Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

bösen Nachreden das Maul zu stopfen und den gebräuchlichen Chi¬
canen und Schleichwegen die Thür zuzuschließen, -- dieses Vorrecht
dem Meistbietenden zu überlassen, und dieses edle Beispiel wurde
dann von den übrigen befolgt. Dies ist der Ursprung jener Lici-
tationen, von welchen selbst Civilisten nicht ausgeschlossen sind, ver¬
möge welcher die Marketendereien um hohen Zins, der oft bis
tausend Gulden beträgt, verpachtet wurden, und wodurch das Mit¬
tel, sich aufzuhelfen, einigen Individuen aus dem Militärstande ent¬
zogen wurde. -- Ist auf diesem Wege ein Civilist Kasernen¬
wirth geworden, so geht er meistens zu Grunde; denn um den ho¬
hen Zins zu erschwingen, kann derselbe bei guter Qualität seiner
Artikel keine billigeren Preise gegen auswärtige Wirthe machen, mit¬
hin ist schon der Zulauf bei guten Qualitäten getheilt, weil doch
Viele der billigere Preis vom Auslaufen aus der Kaserne abhielt;
bei gleichen Preisen aber zieht Jedermann vor, sein Geld außer dem
widerlichen Dunstkreise der Kaserne zu verzehren, wo man mehr un-
genirt ist und mehr Zerstreuung und Unterhaltung findet. Hält der
Kasernenwirth schlechte Qualität, so wird bei vorkommender Klage
der schlechte Artikel confiscire, und den Soldaten verboten, zu ihm zu
gehen. Mithin bleibt ihm nur die Wahl, so schnell als möglich zu
retiriren, oder in kurzer Zeit Bettler zu werden. Hat dagegen ein
Militär die Marketendern erstanden, so hat derselbe hinsichtlich der
Qualität seiner Artikel weniger Rigorosität zu befürchten, und es wird
auch jederzeit mit mehr Strenge darauf gesehen, daß von Außen keine
Einschwärzungen an Getränken und Eßwaaren überHand nehmen, auch
werden die Soldaten direct durch Kasernenarrest zu fleißigerem Be¬
such djs Kasernenwirthes gezwungen; demungeachtet gelingt es Ei¬
nem bei aller Klugheit und Industrie aber äußerst selten, da - seine
Unternehmung mit Vortheil ablaufe. -- Statt daß also der von hö¬
heren Orten concedirte Kasernenausschank dem Soldaten zum Vor¬
theil und Nutzen gereichen sollte, ist ihm derselbe unheilbringend. Will
derselbe etwas außer der Kaserne zum Essen oder zum Trinken holen
lassen, so muß es heimlich geschehen, und wenn es auch nicht ver¬
boten wäre, so hat der Marketender kraft seines Einflusses immer eine
Partei für sich und kann daher einen solchen Schmuggler mittelbar
chicaniren. Ist der Marketender ein Unteroffizier, und der Soldat
geht nicht zu ihm zehren, so ist er demselben ohnehin aussäßig, und


bösen Nachreden das Maul zu stopfen und den gebräuchlichen Chi¬
canen und Schleichwegen die Thür zuzuschließen, — dieses Vorrecht
dem Meistbietenden zu überlassen, und dieses edle Beispiel wurde
dann von den übrigen befolgt. Dies ist der Ursprung jener Lici-
tationen, von welchen selbst Civilisten nicht ausgeschlossen sind, ver¬
möge welcher die Marketendereien um hohen Zins, der oft bis
tausend Gulden beträgt, verpachtet wurden, und wodurch das Mit¬
tel, sich aufzuhelfen, einigen Individuen aus dem Militärstande ent¬
zogen wurde. — Ist auf diesem Wege ein Civilist Kasernen¬
wirth geworden, so geht er meistens zu Grunde; denn um den ho¬
hen Zins zu erschwingen, kann derselbe bei guter Qualität seiner
Artikel keine billigeren Preise gegen auswärtige Wirthe machen, mit¬
hin ist schon der Zulauf bei guten Qualitäten getheilt, weil doch
Viele der billigere Preis vom Auslaufen aus der Kaserne abhielt;
bei gleichen Preisen aber zieht Jedermann vor, sein Geld außer dem
widerlichen Dunstkreise der Kaserne zu verzehren, wo man mehr un-
genirt ist und mehr Zerstreuung und Unterhaltung findet. Hält der
Kasernenwirth schlechte Qualität, so wird bei vorkommender Klage
der schlechte Artikel confiscire, und den Soldaten verboten, zu ihm zu
gehen. Mithin bleibt ihm nur die Wahl, so schnell als möglich zu
retiriren, oder in kurzer Zeit Bettler zu werden. Hat dagegen ein
Militär die Marketendern erstanden, so hat derselbe hinsichtlich der
Qualität seiner Artikel weniger Rigorosität zu befürchten, und es wird
auch jederzeit mit mehr Strenge darauf gesehen, daß von Außen keine
Einschwärzungen an Getränken und Eßwaaren überHand nehmen, auch
werden die Soldaten direct durch Kasernenarrest zu fleißigerem Be¬
such djs Kasernenwirthes gezwungen; demungeachtet gelingt es Ei¬
nem bei aller Klugheit und Industrie aber äußerst selten, da - seine
Unternehmung mit Vortheil ablaufe. — Statt daß also der von hö¬
heren Orten concedirte Kasernenausschank dem Soldaten zum Vor¬
theil und Nutzen gereichen sollte, ist ihm derselbe unheilbringend. Will
derselbe etwas außer der Kaserne zum Essen oder zum Trinken holen
lassen, so muß es heimlich geschehen, und wenn es auch nicht ver¬
boten wäre, so hat der Marketender kraft seines Einflusses immer eine
Partei für sich und kann daher einen solchen Schmuggler mittelbar
chicaniren. Ist der Marketender ein Unteroffizier, und der Soldat
geht nicht zu ihm zehren, so ist er demselben ohnehin aussäßig, und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181028"/>
            <p xml:id="ID_1102" prev="#ID_1101" next="#ID_1103"> bösen Nachreden das Maul zu stopfen und den gebräuchlichen Chi¬<lb/>
canen und Schleichwegen die Thür zuzuschließen, &#x2014; dieses Vorrecht<lb/>
dem Meistbietenden zu überlassen, und dieses edle Beispiel wurde<lb/>
dann von den übrigen befolgt. Dies ist der Ursprung jener Lici-<lb/>
tationen, von welchen selbst Civilisten nicht ausgeschlossen sind, ver¬<lb/>
möge welcher die Marketendereien um hohen Zins, der oft bis<lb/>
tausend Gulden beträgt, verpachtet wurden, und wodurch das Mit¬<lb/>
tel, sich aufzuhelfen, einigen Individuen aus dem Militärstande ent¬<lb/>
zogen wurde. &#x2014; Ist auf diesem Wege ein Civilist Kasernen¬<lb/>
wirth geworden, so geht er meistens zu Grunde; denn um den ho¬<lb/>
hen Zins zu erschwingen, kann derselbe bei guter Qualität seiner<lb/>
Artikel keine billigeren Preise gegen auswärtige Wirthe machen, mit¬<lb/>
hin ist schon der Zulauf bei guten Qualitäten getheilt, weil doch<lb/>
Viele der billigere Preis vom Auslaufen aus der Kaserne abhielt;<lb/>
bei gleichen Preisen aber zieht Jedermann vor, sein Geld außer dem<lb/>
widerlichen Dunstkreise der Kaserne zu verzehren, wo man mehr un-<lb/>
genirt ist und mehr Zerstreuung und Unterhaltung findet. Hält der<lb/>
Kasernenwirth schlechte Qualität, so wird bei vorkommender Klage<lb/>
der schlechte Artikel confiscire, und den Soldaten verboten, zu ihm zu<lb/>
gehen. Mithin bleibt ihm nur die Wahl, so schnell als möglich zu<lb/>
retiriren, oder in kurzer Zeit Bettler zu werden. Hat dagegen ein<lb/>
Militär die Marketendern erstanden, so hat derselbe hinsichtlich der<lb/>
Qualität seiner Artikel weniger Rigorosität zu befürchten, und es wird<lb/>
auch jederzeit mit mehr Strenge darauf gesehen, daß von Außen keine<lb/>
Einschwärzungen an Getränken und Eßwaaren überHand nehmen, auch<lb/>
werden die Soldaten direct durch Kasernenarrest zu fleißigerem Be¬<lb/>
such djs Kasernenwirthes gezwungen; demungeachtet gelingt es Ei¬<lb/>
nem bei aller Klugheit und Industrie aber äußerst selten, da - seine<lb/>
Unternehmung mit Vortheil ablaufe. &#x2014; Statt daß also der von hö¬<lb/>
heren Orten concedirte Kasernenausschank dem Soldaten zum Vor¬<lb/>
theil und Nutzen gereichen sollte, ist ihm derselbe unheilbringend. Will<lb/>
derselbe etwas außer der Kaserne zum Essen oder zum Trinken holen<lb/>
lassen, so muß es heimlich geschehen, und wenn es auch nicht ver¬<lb/>
boten wäre, so hat der Marketender kraft seines Einflusses immer eine<lb/>
Partei für sich und kann daher einen solchen Schmuggler mittelbar<lb/>
chicaniren. Ist der Marketender ein Unteroffizier, und der Soldat<lb/>
geht nicht zu ihm zehren, so ist er demselben ohnehin aussäßig, und</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0469] bösen Nachreden das Maul zu stopfen und den gebräuchlichen Chi¬ canen und Schleichwegen die Thür zuzuschließen, — dieses Vorrecht dem Meistbietenden zu überlassen, und dieses edle Beispiel wurde dann von den übrigen befolgt. Dies ist der Ursprung jener Lici- tationen, von welchen selbst Civilisten nicht ausgeschlossen sind, ver¬ möge welcher die Marketendereien um hohen Zins, der oft bis tausend Gulden beträgt, verpachtet wurden, und wodurch das Mit¬ tel, sich aufzuhelfen, einigen Individuen aus dem Militärstande ent¬ zogen wurde. — Ist auf diesem Wege ein Civilist Kasernen¬ wirth geworden, so geht er meistens zu Grunde; denn um den ho¬ hen Zins zu erschwingen, kann derselbe bei guter Qualität seiner Artikel keine billigeren Preise gegen auswärtige Wirthe machen, mit¬ hin ist schon der Zulauf bei guten Qualitäten getheilt, weil doch Viele der billigere Preis vom Auslaufen aus der Kaserne abhielt; bei gleichen Preisen aber zieht Jedermann vor, sein Geld außer dem widerlichen Dunstkreise der Kaserne zu verzehren, wo man mehr un- genirt ist und mehr Zerstreuung und Unterhaltung findet. Hält der Kasernenwirth schlechte Qualität, so wird bei vorkommender Klage der schlechte Artikel confiscire, und den Soldaten verboten, zu ihm zu gehen. Mithin bleibt ihm nur die Wahl, so schnell als möglich zu retiriren, oder in kurzer Zeit Bettler zu werden. Hat dagegen ein Militär die Marketendern erstanden, so hat derselbe hinsichtlich der Qualität seiner Artikel weniger Rigorosität zu befürchten, und es wird auch jederzeit mit mehr Strenge darauf gesehen, daß von Außen keine Einschwärzungen an Getränken und Eßwaaren überHand nehmen, auch werden die Soldaten direct durch Kasernenarrest zu fleißigerem Be¬ such djs Kasernenwirthes gezwungen; demungeachtet gelingt es Ei¬ nem bei aller Klugheit und Industrie aber äußerst selten, da - seine Unternehmung mit Vortheil ablaufe. — Statt daß also der von hö¬ heren Orten concedirte Kasernenausschank dem Soldaten zum Vor¬ theil und Nutzen gereichen sollte, ist ihm derselbe unheilbringend. Will derselbe etwas außer der Kaserne zum Essen oder zum Trinken holen lassen, so muß es heimlich geschehen, und wenn es auch nicht ver¬ boten wäre, so hat der Marketender kraft seines Einflusses immer eine Partei für sich und kann daher einen solchen Schmuggler mittelbar chicaniren. Ist der Marketender ein Unteroffizier, und der Soldat geht nicht zu ihm zehren, so ist er demselben ohnehin aussäßig, und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/469
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/469>, abgerufen am 23.07.2024.