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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Gesellschaft von solche", Charakter fehlen darf, indem die Anregung
zu mancherlei Festlichkeiten, wie noch erst jüngst die zur Herderfeier,
hauptsächlich von ihm auszugehen scheint. Auch ist er der allezeit
fertige Toastbringer und Festdichter, welcher mit gleicher Unparteilich¬
keit und Gewandtheit den Virtuosen Liszt und die Kunstgrößen Cor¬
nelius und Thorwaldsen besingt. Seine schriftstellerische Thätigkeit
ist übrigens erstaunlich, seine durch ausgebreitete Erfahrungen unter¬
stützte Technik und Virtuosität im kritischen Kunstfache außerordent¬
lich, und die Urtheile, die er mit einer gewissen Miene der Unfehl¬
barkeit ausspricht, scheinen ihm wie reife Pomeranzen von selbst in
den Schooß zu fallen. Ferner nimmt in diesem Kreise Fr. Beck,
der talentvolle Verfasser einer Sammlung wohllautender und theil¬
weise von tief katholischer Innigkeit erfüllter Gedichte, dadurch eine
hervorragende Stellung ein, daß er Redacteur der Münchner politi¬
schen Zeitung ist; oder vielmehr, er könnte diese hervorragende Stel¬
lung einnehmen, wenn der politische Theil der Zeitung, wenigstens
zum größeren Theil, aus Originalartikeln bestände, das Feuilleton
aber durchweg den höheren wissenschaftlichen und literarischen Inter¬
essen Münchens gewidmet wäre. Aber der Redacteur scheint es sich
im Gegentheil zur Aufgabe gemacht zu haben, jede Gelegenheit zu
vermeiden, bei welcher er die wissenschaftlichen und literarischen Be¬
strebungen Münchens zur Kunde des Auslandes bringen könnte.
Also hatte doch der verstorbene A. Büffel mit seiner Klage Recht,
daß der Grund, warum die Münchner Poeten und Literaten auswärts
so wenig bekannt sind, hier in München selbst gesucht werden müsse.
Zuletzt nenne ich noch als ein nicht eben emsiges Mitglied dieses
Vereins den Maler W. Lindenschmitt, welcher auch im Norden
durch seine Gemälde in der Neuen Residenz, unter den Arkaden, im
Schlosse von Hohenschwangau u. s. w., namentlich aber durch sein
Freskobild an der Sentlinger Kirche bekannt ist. Er stellte darin
den Todeskampf der Oberländer Bauern gegen die österreichische Usur-
pation, oder die Mordweihnachten von I7V5 mit eindringlicher Leb¬
haftigkeit dar, hat auch diesen'heldenmüthigen Kampf, welcher sich
auf dem Sentlinger Kirchhofe, nach entsetzlicher Metzelei, mit dem
Untergänge der Gebirgsbewohner zu Gunsten der österreichischen re¬
gulären Uebermacht entschied, in einer Broschüre beschrieben, deren
zweitausend Exemplare starke Auflage bei Gelegenheit der Einweihung


Gesellschaft von solche», Charakter fehlen darf, indem die Anregung
zu mancherlei Festlichkeiten, wie noch erst jüngst die zur Herderfeier,
hauptsächlich von ihm auszugehen scheint. Auch ist er der allezeit
fertige Toastbringer und Festdichter, welcher mit gleicher Unparteilich¬
keit und Gewandtheit den Virtuosen Liszt und die Kunstgrößen Cor¬
nelius und Thorwaldsen besingt. Seine schriftstellerische Thätigkeit
ist übrigens erstaunlich, seine durch ausgebreitete Erfahrungen unter¬
stützte Technik und Virtuosität im kritischen Kunstfache außerordent¬
lich, und die Urtheile, die er mit einer gewissen Miene der Unfehl¬
barkeit ausspricht, scheinen ihm wie reife Pomeranzen von selbst in
den Schooß zu fallen. Ferner nimmt in diesem Kreise Fr. Beck,
der talentvolle Verfasser einer Sammlung wohllautender und theil¬
weise von tief katholischer Innigkeit erfüllter Gedichte, dadurch eine
hervorragende Stellung ein, daß er Redacteur der Münchner politi¬
schen Zeitung ist; oder vielmehr, er könnte diese hervorragende Stel¬
lung einnehmen, wenn der politische Theil der Zeitung, wenigstens
zum größeren Theil, aus Originalartikeln bestände, das Feuilleton
aber durchweg den höheren wissenschaftlichen und literarischen Inter¬
essen Münchens gewidmet wäre. Aber der Redacteur scheint es sich
im Gegentheil zur Aufgabe gemacht zu haben, jede Gelegenheit zu
vermeiden, bei welcher er die wissenschaftlichen und literarischen Be¬
strebungen Münchens zur Kunde des Auslandes bringen könnte.
Also hatte doch der verstorbene A. Büffel mit seiner Klage Recht,
daß der Grund, warum die Münchner Poeten und Literaten auswärts
so wenig bekannt sind, hier in München selbst gesucht werden müsse.
Zuletzt nenne ich noch als ein nicht eben emsiges Mitglied dieses
Vereins den Maler W. Lindenschmitt, welcher auch im Norden
durch seine Gemälde in der Neuen Residenz, unter den Arkaden, im
Schlosse von Hohenschwangau u. s. w., namentlich aber durch sein
Freskobild an der Sentlinger Kirche bekannt ist. Er stellte darin
den Todeskampf der Oberländer Bauern gegen die österreichische Usur-
pation, oder die Mordweihnachten von I7V5 mit eindringlicher Leb¬
haftigkeit dar, hat auch diesen'heldenmüthigen Kampf, welcher sich
auf dem Sentlinger Kirchhofe, nach entsetzlicher Metzelei, mit dem
Untergänge der Gebirgsbewohner zu Gunsten der österreichischen re¬
gulären Uebermacht entschied, in einer Broschüre beschrieben, deren
zweitausend Exemplare starke Auflage bei Gelegenheit der Einweihung


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[0556] Gesellschaft von solche», Charakter fehlen darf, indem die Anregung zu mancherlei Festlichkeiten, wie noch erst jüngst die zur Herderfeier, hauptsächlich von ihm auszugehen scheint. Auch ist er der allezeit fertige Toastbringer und Festdichter, welcher mit gleicher Unparteilich¬ keit und Gewandtheit den Virtuosen Liszt und die Kunstgrößen Cor¬ nelius und Thorwaldsen besingt. Seine schriftstellerische Thätigkeit ist übrigens erstaunlich, seine durch ausgebreitete Erfahrungen unter¬ stützte Technik und Virtuosität im kritischen Kunstfache außerordent¬ lich, und die Urtheile, die er mit einer gewissen Miene der Unfehl¬ barkeit ausspricht, scheinen ihm wie reife Pomeranzen von selbst in den Schooß zu fallen. Ferner nimmt in diesem Kreise Fr. Beck, der talentvolle Verfasser einer Sammlung wohllautender und theil¬ weise von tief katholischer Innigkeit erfüllter Gedichte, dadurch eine hervorragende Stellung ein, daß er Redacteur der Münchner politi¬ schen Zeitung ist; oder vielmehr, er könnte diese hervorragende Stel¬ lung einnehmen, wenn der politische Theil der Zeitung, wenigstens zum größeren Theil, aus Originalartikeln bestände, das Feuilleton aber durchweg den höheren wissenschaftlichen und literarischen Inter¬ essen Münchens gewidmet wäre. Aber der Redacteur scheint es sich im Gegentheil zur Aufgabe gemacht zu haben, jede Gelegenheit zu vermeiden, bei welcher er die wissenschaftlichen und literarischen Be¬ strebungen Münchens zur Kunde des Auslandes bringen könnte. Also hatte doch der verstorbene A. Büffel mit seiner Klage Recht, daß der Grund, warum die Münchner Poeten und Literaten auswärts so wenig bekannt sind, hier in München selbst gesucht werden müsse. Zuletzt nenne ich noch als ein nicht eben emsiges Mitglied dieses Vereins den Maler W. Lindenschmitt, welcher auch im Norden durch seine Gemälde in der Neuen Residenz, unter den Arkaden, im Schlosse von Hohenschwangau u. s. w., namentlich aber durch sein Freskobild an der Sentlinger Kirche bekannt ist. Er stellte darin den Todeskampf der Oberländer Bauern gegen die österreichische Usur- pation, oder die Mordweihnachten von I7V5 mit eindringlicher Leb¬ haftigkeit dar, hat auch diesen'heldenmüthigen Kampf, welcher sich auf dem Sentlinger Kirchhofe, nach entsetzlicher Metzelei, mit dem Untergänge der Gebirgsbewohner zu Gunsten der österreichischen re¬ gulären Uebermacht entschied, in einer Broschüre beschrieben, deren zweitausend Exemplare starke Auflage bei Gelegenheit der Einweihung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/556>, abgerufen am 23.07.2024.