dem Werk eines unsrer Professoren über deutsche Lite¬
ratur habe ich jüngst den Ausdruck gefunden, der in teutonischer
Sprache ganz einfach -- doch halt! Sie können ihn zugleich als
ein Räthsel betrachten, dessen Losung Sie in Spannung hält. Fällt
das Errathen zu schwer, so schaffen Sie sich Heyse's Wörterbuch
an, falls Sie's noch nicht besitzen, und lernen es daraus den deut¬
schen Gelehrten und mir nachthun, wie man mit fremden hochtraben¬
den Worten stolzirt und unverständlich wird. --

Also, um wieder aus Venedig zurückzukommen, so ist die dor¬
tige Stille, nur von dem monotonen Rufen der Gondoliere und dem
dumpfen Getöse ihrer Nuder unterbrochen, Nichts weniger als auf¬
heiternd, und ich begann schon vor Abschluß der Zeit, die ich zu mei¬
nem dortigen Aufenthalt bestimmt, mich nach der anmuthigen Bin¬
nenstadt zurück zu sehnen. Die Abende brachte ich gewöhnlich in
dem ersten Theater Fenice zu, welches recht gut lind fast immer mit
einem zahlreichen Publikum angefüllt ist. Ich sah dort auch den
jungen Admiral und Helden Erzherzog Friedrich, wie er seine Lor¬
beeren der schönen und talentvollen Gräfin Theresa Th... zu Füßen
legte. Man sagt, die Neigung sei ernst, doch scheint es mir trotz der
uralten Abstammung des Grafen Th..., der einen hohen Civilposten
in der Stadt bekleidet, sehr zweifelhaft, ob jemals hier die Myrthe
sich dem Lorbeer gesellen wird. Verbindungen der Herrscherfamilie
mit dem Unterthan gehören zu den Seltenheiten, obwohl von der
schönen Welserin an bis zu der Gattin des trefflichen Erzherzog Jo¬
hann in Steiermark ihre Möglichkeit auch in dem Hause Habsburg
bewiesen worden. Unter den ab- und zugehenden Fremden in Ve¬
nedig sind stets viele Russen, da es hier zwei griechische Kirchen und
einen Archimandriten und Popen gibt, während in dem nahen Li-
vorno wohl auch eine griechisch-orthodoxe Kirche ist, deren Geistliche
aber nur der neugriechischen und der italienischen Sprache mächtig
sind. Nur in Rom ist außerdem noch eine russische Capelle unter
dem Schutze der dortigen russischen Gesandtschaft vorhanden.




bin ich doch immer noch zu sehr Hypochonder, um dort nicht wieder
ganz in den Fehler der — passen Sie auf, was jetzt für ein impo¬
santes Wort kommt — Heautontimornmenie zu verfallen!

Nicht wahr, das hat Klang? es lebe die deutsche Gelehrsam¬
keit, denn in dem Werk eines unsrer Professoren über deutsche Lite¬
ratur habe ich jüngst den Ausdruck gefunden, der in teutonischer
Sprache ganz einfach — doch halt! Sie können ihn zugleich als
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an, falls Sie's noch nicht besitzen, und lernen es daraus den deut¬
schen Gelehrten und mir nachthun, wie man mit fremden hochtraben¬
den Worten stolzirt und unverständlich wird. —

Also, um wieder aus Venedig zurückzukommen, so ist die dor¬
tige Stille, nur von dem monotonen Rufen der Gondoliere und dem
dumpfen Getöse ihrer Nuder unterbrochen, Nichts weniger als auf¬
heiternd, und ich begann schon vor Abschluß der Zeit, die ich zu mei¬
nem dortigen Aufenthalt bestimmt, mich nach der anmuthigen Bin¬
nenstadt zurück zu sehnen. Die Abende brachte ich gewöhnlich in
dem ersten Theater Fenice zu, welches recht gut lind fast immer mit
einem zahlreichen Publikum angefüllt ist. Ich sah dort auch den
jungen Admiral und Helden Erzherzog Friedrich, wie er seine Lor¬
beeren der schönen und talentvollen Gräfin Theresa Th... zu Füßen
legte. Man sagt, die Neigung sei ernst, doch scheint es mir trotz der
uralten Abstammung des Grafen Th..., der einen hohen Civilposten
in der Stadt bekleidet, sehr zweifelhaft, ob jemals hier die Myrthe
sich dem Lorbeer gesellen wird. Verbindungen der Herrscherfamilie
mit dem Unterthan gehören zu den Seltenheiten, obwohl von der
schönen Welserin an bis zu der Gattin des trefflichen Erzherzog Jo¬
hann in Steiermark ihre Möglichkeit auch in dem Hause Habsburg
bewiesen worden. Unter den ab- und zugehenden Fremden in Ve¬
nedig sind stets viele Russen, da es hier zwei griechische Kirchen und
einen Archimandriten und Popen gibt, während in dem nahen Li-
vorno wohl auch eine griechisch-orthodoxe Kirche ist, deren Geistliche
aber nur der neugriechischen und der italienischen Sprache mächtig
sind. Nur in Rom ist außerdem noch eine russische Capelle unter
dem Schutze der dortigen russischen Gesandtschaft vorhanden.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/90>, abgerufen am 23.07.2024.