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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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nen, die das bröckelnde Gestein vergebens zusammenzuhalten suchen.
In der Höhe los't sich das Licht von dem Nebel und fällt streifend
auf das schäumende Wasser, dessen bläuliche Schatten sich kräuseln
zum wilden Tanze. Im Vorgrund, von Gestrüpp umgeben, liegen
lauernd zwei Bären, die gewöhnt an dies Treiben der Natur gleich¬
artig vor sich hinschauen. -- Ueberhand hat eine gewaltige Phan¬
tasie, deren göttlicher Ursprung sich dadurch äußert, daß sie be¬
stimmt und entschieden auf Jeden wirkt, dem sie im ^Bilde nahe
tritt, sei er Laie oder Kunstgenossc. Aber auch er, den man mit
Recht den König der Landschafter nennt, auch er hat wie
jeder Künstler seinen bösen Dämon, den er zwar kräftig bekämpft,
aber schwerlich besiegen wird. Dieser böse Dämon Ueberhand's ist
seine Farbe. Sie ist nicht schön, seine Farbe; sie hat von der Na¬
tur den Auftrag erhalten, seiner Phantasie zu gehorchen und sie darf
daher nicht murren, wenn sie von dieser geknechtet wird. Aber das¬
selbe, was in der Phantasie Gewaltigkeit, Hoheit ist, äußert sich in
der Farbe als Schwerheit. So war es natürlich, daß Ueberhand
sich dem Norden zuwandte, und daß er sich fast immer in gewaltigen
Naturerscheinungen aussprach, weil diesen in ihrer Hoheit jenes zarte
Gefühl abgeht, was auch ihm fehlt, weil er gewaltig ist. Aber
trotzdem gehört das obenerwähnte Bild zu den weniger ernsten und
schönsten, welche unser Jahrhundert malte. Da wir einmal mit ihm
beschäftigt sind, wollen wir ihn gleich ganz abfinden. Wir sahen
außerdem von Ueberhand eine kleine Skizze, die denselben norwegischen
Charakter trug wie das große Bild, nur daß sie freundlicher war.
Ferner eine Marine: Gefangene werden auf Kriegsschiffe
transportirt, die uns nicht so zusagte, wie die beiden vorher¬
gehenden Bilder. Hier ist wirkliche Schwerheit, und diese wird nicht
sogleich durch einen umzogenen Himmel gerechtfertigt. -- Wir können
uns nicht versagen, des Contrastes wegen der äußersten Grenze des
Gewaltigen die höchste Lieblichkeit in einem Genrebilde Wald¬
mülle r's aus Wien gegenüberzustellen. Ein junges Mädchen,
von der Alp zurückkehrend, lauscht dem Gesang ihrer
Genossinnen. Hier geht der Künstler heiter in die kleinsten De¬
tails der Natur, in das kleinste Blümchen, in das kleinste Sonnen¬
licht ein. Wie sie dasitzt, die halberblühte Rose, wie der Zug
des Lauschers sich neckisch ausprägt in ihren Mienen. Man meint


nen, die das bröckelnde Gestein vergebens zusammenzuhalten suchen.
In der Höhe los't sich das Licht von dem Nebel und fällt streifend
auf das schäumende Wasser, dessen bläuliche Schatten sich kräuseln
zum wilden Tanze. Im Vorgrund, von Gestrüpp umgeben, liegen
lauernd zwei Bären, die gewöhnt an dies Treiben der Natur gleich¬
artig vor sich hinschauen. — Ueberhand hat eine gewaltige Phan¬
tasie, deren göttlicher Ursprung sich dadurch äußert, daß sie be¬
stimmt und entschieden auf Jeden wirkt, dem sie im ^Bilde nahe
tritt, sei er Laie oder Kunstgenossc. Aber auch er, den man mit
Recht den König der Landschafter nennt, auch er hat wie
jeder Künstler seinen bösen Dämon, den er zwar kräftig bekämpft,
aber schwerlich besiegen wird. Dieser böse Dämon Ueberhand's ist
seine Farbe. Sie ist nicht schön, seine Farbe; sie hat von der Na¬
tur den Auftrag erhalten, seiner Phantasie zu gehorchen und sie darf
daher nicht murren, wenn sie von dieser geknechtet wird. Aber das¬
selbe, was in der Phantasie Gewaltigkeit, Hoheit ist, äußert sich in
der Farbe als Schwerheit. So war es natürlich, daß Ueberhand
sich dem Norden zuwandte, und daß er sich fast immer in gewaltigen
Naturerscheinungen aussprach, weil diesen in ihrer Hoheit jenes zarte
Gefühl abgeht, was auch ihm fehlt, weil er gewaltig ist. Aber
trotzdem gehört das obenerwähnte Bild zu den weniger ernsten und
schönsten, welche unser Jahrhundert malte. Da wir einmal mit ihm
beschäftigt sind, wollen wir ihn gleich ganz abfinden. Wir sahen
außerdem von Ueberhand eine kleine Skizze, die denselben norwegischen
Charakter trug wie das große Bild, nur daß sie freundlicher war.
Ferner eine Marine: Gefangene werden auf Kriegsschiffe
transportirt, die uns nicht so zusagte, wie die beiden vorher¬
gehenden Bilder. Hier ist wirkliche Schwerheit, und diese wird nicht
sogleich durch einen umzogenen Himmel gerechtfertigt. — Wir können
uns nicht versagen, des Contrastes wegen der äußersten Grenze des
Gewaltigen die höchste Lieblichkeit in einem Genrebilde Wald¬
mülle r's aus Wien gegenüberzustellen. Ein junges Mädchen,
von der Alp zurückkehrend, lauscht dem Gesang ihrer
Genossinnen. Hier geht der Künstler heiter in die kleinsten De¬
tails der Natur, in das kleinste Blümchen, in das kleinste Sonnen¬
licht ein. Wie sie dasitzt, die halberblühte Rose, wie der Zug
des Lauschers sich neckisch ausprägt in ihren Mienen. Man meint


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[0578] nen, die das bröckelnde Gestein vergebens zusammenzuhalten suchen. In der Höhe los't sich das Licht von dem Nebel und fällt streifend auf das schäumende Wasser, dessen bläuliche Schatten sich kräuseln zum wilden Tanze. Im Vorgrund, von Gestrüpp umgeben, liegen lauernd zwei Bären, die gewöhnt an dies Treiben der Natur gleich¬ artig vor sich hinschauen. — Ueberhand hat eine gewaltige Phan¬ tasie, deren göttlicher Ursprung sich dadurch äußert, daß sie be¬ stimmt und entschieden auf Jeden wirkt, dem sie im ^Bilde nahe tritt, sei er Laie oder Kunstgenossc. Aber auch er, den man mit Recht den König der Landschafter nennt, auch er hat wie jeder Künstler seinen bösen Dämon, den er zwar kräftig bekämpft, aber schwerlich besiegen wird. Dieser böse Dämon Ueberhand's ist seine Farbe. Sie ist nicht schön, seine Farbe; sie hat von der Na¬ tur den Auftrag erhalten, seiner Phantasie zu gehorchen und sie darf daher nicht murren, wenn sie von dieser geknechtet wird. Aber das¬ selbe, was in der Phantasie Gewaltigkeit, Hoheit ist, äußert sich in der Farbe als Schwerheit. So war es natürlich, daß Ueberhand sich dem Norden zuwandte, und daß er sich fast immer in gewaltigen Naturerscheinungen aussprach, weil diesen in ihrer Hoheit jenes zarte Gefühl abgeht, was auch ihm fehlt, weil er gewaltig ist. Aber trotzdem gehört das obenerwähnte Bild zu den weniger ernsten und schönsten, welche unser Jahrhundert malte. Da wir einmal mit ihm beschäftigt sind, wollen wir ihn gleich ganz abfinden. Wir sahen außerdem von Ueberhand eine kleine Skizze, die denselben norwegischen Charakter trug wie das große Bild, nur daß sie freundlicher war. Ferner eine Marine: Gefangene werden auf Kriegsschiffe transportirt, die uns nicht so zusagte, wie die beiden vorher¬ gehenden Bilder. Hier ist wirkliche Schwerheit, und diese wird nicht sogleich durch einen umzogenen Himmel gerechtfertigt. — Wir können uns nicht versagen, des Contrastes wegen der äußersten Grenze des Gewaltigen die höchste Lieblichkeit in einem Genrebilde Wald¬ mülle r's aus Wien gegenüberzustellen. Ein junges Mädchen, von der Alp zurückkehrend, lauscht dem Gesang ihrer Genossinnen. Hier geht der Künstler heiter in die kleinsten De¬ tails der Natur, in das kleinste Blümchen, in das kleinste Sonnen¬ licht ein. Wie sie dasitzt, die halberblühte Rose, wie der Zug des Lauschers sich neckisch ausprägt in ihren Mienen. Man meint

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/578>, abgerufen am 22.12.2024.