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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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aber einen kleinen chronologischen Irrthum. Es heißt da nämlich:
obwohl jeder einigermaßen scharfsinnige Kritiker wohl die Zeit nach¬
weisen könnte, in welcher dieses Opus im neunzehnten Jahr¬
hundert fabricirt worden, so hat es doch bei der für dergleichen
mysteriöse Dinge empfänglichen Menge Eingang und Glauben gefun¬
den.-- Der "scharfsinnige Kritiker" dürfte aber aus diese Nachweisung
Zeit und Mühe vergeblich verwenden; denn es gab bereits vor mehr
als hundert Jahren zahlreiche Drucke der genannten Prophezeihung.
Mir selbst sind drei davon bekannt; der eine findet sich in: "Euro¬
päischer Staatswahrsager: d. i. wundersame Prophezeihungen von den
vornehmsten Staaten Europas. Bremen, 1742. d."; ein anderer ist:
"Der wiedcrlebcnde Frater Herrmann von Lehnin nebst anderen Pro-
phezeihungen, lateinisch und deutsch. Frankfurt, 1745. 8."; der dritte
endlich: "Der neu vermehrte preußische Wahrsager, oder wundersame
Prophezeiungen von den Regenten des kurfürstlichen Hauses Bran¬
denburg ze. von Zoroaster, Engelland 1742. 4." Doch sind dies je¬
denfalls noch nicht die ältesten Drucke und die Abfassung dürfte frü¬
hestens an's Ende des siebenzehnten Jahrhunderts zu setzen sein. Diese
in Leoninischcn Versen (gereimten Hexametern) abgefaßte Prophezeihung
war übrigens in früherer Zeit vielfach verbreitet und von dem preu¬
ßischen Regentenhause gekannt und gefürchtet, daher auch verboten.
Diejenige Stelle, welche man auf das Tschechsche Attentat deutet,
lautet:


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Isi-tel in^mtMi" "ni-Ius imclvt *) inortv nuuulum.

C. H.

O'Connell's Schicksal ist eben so eigenthümlich, wie seine
Stellung. Während es Viele gibt, die seinen Charakter -- wie je¬
des Agitators, der zu klug oder zu glücklich ist, um verbrannt oder
gekreuzigt oder gehängt zu werden -- verdächtigen, wird er von Mil¬
lionen seines Volkes mit ausdauerndem Enthusiasmus angebetet;
während die Klugen im Lande seine politische Bedeutung sehr gering
anschlagen und nur aus allerhand, jedem politischen Helden nothwen¬
digen Nebenumständen ableiten wollen, zeigt sich doch leder seiner
Schritte, jede feiner kleinsten Bewegungen vom gewaltigsten Einfluß
auf das stolze England. Es ist wahr, ohne die geistliche Volksherr-
schaft in Irland, ohne den Parteicnstreit in England, ohne die Halb¬
heit der Whigs und ohne den innern Zwiespalt der Tories wäre Da¬
niel machtlos. Warum ist aber kein Anderer durch diese "ohnes'
mächtig geworden? Warum wußte nur er sich mit dem tiefsten, in-



*) Nach einer anderen, wohl richtigeren Lesart: inxlit. -- Von?ein ZU.
letzt genannten Abdruck der Prophezeihung besitzt der Antiquar Ernst >" "v""'
lau ein Exemplar.

aber einen kleinen chronologischen Irrthum. Es heißt da nämlich:
obwohl jeder einigermaßen scharfsinnige Kritiker wohl die Zeit nach¬
weisen könnte, in welcher dieses Opus im neunzehnten Jahr¬
hundert fabricirt worden, so hat es doch bei der für dergleichen
mysteriöse Dinge empfänglichen Menge Eingang und Glauben gefun¬
den.— Der „scharfsinnige Kritiker" dürfte aber aus diese Nachweisung
Zeit und Mühe vergeblich verwenden; denn es gab bereits vor mehr
als hundert Jahren zahlreiche Drucke der genannten Prophezeihung.
Mir selbst sind drei davon bekannt; der eine findet sich in: „Euro¬
päischer Staatswahrsager: d. i. wundersame Prophezeihungen von den
vornehmsten Staaten Europas. Bremen, 1742. d."; ein anderer ist:
„Der wiedcrlebcnde Frater Herrmann von Lehnin nebst anderen Pro-
phezeihungen, lateinisch und deutsch. Frankfurt, 1745. 8."; der dritte
endlich: „Der neu vermehrte preußische Wahrsager, oder wundersame
Prophezeiungen von den Regenten des kurfürstlichen Hauses Bran¬
denburg ze. von Zoroaster, Engelland 1742. 4." Doch sind dies je¬
denfalls noch nicht die ältesten Drucke und die Abfassung dürfte frü¬
hestens an's Ende des siebenzehnten Jahrhunderts zu setzen sein. Diese
in Leoninischcn Versen (gereimten Hexametern) abgefaßte Prophezeihung
war übrigens in früherer Zeit vielfach verbreitet und von dem preu¬
ßischen Regentenhause gekannt und gefürchtet, daher auch verboten.
Diejenige Stelle, welche man auf das Tschechsche Attentat deutet,
lautet:


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C. H.

O'Connell's Schicksal ist eben so eigenthümlich, wie seine
Stellung. Während es Viele gibt, die seinen Charakter — wie je¬
des Agitators, der zu klug oder zu glücklich ist, um verbrannt oder
gekreuzigt oder gehängt zu werden — verdächtigen, wird er von Mil¬
lionen seines Volkes mit ausdauerndem Enthusiasmus angebetet;
während die Klugen im Lande seine politische Bedeutung sehr gering
anschlagen und nur aus allerhand, jedem politischen Helden nothwen¬
digen Nebenumständen ableiten wollen, zeigt sich doch leder seiner
Schritte, jede feiner kleinsten Bewegungen vom gewaltigsten Einfluß
auf das stolze England. Es ist wahr, ohne die geistliche Volksherr-
schaft in Irland, ohne den Parteicnstreit in England, ohne die Halb¬
heit der Whigs und ohne den innern Zwiespalt der Tories wäre Da¬
niel machtlos. Warum ist aber kein Anderer durch diese „ohnes'
mächtig geworden? Warum wußte nur er sich mit dem tiefsten, in-



*) Nach einer anderen, wohl richtigeren Lesart: inxlit. — Von?ein ZU.
letzt genannten Abdruck der Prophezeihung besitzt der Antiquar Ernst >» "v"«'
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[0620] aber einen kleinen chronologischen Irrthum. Es heißt da nämlich: obwohl jeder einigermaßen scharfsinnige Kritiker wohl die Zeit nach¬ weisen könnte, in welcher dieses Opus im neunzehnten Jahr¬ hundert fabricirt worden, so hat es doch bei der für dergleichen mysteriöse Dinge empfänglichen Menge Eingang und Glauben gefun¬ den.— Der „scharfsinnige Kritiker" dürfte aber aus diese Nachweisung Zeit und Mühe vergeblich verwenden; denn es gab bereits vor mehr als hundert Jahren zahlreiche Drucke der genannten Prophezeihung. Mir selbst sind drei davon bekannt; der eine findet sich in: „Euro¬ päischer Staatswahrsager: d. i. wundersame Prophezeihungen von den vornehmsten Staaten Europas. Bremen, 1742. d."; ein anderer ist: „Der wiedcrlebcnde Frater Herrmann von Lehnin nebst anderen Pro- phezeihungen, lateinisch und deutsch. Frankfurt, 1745. 8."; der dritte endlich: „Der neu vermehrte preußische Wahrsager, oder wundersame Prophezeiungen von den Regenten des kurfürstlichen Hauses Bran¬ denburg ze. von Zoroaster, Engelland 1742. 4." Doch sind dies je¬ denfalls noch nicht die ältesten Drucke und die Abfassung dürfte frü¬ hestens an's Ende des siebenzehnten Jahrhunderts zu setzen sein. Diese in Leoninischcn Versen (gereimten Hexametern) abgefaßte Prophezeihung war übrigens in früherer Zeit vielfach verbreitet und von dem preu¬ ßischen Regentenhause gekannt und gefürchtet, daher auch verboten. Diejenige Stelle, welche man auf das Tschechsche Attentat deutet, lautet: ?im^em se«!Mil Mont, <j>n »lvmiiuUis. ultimus orit: Isi-tel in^mtMi» «ni-Ius imclvt *) inortv nuuulum. C. H. O'Connell's Schicksal ist eben so eigenthümlich, wie seine Stellung. Während es Viele gibt, die seinen Charakter — wie je¬ des Agitators, der zu klug oder zu glücklich ist, um verbrannt oder gekreuzigt oder gehängt zu werden — verdächtigen, wird er von Mil¬ lionen seines Volkes mit ausdauerndem Enthusiasmus angebetet; während die Klugen im Lande seine politische Bedeutung sehr gering anschlagen und nur aus allerhand, jedem politischen Helden nothwen¬ digen Nebenumständen ableiten wollen, zeigt sich doch leder seiner Schritte, jede feiner kleinsten Bewegungen vom gewaltigsten Einfluß auf das stolze England. Es ist wahr, ohne die geistliche Volksherr- schaft in Irland, ohne den Parteicnstreit in England, ohne die Halb¬ heit der Whigs und ohne den innern Zwiespalt der Tories wäre Da¬ niel machtlos. Warum ist aber kein Anderer durch diese „ohnes' mächtig geworden? Warum wußte nur er sich mit dem tiefsten, in- *) Nach einer anderen, wohl richtigeren Lesart: inxlit. — Von?ein ZU. letzt genannten Abdruck der Prophezeihung besitzt der Antiquar Ernst >» "v"«' lau ein Exemplar.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/620>, abgerufen am 23.07.2024.