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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Büberei zu verleiden wissen und könne auf die Treue des Fähr¬
manns eben so rechnen, wie Georg auf seine Freundschaft. So
könne es übrigens, meinte er, Jedem gehen, der bei einem Mädchen
in Venedig Glück mache, und Georg möge deshalb in einem ähnli¬
chen Falle auf der Hut sein.

Die beiden Jünglinge schlössen einen Freundschaftsbund, und der
Venetianer bat dringend, Georg möge ihn bald besuchen, jetzt aber
ihn an sein Haus bringen und sich merken, wo er wohne. DaS
geschah, aber wie erstaunte Georg, und wie bebte sein Herz vor Freude,
als sein neuer Freund an dem Hause vom Kahne stieg, wo Laura
wohnte. Er erinnerte sich auch, daß der junge Mann mit auf dem
Schiffe gewesen sei, wo er das geliebte Mädchen zuerst gesehen habe.
Er dachte: Dieser Abend ist doch lauter Glück! und fuhr nach Hause.
In seinem Zimmer las er die Zeilen, welche Laura geschrieben hatte.
Sie schrieb in wenig Worten, daß sie den folgenden Tag gegen
Sonnenuntergang mit Mutter und Bruder eine Lustfahrt machen
werde. Wer war froher als unser Georg! Denn nun konnte er doch
die Geliebte wieder einmal sehen. Er konnte fast die ganze Nacht
nicht schlafen und am folgenden Tage gab er ein Unwohlsein vor,
das ihn nöthige, eine Ausfahrt zu machen, und lange vor Sonnen¬
untergang kreuzte er schon durch die Wasserstraße, durch die Laura
kommen mußte.

Endlich kam eine Gondel daher geschwommen, auf der Georg
im Augenblick neben Laura seinen Freund von gestern und eine äl¬
tere Dame erkannte. Wie schlug dem Glücklichen das Herz, als er
aus des Freundes Munde seinen Namen rufen hörte und hinrudern
durfte an die Barke der Liebsten. Laura's Bruder -- denn das war
der junge Venetianer -- reichte dem Georg, der sich schüchtern gegen
die Frauen verneigte, die Hand und sagte seiner Mutter und Schwe¬
ster, daß dieser junge Deutsche ihm gestern das Leben gerettet habe.
Die Mutter überhäufte den Glücklichen mit Lobsprüchen, Laura sagte
ihm, über und über glühend, manches schöne Wort, und Georg wäre
ihr gern zu Füßen, noch lieber um den Hals gefallen, durste aber
nicht einmal das Auge zu ihr aufschlagen, weil es ihm dann nicht
möglich war, ruhig zu bleiben.'

-- Du bist wohl ein Sänger, lieber Georg, fragte LauraS
Bruder, weil Du die Zither bei Dir trägst? So singe uns ein Lied,


Büberei zu verleiden wissen und könne auf die Treue des Fähr¬
manns eben so rechnen, wie Georg auf seine Freundschaft. So
könne es übrigens, meinte er, Jedem gehen, der bei einem Mädchen
in Venedig Glück mache, und Georg möge deshalb in einem ähnli¬
chen Falle auf der Hut sein.

Die beiden Jünglinge schlössen einen Freundschaftsbund, und der
Venetianer bat dringend, Georg möge ihn bald besuchen, jetzt aber
ihn an sein Haus bringen und sich merken, wo er wohne. DaS
geschah, aber wie erstaunte Georg, und wie bebte sein Herz vor Freude,
als sein neuer Freund an dem Hause vom Kahne stieg, wo Laura
wohnte. Er erinnerte sich auch, daß der junge Mann mit auf dem
Schiffe gewesen sei, wo er das geliebte Mädchen zuerst gesehen habe.
Er dachte: Dieser Abend ist doch lauter Glück! und fuhr nach Hause.
In seinem Zimmer las er die Zeilen, welche Laura geschrieben hatte.
Sie schrieb in wenig Worten, daß sie den folgenden Tag gegen
Sonnenuntergang mit Mutter und Bruder eine Lustfahrt machen
werde. Wer war froher als unser Georg! Denn nun konnte er doch
die Geliebte wieder einmal sehen. Er konnte fast die ganze Nacht
nicht schlafen und am folgenden Tage gab er ein Unwohlsein vor,
das ihn nöthige, eine Ausfahrt zu machen, und lange vor Sonnen¬
untergang kreuzte er schon durch die Wasserstraße, durch die Laura
kommen mußte.

Endlich kam eine Gondel daher geschwommen, auf der Georg
im Augenblick neben Laura seinen Freund von gestern und eine äl¬
tere Dame erkannte. Wie schlug dem Glücklichen das Herz, als er
aus des Freundes Munde seinen Namen rufen hörte und hinrudern
durfte an die Barke der Liebsten. Laura's Bruder — denn das war
der junge Venetianer — reichte dem Georg, der sich schüchtern gegen
die Frauen verneigte, die Hand und sagte seiner Mutter und Schwe¬
ster, daß dieser junge Deutsche ihm gestern das Leben gerettet habe.
Die Mutter überhäufte den Glücklichen mit Lobsprüchen, Laura sagte
ihm, über und über glühend, manches schöne Wort, und Georg wäre
ihr gern zu Füßen, noch lieber um den Hals gefallen, durste aber
nicht einmal das Auge zu ihr aufschlagen, weil es ihm dann nicht
möglich war, ruhig zu bleiben.'

— Du bist wohl ein Sänger, lieber Georg, fragte LauraS
Bruder, weil Du die Zither bei Dir trägst? So singe uns ein Lied,


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[0586] Büberei zu verleiden wissen und könne auf die Treue des Fähr¬ manns eben so rechnen, wie Georg auf seine Freundschaft. So könne es übrigens, meinte er, Jedem gehen, der bei einem Mädchen in Venedig Glück mache, und Georg möge deshalb in einem ähnli¬ chen Falle auf der Hut sein. Die beiden Jünglinge schlössen einen Freundschaftsbund, und der Venetianer bat dringend, Georg möge ihn bald besuchen, jetzt aber ihn an sein Haus bringen und sich merken, wo er wohne. DaS geschah, aber wie erstaunte Georg, und wie bebte sein Herz vor Freude, als sein neuer Freund an dem Hause vom Kahne stieg, wo Laura wohnte. Er erinnerte sich auch, daß der junge Mann mit auf dem Schiffe gewesen sei, wo er das geliebte Mädchen zuerst gesehen habe. Er dachte: Dieser Abend ist doch lauter Glück! und fuhr nach Hause. In seinem Zimmer las er die Zeilen, welche Laura geschrieben hatte. Sie schrieb in wenig Worten, daß sie den folgenden Tag gegen Sonnenuntergang mit Mutter und Bruder eine Lustfahrt machen werde. Wer war froher als unser Georg! Denn nun konnte er doch die Geliebte wieder einmal sehen. Er konnte fast die ganze Nacht nicht schlafen und am folgenden Tage gab er ein Unwohlsein vor, das ihn nöthige, eine Ausfahrt zu machen, und lange vor Sonnen¬ untergang kreuzte er schon durch die Wasserstraße, durch die Laura kommen mußte. Endlich kam eine Gondel daher geschwommen, auf der Georg im Augenblick neben Laura seinen Freund von gestern und eine äl¬ tere Dame erkannte. Wie schlug dem Glücklichen das Herz, als er aus des Freundes Munde seinen Namen rufen hörte und hinrudern durfte an die Barke der Liebsten. Laura's Bruder — denn das war der junge Venetianer — reichte dem Georg, der sich schüchtern gegen die Frauen verneigte, die Hand und sagte seiner Mutter und Schwe¬ ster, daß dieser junge Deutsche ihm gestern das Leben gerettet habe. Die Mutter überhäufte den Glücklichen mit Lobsprüchen, Laura sagte ihm, über und über glühend, manches schöne Wort, und Georg wäre ihr gern zu Füßen, noch lieber um den Hals gefallen, durste aber nicht einmal das Auge zu ihr aufschlagen, weil es ihm dann nicht möglich war, ruhig zu bleiben.' — Du bist wohl ein Sänger, lieber Georg, fragte LauraS Bruder, weil Du die Zither bei Dir trägst? So singe uns ein Lied,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/586>, abgerufen am 23.12.2024.