Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.-- Ich hoffe das Beste, liebes Mädchen! sagte der Junker, Hinter der Stadt Asch ist ein, Thal, das so heimlich, so traut Die große Liebe meines Urahn zu seiner neuen Heimath pflanzte — Ich hoffe das Beste, liebes Mädchen! sagte der Junker, Hinter der Stadt Asch ist ein, Thal, das so heimlich, so traut Die große Liebe meines Urahn zu seiner neuen Heimath pflanzte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0532" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181091"/> <p xml:id="ID_1246"> — Ich hoffe das Beste, liebes Mädchen! sagte der Junker,<lb/> drückte ihre Hand und schritt auf das Schloß zu.</p><lb/> <p xml:id="ID_1247"> Hinter der Stadt Asch ist ein, Thal, das so heimlich, so traut<lb/> daliegt, daß man dort immer wohnen möchte. Jenseits des Thales<lb/> steigt allmälig ein Berg hinan, der große Fichten- und Tannenwal¬<lb/> dungen trägt, die sich weit ringsum in das Land hinein erstrecken.<lb/> Auf diesem Berge entspringt die Elfter, die als kleines Bächlein in<lb/> daS Thal herunterrollt und auf dem Wege sich mit vielen Quellen<lb/> vereinigt, so daß sie nicht weit von ihrem Ursprünge schon eine Mühle<lb/> treibt. In dieser Mühle war es, wo die rosige Magdalene, deS<lb/> Müllers einziges Kind, wohnte und wohl oft aus dem Fensterlein<lb/> hinüberlugte nach dem Forsthause, von dem jetzt freilich keine Spur<lb/> mehr zu sehen ist. Dem Junker Heinrich gefielen die grünen Bäume<lb/> im Walde weit mehr, als die steinernen Pfeiler in der Kirche, und<lb/> er mochte lieber seinem süßen Liebchen ein lustiges Waidmannslied-<lb/> lein singen, als der hölzernen Muttergottes einen langweiligen Cho-<lb/> ral. Seit er Magdalene zum ersten Male geküßt hatte, nannte er<lb/> sie seine Braut, und wie der Winter kam, wo man der Wärme be¬<lb/> darf, wurden sie Mann und Frau. Jedes Jahr, wenn die Störche<lb/> kamen, brachten sie in das einsame Forsthaus einen neuen Bewohner<lb/> mit, und Heinrich bereute es nicht, daß er dem Kloster entlaufen<lb/> war. Wenn er seine Kinder um sich spielen sah, so drückte «r oft<lb/> seine Magdalene an's Herz und sagte: So hast Du mich doch nicht<lb/> getäuscht, als Du mir versprachst, mich in das Himmelreich zu füh¬<lb/> ren, denn hier bin ich wirklich selig. Er nannte auch das Thal stets<lb/> das Himmelreich, und diesen Namen führt es noch bis auf den heu¬<lb/> tigen Tag. Die Elster kann sich also eines sehr hohen Ursprungs<lb/> rühmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1248" next="#ID_1249"> Die große Liebe meines Urahn zu seiner neuen Heimath pflanzte<lb/> sich auch auf seine Kinder fort, für welche dieses kleine Arkadien noch<lb/> den Reiz hatte, daß sie da geboren und groß geworden waren. Sie<lb/> blieben also Alle in ihrem stillen Thale. Auch die Enkel entfernten<lb/> sich nicht weit davon, sie wurden in der Nähe Förster, Schulmeister<lb/> und Pastoren. Ich selbst bin nur wenige Stunden vom Himmelreich<lb/> jung geworden; aber seit Jahrhunderten bin ich der Erste aus mei¬<lb/> ner Familie, den es mit einer unwiderstehlichen Gewalt in die Fremde<lb/> Hinaustrieb. Wenn ich im Herbste die Vögel südwärts ziehen sehe,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0532]
— Ich hoffe das Beste, liebes Mädchen! sagte der Junker,
drückte ihre Hand und schritt auf das Schloß zu.
Hinter der Stadt Asch ist ein, Thal, das so heimlich, so traut
daliegt, daß man dort immer wohnen möchte. Jenseits des Thales
steigt allmälig ein Berg hinan, der große Fichten- und Tannenwal¬
dungen trägt, die sich weit ringsum in das Land hinein erstrecken.
Auf diesem Berge entspringt die Elfter, die als kleines Bächlein in
daS Thal herunterrollt und auf dem Wege sich mit vielen Quellen
vereinigt, so daß sie nicht weit von ihrem Ursprünge schon eine Mühle
treibt. In dieser Mühle war es, wo die rosige Magdalene, deS
Müllers einziges Kind, wohnte und wohl oft aus dem Fensterlein
hinüberlugte nach dem Forsthause, von dem jetzt freilich keine Spur
mehr zu sehen ist. Dem Junker Heinrich gefielen die grünen Bäume
im Walde weit mehr, als die steinernen Pfeiler in der Kirche, und
er mochte lieber seinem süßen Liebchen ein lustiges Waidmannslied-
lein singen, als der hölzernen Muttergottes einen langweiligen Cho-
ral. Seit er Magdalene zum ersten Male geküßt hatte, nannte er
sie seine Braut, und wie der Winter kam, wo man der Wärme be¬
darf, wurden sie Mann und Frau. Jedes Jahr, wenn die Störche
kamen, brachten sie in das einsame Forsthaus einen neuen Bewohner
mit, und Heinrich bereute es nicht, daß er dem Kloster entlaufen
war. Wenn er seine Kinder um sich spielen sah, so drückte «r oft
seine Magdalene an's Herz und sagte: So hast Du mich doch nicht
getäuscht, als Du mir versprachst, mich in das Himmelreich zu füh¬
ren, denn hier bin ich wirklich selig. Er nannte auch das Thal stets
das Himmelreich, und diesen Namen führt es noch bis auf den heu¬
tigen Tag. Die Elster kann sich also eines sehr hohen Ursprungs
rühmen.
Die große Liebe meines Urahn zu seiner neuen Heimath pflanzte
sich auch auf seine Kinder fort, für welche dieses kleine Arkadien noch
den Reiz hatte, daß sie da geboren und groß geworden waren. Sie
blieben also Alle in ihrem stillen Thale. Auch die Enkel entfernten
sich nicht weit davon, sie wurden in der Nähe Förster, Schulmeister
und Pastoren. Ich selbst bin nur wenige Stunden vom Himmelreich
jung geworden; aber seit Jahrhunderten bin ich der Erste aus mei¬
ner Familie, den es mit einer unwiderstehlichen Gewalt in die Fremde
Hinaustrieb. Wenn ich im Herbste die Vögel südwärts ziehen sehe,
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