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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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bach und mit dem Seesturm von Baumann, der selbst den
nicht eben schönen Ton der Ueberhand'schen Maniren hat. Auch ans
eine Marine von Houguet treffen wir hier, das dieselben
Fehler hat wie das neulich geschilderte Bild, obgleich es viermal
so klein ist. Wir müssen sehr bedauern, die Marineu des
Franzosen Tanneur nicht gesehen zu haben, von denen in der
Vossischen Zeitung so furchtbares Aufhebens gemacht wurde, und
die wirklich ihre Verdienste gehabt haben sollen. Leider hat der
Künstler diese guten Sachen zu schnell hinweggenommen und statt
ihrer eine kleine Skizze: Aussicht aufTunis hiergelassen, die
uns keinen zu guten Begriff von der Borzüglichkeit seines Talentes
geben würde, wenn wir es nicht schon aus seinem Rufe achten ge¬
lernt hätten. Das kleine Bild ist französisch; das genügt. Scheu¬
ren hat zwei Bilder und eine Skizze hier, über welche wir nicht
so schnell hinweggehen können. Scheuren gehört offenbar zu den
Befähigten unsrer lebenden Landschafter, was er dadurch bewiesen,
daß er sich in Düsseldorf über die Mittelmäßigkeit erhoben hat. Er
hat ein warmes Gefühl und ein glückliches Auge für die freundliche
Seite der Natur, für das neckische Lächeln der Sonne aus Blumen
und Gräsern, das durch eine Landschaft geht. Dennoch ist Scheu¬
ren das nicht geworden, was er zu werden versprach. Es geht
ihm wie den meisten Künstlern, die einigen Ruf erlangen, ohne schon
auf recht festen Füßen zu stehen. Ihre Hand hat den Kopf unter¬
jocht, -- sie ist der Künstler, obgleich es doch umgekehrt sein soll.
Die Aufgabe eines Bildes ist es, ein Gefühl, eine Stimmung dar¬
zuthun, die sich auf den Beschauer äußert,.....leider sehen wir
hellt zu Tage oft in glänzend goldenen Nahmen statt eines Bildes
ganz allerliebste Kunststücke und Sprünge, die eine gelenkige Hand
auf der Leinwand zurückläßt, indem sie dem Kopf, das ist dem Ma¬
ler, mit dem Pinsel davon läuft. -- Auch bei Schemen darf dies
gesagt werden. Er malt sehr niedlich, sehr hübsch sogar, aber der
innere Drang, ohne den ein Kunstwerk nie entsteht, wird vermißt.
In seinen beiden Bildern, die viele Schönheiten, aber auch wohl
coquette Kunstgriffe zeigen, spricht sich wohl ein Gedanke aus, aber
der Gedanke ist nicht so gewaltig, daß er den Uebermuth der Aus¬
führung im Zügel gehalten hätte. Das ist's, was den Künstler
macht: die Ruhe, die Einfachheit. Dagegen gibt uns Scheuren


bach und mit dem Seesturm von Baumann, der selbst den
nicht eben schönen Ton der Ueberhand'schen Maniren hat. Auch ans
eine Marine von Houguet treffen wir hier, das dieselben
Fehler hat wie das neulich geschilderte Bild, obgleich es viermal
so klein ist. Wir müssen sehr bedauern, die Marineu des
Franzosen Tanneur nicht gesehen zu haben, von denen in der
Vossischen Zeitung so furchtbares Aufhebens gemacht wurde, und
die wirklich ihre Verdienste gehabt haben sollen. Leider hat der
Künstler diese guten Sachen zu schnell hinweggenommen und statt
ihrer eine kleine Skizze: Aussicht aufTunis hiergelassen, die
uns keinen zu guten Begriff von der Borzüglichkeit seines Talentes
geben würde, wenn wir es nicht schon aus seinem Rufe achten ge¬
lernt hätten. Das kleine Bild ist französisch; das genügt. Scheu¬
ren hat zwei Bilder und eine Skizze hier, über welche wir nicht
so schnell hinweggehen können. Scheuren gehört offenbar zu den
Befähigten unsrer lebenden Landschafter, was er dadurch bewiesen,
daß er sich in Düsseldorf über die Mittelmäßigkeit erhoben hat. Er
hat ein warmes Gefühl und ein glückliches Auge für die freundliche
Seite der Natur, für das neckische Lächeln der Sonne aus Blumen
und Gräsern, das durch eine Landschaft geht. Dennoch ist Scheu¬
ren das nicht geworden, was er zu werden versprach. Es geht
ihm wie den meisten Künstlern, die einigen Ruf erlangen, ohne schon
auf recht festen Füßen zu stehen. Ihre Hand hat den Kopf unter¬
jocht, — sie ist der Künstler, obgleich es doch umgekehrt sein soll.
Die Aufgabe eines Bildes ist es, ein Gefühl, eine Stimmung dar¬
zuthun, die sich auf den Beschauer äußert,.....leider sehen wir
hellt zu Tage oft in glänzend goldenen Nahmen statt eines Bildes
ganz allerliebste Kunststücke und Sprünge, die eine gelenkige Hand
auf der Leinwand zurückläßt, indem sie dem Kopf, das ist dem Ma¬
ler, mit dem Pinsel davon läuft. — Auch bei Schemen darf dies
gesagt werden. Er malt sehr niedlich, sehr hübsch sogar, aber der
innere Drang, ohne den ein Kunstwerk nie entsteht, wird vermißt.
In seinen beiden Bildern, die viele Schönheiten, aber auch wohl
coquette Kunstgriffe zeigen, spricht sich wohl ein Gedanke aus, aber
der Gedanke ist nicht so gewaltig, daß er den Uebermuth der Aus¬
führung im Zügel gehalten hätte. Das ist's, was den Künstler
macht: die Ruhe, die Einfachheit. Dagegen gibt uns Scheuren


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[0581] bach und mit dem Seesturm von Baumann, der selbst den nicht eben schönen Ton der Ueberhand'schen Maniren hat. Auch ans eine Marine von Houguet treffen wir hier, das dieselben Fehler hat wie das neulich geschilderte Bild, obgleich es viermal so klein ist. Wir müssen sehr bedauern, die Marineu des Franzosen Tanneur nicht gesehen zu haben, von denen in der Vossischen Zeitung so furchtbares Aufhebens gemacht wurde, und die wirklich ihre Verdienste gehabt haben sollen. Leider hat der Künstler diese guten Sachen zu schnell hinweggenommen und statt ihrer eine kleine Skizze: Aussicht aufTunis hiergelassen, die uns keinen zu guten Begriff von der Borzüglichkeit seines Talentes geben würde, wenn wir es nicht schon aus seinem Rufe achten ge¬ lernt hätten. Das kleine Bild ist französisch; das genügt. Scheu¬ ren hat zwei Bilder und eine Skizze hier, über welche wir nicht so schnell hinweggehen können. Scheuren gehört offenbar zu den Befähigten unsrer lebenden Landschafter, was er dadurch bewiesen, daß er sich in Düsseldorf über die Mittelmäßigkeit erhoben hat. Er hat ein warmes Gefühl und ein glückliches Auge für die freundliche Seite der Natur, für das neckische Lächeln der Sonne aus Blumen und Gräsern, das durch eine Landschaft geht. Dennoch ist Scheu¬ ren das nicht geworden, was er zu werden versprach. Es geht ihm wie den meisten Künstlern, die einigen Ruf erlangen, ohne schon auf recht festen Füßen zu stehen. Ihre Hand hat den Kopf unter¬ jocht, — sie ist der Künstler, obgleich es doch umgekehrt sein soll. Die Aufgabe eines Bildes ist es, ein Gefühl, eine Stimmung dar¬ zuthun, die sich auf den Beschauer äußert,.....leider sehen wir hellt zu Tage oft in glänzend goldenen Nahmen statt eines Bildes ganz allerliebste Kunststücke und Sprünge, die eine gelenkige Hand auf der Leinwand zurückläßt, indem sie dem Kopf, das ist dem Ma¬ ler, mit dem Pinsel davon läuft. — Auch bei Schemen darf dies gesagt werden. Er malt sehr niedlich, sehr hübsch sogar, aber der innere Drang, ohne den ein Kunstwerk nie entsteht, wird vermißt. In seinen beiden Bildern, die viele Schönheiten, aber auch wohl coquette Kunstgriffe zeigen, spricht sich wohl ein Gedanke aus, aber der Gedanke ist nicht so gewaltig, daß er den Uebermuth der Aus¬ führung im Zügel gehalten hätte. Das ist's, was den Künstler macht: die Ruhe, die Einfachheit. Dagegen gibt uns Scheuren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/581>, abgerufen am 23.07.2024.