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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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graciösen Leichtigkeit eines französischen Fechtmeisters. Werft ihm Ver¬
rath und Lüge und Speichelleckerei in's Gesicht, und er wird mit lä¬
chelnder Herablassung, gleichsam eine Prise nehmend, antworten: Lie¬
bes Kind, werden Sie nur erst etwas alter oder blasirter, und Sie
werden anders sprechen.

Fast ein Gegenstück zu dem Seiltänzer ist ein anderer Cor-
respondent.der Deutschen Allgemeinen, der sich über das nationale
Geschrei nach einer Kriegsmarine ärgert und mit seltener Gradheit
und Ueberzeugung eine deutsche Flotte für thörichten Luxus erklärt.
Wir glauben, eine deutsche Seemacht wäre gar nicht übel, und müs¬
sen nur über Diejenigen lächeln, die sich das Ding so leicht denken.
Der Deutschallgemeine aber meint, unsere Handelsschiffe seien bis jetzt
überall gut und sicher durchgekommen und würden auch später, ohne
Kanonen, von jedem rechtlichen Staat anständig behandelt werden.
Das ist wahr. Wenn man sich ordentlich aufführt, wenn man der
Polizei den schuldigen Respect erweis't, kommt man durch die ganze
Welt. Freilich gibt es zu Wasser wie zu Lande rohe und gewaltthä¬
tige Menschen; man kann sogar von Seeräubern mißhandelt werden,
die gar mächtig sind. Aber am Ende ist ein Seeräuber doch nur ein
gemeiner Mensch, ein ehrloser Verbrecher. Der kann Einen gar nicht
beleidigen.

-- Zur Berliner Kunstausstellung waren bis zum 5. Septem¬
ber bereits an viertausend Kunstwerke eingelaufen, von denen freilich
ein großer Theil in die "Todtenkammer" (der Platz für die nicht auf¬
genommenen Bilder) geworfen wurde. Die Ausstellung von 184^,
die zu den bedeutendsten gerechnet wurde, zählte nur eintausend fünf¬
hundert und sechzig Nummern.

-- Dem bekannten Dr. Lorenzen in Kiel, der über die "Frö¬
sche" des Arisrophancs lesen wollte, hat die dänische Regierung den
Lehrstuhl verboten. Das Quanten aristophanischer Frösche hätte wahr¬
scheinlich den Sprachstreit noch mehr erhitzen können. Hier paßt das
Wort: Etwas ist faul im Staat von Dänemark!

-- Herrn Professor Gubitz müssen wir, wegen der uns zugesand¬
ten "Erklärung", aus Mangel an Raum ersuchen bis zur kommenden
Woche warten zu wollen.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda
Druck von Friedrich Andrä.

graciösen Leichtigkeit eines französischen Fechtmeisters. Werft ihm Ver¬
rath und Lüge und Speichelleckerei in's Gesicht, und er wird mit lä¬
chelnder Herablassung, gleichsam eine Prise nehmend, antworten: Lie¬
bes Kind, werden Sie nur erst etwas alter oder blasirter, und Sie
werden anders sprechen.

Fast ein Gegenstück zu dem Seiltänzer ist ein anderer Cor-
respondent.der Deutschen Allgemeinen, der sich über das nationale
Geschrei nach einer Kriegsmarine ärgert und mit seltener Gradheit
und Ueberzeugung eine deutsche Flotte für thörichten Luxus erklärt.
Wir glauben, eine deutsche Seemacht wäre gar nicht übel, und müs¬
sen nur über Diejenigen lächeln, die sich das Ding so leicht denken.
Der Deutschallgemeine aber meint, unsere Handelsschiffe seien bis jetzt
überall gut und sicher durchgekommen und würden auch später, ohne
Kanonen, von jedem rechtlichen Staat anständig behandelt werden.
Das ist wahr. Wenn man sich ordentlich aufführt, wenn man der
Polizei den schuldigen Respect erweis't, kommt man durch die ganze
Welt. Freilich gibt es zu Wasser wie zu Lande rohe und gewaltthä¬
tige Menschen; man kann sogar von Seeräubern mißhandelt werden,
die gar mächtig sind. Aber am Ende ist ein Seeräuber doch nur ein
gemeiner Mensch, ein ehrloser Verbrecher. Der kann Einen gar nicht
beleidigen.

— Zur Berliner Kunstausstellung waren bis zum 5. Septem¬
ber bereits an viertausend Kunstwerke eingelaufen, von denen freilich
ein großer Theil in die „Todtenkammer" (der Platz für die nicht auf¬
genommenen Bilder) geworfen wurde. Die Ausstellung von 184^,
die zu den bedeutendsten gerechnet wurde, zählte nur eintausend fünf¬
hundert und sechzig Nummern.

— Dem bekannten Dr. Lorenzen in Kiel, der über die „Frö¬
sche" des Arisrophancs lesen wollte, hat die dänische Regierung den
Lehrstuhl verboten. Das Quanten aristophanischer Frösche hätte wahr¬
scheinlich den Sprachstreit noch mehr erhitzen können. Hier paßt das
Wort: Etwas ist faul im Staat von Dänemark!

— Herrn Professor Gubitz müssen wir, wegen der uns zugesand¬
ten „Erklärung", aus Mangel an Raum ersuchen bis zur kommenden
Woche warten zu wollen.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda
Druck von Friedrich Andrä.
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[0576] graciösen Leichtigkeit eines französischen Fechtmeisters. Werft ihm Ver¬ rath und Lüge und Speichelleckerei in's Gesicht, und er wird mit lä¬ chelnder Herablassung, gleichsam eine Prise nehmend, antworten: Lie¬ bes Kind, werden Sie nur erst etwas alter oder blasirter, und Sie werden anders sprechen. Fast ein Gegenstück zu dem Seiltänzer ist ein anderer Cor- respondent.der Deutschen Allgemeinen, der sich über das nationale Geschrei nach einer Kriegsmarine ärgert und mit seltener Gradheit und Ueberzeugung eine deutsche Flotte für thörichten Luxus erklärt. Wir glauben, eine deutsche Seemacht wäre gar nicht übel, und müs¬ sen nur über Diejenigen lächeln, die sich das Ding so leicht denken. Der Deutschallgemeine aber meint, unsere Handelsschiffe seien bis jetzt überall gut und sicher durchgekommen und würden auch später, ohne Kanonen, von jedem rechtlichen Staat anständig behandelt werden. Das ist wahr. Wenn man sich ordentlich aufführt, wenn man der Polizei den schuldigen Respect erweis't, kommt man durch die ganze Welt. Freilich gibt es zu Wasser wie zu Lande rohe und gewaltthä¬ tige Menschen; man kann sogar von Seeräubern mißhandelt werden, die gar mächtig sind. Aber am Ende ist ein Seeräuber doch nur ein gemeiner Mensch, ein ehrloser Verbrecher. Der kann Einen gar nicht beleidigen. — Zur Berliner Kunstausstellung waren bis zum 5. Septem¬ ber bereits an viertausend Kunstwerke eingelaufen, von denen freilich ein großer Theil in die „Todtenkammer" (der Platz für die nicht auf¬ genommenen Bilder) geworfen wurde. Die Ausstellung von 184^, die zu den bedeutendsten gerechnet wurde, zählte nur eintausend fünf¬ hundert und sechzig Nummern. — Dem bekannten Dr. Lorenzen in Kiel, der über die „Frö¬ sche" des Arisrophancs lesen wollte, hat die dänische Regierung den Lehrstuhl verboten. Das Quanten aristophanischer Frösche hätte wahr¬ scheinlich den Sprachstreit noch mehr erhitzen können. Hier paßt das Wort: Etwas ist faul im Staat von Dänemark! — Herrn Professor Gubitz müssen wir, wegen der uns zugesand¬ ten „Erklärung", aus Mangel an Raum ersuchen bis zur kommenden Woche warten zu wollen. Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/576>, abgerufen am 01.07.2024.