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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Antlitz in Afrikas Hitze bräunt und die Ufer von Tanger mit einem
Feuermeer überschüttet. Der Franke kämpft seit fünfzehn Jahren
in den heißen Steppen Algeriens und richtet von seinen Flotten die
Fcuerschlünoe auf die Gestade der Mauren, um erlittene Unbilden
grandios zu rächen. Anders in Wien und Berlin, .wo man dieSpei-
sen für den Magen, wie für Auge und Ohr ,zu würzen versteht.
Wie unvergleichlich spielt nicht Herr Liszt, der Träger des Ordens
jam- le- mvritt-, und wie harmonisch dazu singt die Podosta. Wie
sentimental die Antigone, und wie prachwoll der Promedh.eus
des Aeschylus. Der Plautus fehlt noch mit seinem Pönuilus, um
die harmonische Trias zu der göttlichen Dreieinigkeit zu gestalten.
Die Politik ist schon längst eine verbotene Waare in Deutschland,
weil die Diplomatie ^hinlänglich das ^deutsche Bedürfniß befriedigt.
Recht so! Wir erfreuen uns des ewigen Friedens, und wenn es ja
der Franzmann, Russe oder Engländer wagen sollte, zu uns herübcr-
zublicken, um die genossenen Früchte des Krieges noch einmal zu ko¬
sten, weiß ihn die Diplomatie urplötzlich in die Schranken zurückzu¬
weisen. Darum versteh ich ^es nicht, warum auf den Budgets noch
die Militäretats mit so'vielen Millionen figuriren, gleichsam als sei
es ein deutsches Nationalbedürfniß für den Städter und Landmann,
ihm sein köstliches, zum Leben so gedeihliches Blut für Nichts und
wieder Nichts abzuzapfen. Wozu Krieger, wo ein Krieg undenkbar
ist und der Gedanke daran schon zum Irrenhaus den armen Tropf
verdammt. Doch, bald wird es kommen, wo kein glücklicheres Volk
ist, als das deutsche, was da schwelgt, zecht, zehrt, lärmt und schilt,
in einer ewigen Friedenszeit. Wie dürften wir doch unsere Väter, die
Einfältigen, die Thoren, verlachen, die so bornirt waren, unter Ar¬
min die Römer und unter Wittekind die christliche Kirche zu be¬
kämpfen. Uns Veteranen, die wir die abscheulich revolutionäre Zeit
von 1789--1815" verdammt waren, in halsbrechenden Kämpfen .zu
vergeuden, möge man es nicht ungnädig aufnehmen, wenn wir einfältig
und unerfahren, wie wir sind, die so glückliche.Friedenszeit nicht zu würdigen
wissen. Wir gaffen die Gestatten an, vor welchen wir niederknien
sollen, wie Prometheus auf dem Feloe zu Mekone die Götter, welche
sich mit den Männern, wie heute die Reichsrathe mit den Deputirten
in ihren Kammern, versammelten, um über die Glücksgüter der Sterb¬
lichen zu würfeln. Und wie der Titan so kühn und frech, weil er
sich weigerte, der Götter Unterthan zu sein, an die Felsen des Kau¬
kasus von den wackeren Gesellen auf M^thttene geschmiedet ward, so
sind von uns und unseren Freunden so viele in ein .gleiches Verhäng¬
nis) geführt, weil wir, gleich dem Prometheus, zu unkundig waren,
die goldene Aelt zu erkennen, die als irdisches Paradies von der >"ii-
jL"tit" vel unserem sterblichen Auge vorgehalten wurde. Heute aber,
'nachdem wir die wohlverdienten Strafen Jahre lang erduldet, aus'


Antlitz in Afrikas Hitze bräunt und die Ufer von Tanger mit einem
Feuermeer überschüttet. Der Franke kämpft seit fünfzehn Jahren
in den heißen Steppen Algeriens und richtet von seinen Flotten die
Fcuerschlünoe auf die Gestade der Mauren, um erlittene Unbilden
grandios zu rächen. Anders in Wien und Berlin, .wo man dieSpei-
sen für den Magen, wie für Auge und Ohr ,zu würzen versteht.
Wie unvergleichlich spielt nicht Herr Liszt, der Träger des Ordens
jam- le- mvritt-, und wie harmonisch dazu singt die Podosta. Wie
sentimental die Antigone, und wie prachwoll der Promedh.eus
des Aeschylus. Der Plautus fehlt noch mit seinem Pönuilus, um
die harmonische Trias zu der göttlichen Dreieinigkeit zu gestalten.
Die Politik ist schon längst eine verbotene Waare in Deutschland,
weil die Diplomatie ^hinlänglich das ^deutsche Bedürfniß befriedigt.
Recht so! Wir erfreuen uns des ewigen Friedens, und wenn es ja
der Franzmann, Russe oder Engländer wagen sollte, zu uns herübcr-
zublicken, um die genossenen Früchte des Krieges noch einmal zu ko¬
sten, weiß ihn die Diplomatie urplötzlich in die Schranken zurückzu¬
weisen. Darum versteh ich ^es nicht, warum auf den Budgets noch
die Militäretats mit so'vielen Millionen figuriren, gleichsam als sei
es ein deutsches Nationalbedürfniß für den Städter und Landmann,
ihm sein köstliches, zum Leben so gedeihliches Blut für Nichts und
wieder Nichts abzuzapfen. Wozu Krieger, wo ein Krieg undenkbar
ist und der Gedanke daran schon zum Irrenhaus den armen Tropf
verdammt. Doch, bald wird es kommen, wo kein glücklicheres Volk
ist, als das deutsche, was da schwelgt, zecht, zehrt, lärmt und schilt,
in einer ewigen Friedenszeit. Wie dürften wir doch unsere Väter, die
Einfältigen, die Thoren, verlachen, die so bornirt waren, unter Ar¬
min die Römer und unter Wittekind die christliche Kirche zu be¬
kämpfen. Uns Veteranen, die wir die abscheulich revolutionäre Zeit
von 1789—1815» verdammt waren, in halsbrechenden Kämpfen .zu
vergeuden, möge man es nicht ungnädig aufnehmen, wenn wir einfältig
und unerfahren, wie wir sind, die so glückliche.Friedenszeit nicht zu würdigen
wissen. Wir gaffen die Gestatten an, vor welchen wir niederknien
sollen, wie Prometheus auf dem Feloe zu Mekone die Götter, welche
sich mit den Männern, wie heute die Reichsrathe mit den Deputirten
in ihren Kammern, versammelten, um über die Glücksgüter der Sterb¬
lichen zu würfeln. Und wie der Titan so kühn und frech, weil er
sich weigerte, der Götter Unterthan zu sein, an die Felsen des Kau¬
kasus von den wackeren Gesellen auf M^thttene geschmiedet ward, so
sind von uns und unseren Freunden so viele in ein .gleiches Verhäng¬
nis) geführt, weil wir, gleich dem Prometheus, zu unkundig waren,
die goldene Aelt zu erkennen, die als irdisches Paradies von der >»ii-
jL«tit« vel unserem sterblichen Auge vorgehalten wurde. Heute aber,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/574>, abgerufen am 01.07.2024.