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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Boden, die sie nicht behaupten konnten, um ihre geringen Ersparnisse
kamen, und erinnert sich an die Worte deö einen der Herren Zwan¬
ziger, womit er die demüthige Vorstellung der Weber gegen aber¬
malige Herabdrückung der Arbeitslöhne beantwortete, so kann man
wohl darin den zündenden Funken erblicken, der in das Pulverfaß
fiel. "Freßt Gras und Klee, das ist draußen reichlich gewachsen!"
So lautete das Verdammungsurtheil der Armen, und es mag in
den Annalen unserer Provinz aufbewahrt bleiben, wie es in der
Marseillaise der Weber steht. Wahrscheinlich ist, daß einige kräftige,
intelligente Naturen unter ihnen die allgemeine Stimmung lange vor¬
her bearbeiteten, ehe das Volksgericht über die harten Fabrikherren
und insbesondere über die Herren Zwanziger wirklich ausbrach. Ge¬
wiß aber ist, zufolge der Untersuchung, daß kein fremder Einfluß, keine
communistische Theorie in das Eulengebirge drang und an dem
Aufstande Theil hatte.

Die ultillm rutio rexum hat für jetzt mit den letzten Demon-
strationen zweier Haubitzen auch den Weberaufstand gedämpft. Aber
das Hungergespenst, das wie sonst drohend über die Berge und durch
die Thäler schleicht, dürfte sich nicht immer so rasch beschwören lassen,
da auf die Sympathien von Millionen zu rechnen ist. -- Eine mög¬
lichst rasche Zerstreuung und anderweitige Beschäftigung der allzu
dicht gedrängten Webermassen, welche die Speculation seit Jahren
heranzog, ist die nächste unabweisliche Aufgabe der Regierung, wobei
sie sich von den wohlthätigen Vereinen zur Abhilfe der Weber- und
Spinnernoth sicher kräftig unterstützt sehen wird. Wir rechnen hier¬
her als zweckmäßig die Einleitung von Kolonisationen und die Er¬
richtung eigener Arbeitshäuser, welche mit den Fabriken in möglichste
Concurrenz zu treten suchen. Ein eigenes Gewerbegcsetz für die
Weber diene aber als Palliativmittel gegen ähnliche Zustände der
Zukunft. Diese würden mit einem neuen Aufschwünge der Handels¬
verhältnisse für Baumwollenzeuge gewiß wieder eintreten, und nach
einem Lustrum vielleicht, sobald die üblen Conjuncturen sich wieder¬
holten, auch eine Wiederholung des düsteren Dramas herbeiführen,
jm Fall dies Gesetz unterbleibt. Es schreibe eine feste Gewerböord-
nung vor: eine mehrjährige Lehrzeit zuerst, die mit vierzehn Jahren
angetreten wird, dann einige Wanderjahre und endlich ein angemes¬
senes Verhältniß der Gesellen zu den Meistern, eine bestimmte Kur-


Boden, die sie nicht behaupten konnten, um ihre geringen Ersparnisse
kamen, und erinnert sich an die Worte deö einen der Herren Zwan¬
ziger, womit er die demüthige Vorstellung der Weber gegen aber¬
malige Herabdrückung der Arbeitslöhne beantwortete, so kann man
wohl darin den zündenden Funken erblicken, der in das Pulverfaß
fiel. „Freßt Gras und Klee, das ist draußen reichlich gewachsen!"
So lautete das Verdammungsurtheil der Armen, und es mag in
den Annalen unserer Provinz aufbewahrt bleiben, wie es in der
Marseillaise der Weber steht. Wahrscheinlich ist, daß einige kräftige,
intelligente Naturen unter ihnen die allgemeine Stimmung lange vor¬
her bearbeiteten, ehe das Volksgericht über die harten Fabrikherren
und insbesondere über die Herren Zwanziger wirklich ausbrach. Ge¬
wiß aber ist, zufolge der Untersuchung, daß kein fremder Einfluß, keine
communistische Theorie in das Eulengebirge drang und an dem
Aufstande Theil hatte.

Die ultillm rutio rexum hat für jetzt mit den letzten Demon-
strationen zweier Haubitzen auch den Weberaufstand gedämpft. Aber
das Hungergespenst, das wie sonst drohend über die Berge und durch
die Thäler schleicht, dürfte sich nicht immer so rasch beschwören lassen,
da auf die Sympathien von Millionen zu rechnen ist. — Eine mög¬
lichst rasche Zerstreuung und anderweitige Beschäftigung der allzu
dicht gedrängten Webermassen, welche die Speculation seit Jahren
heranzog, ist die nächste unabweisliche Aufgabe der Regierung, wobei
sie sich von den wohlthätigen Vereinen zur Abhilfe der Weber- und
Spinnernoth sicher kräftig unterstützt sehen wird. Wir rechnen hier¬
her als zweckmäßig die Einleitung von Kolonisationen und die Er¬
richtung eigener Arbeitshäuser, welche mit den Fabriken in möglichste
Concurrenz zu treten suchen. Ein eigenes Gewerbegcsetz für die
Weber diene aber als Palliativmittel gegen ähnliche Zustände der
Zukunft. Diese würden mit einem neuen Aufschwünge der Handels¬
verhältnisse für Baumwollenzeuge gewiß wieder eintreten, und nach
einem Lustrum vielleicht, sobald die üblen Conjuncturen sich wieder¬
holten, auch eine Wiederholung des düsteren Dramas herbeiführen,
jm Fall dies Gesetz unterbleibt. Es schreibe eine feste Gewerböord-
nung vor: eine mehrjährige Lehrzeit zuerst, die mit vierzehn Jahren
angetreten wird, dann einige Wanderjahre und endlich ein angemes¬
senes Verhältniß der Gesellen zu den Meistern, eine bestimmte Kur-


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[0461] Boden, die sie nicht behaupten konnten, um ihre geringen Ersparnisse kamen, und erinnert sich an die Worte deö einen der Herren Zwan¬ ziger, womit er die demüthige Vorstellung der Weber gegen aber¬ malige Herabdrückung der Arbeitslöhne beantwortete, so kann man wohl darin den zündenden Funken erblicken, der in das Pulverfaß fiel. „Freßt Gras und Klee, das ist draußen reichlich gewachsen!" So lautete das Verdammungsurtheil der Armen, und es mag in den Annalen unserer Provinz aufbewahrt bleiben, wie es in der Marseillaise der Weber steht. Wahrscheinlich ist, daß einige kräftige, intelligente Naturen unter ihnen die allgemeine Stimmung lange vor¬ her bearbeiteten, ehe das Volksgericht über die harten Fabrikherren und insbesondere über die Herren Zwanziger wirklich ausbrach. Ge¬ wiß aber ist, zufolge der Untersuchung, daß kein fremder Einfluß, keine communistische Theorie in das Eulengebirge drang und an dem Aufstande Theil hatte. Die ultillm rutio rexum hat für jetzt mit den letzten Demon- strationen zweier Haubitzen auch den Weberaufstand gedämpft. Aber das Hungergespenst, das wie sonst drohend über die Berge und durch die Thäler schleicht, dürfte sich nicht immer so rasch beschwören lassen, da auf die Sympathien von Millionen zu rechnen ist. — Eine mög¬ lichst rasche Zerstreuung und anderweitige Beschäftigung der allzu dicht gedrängten Webermassen, welche die Speculation seit Jahren heranzog, ist die nächste unabweisliche Aufgabe der Regierung, wobei sie sich von den wohlthätigen Vereinen zur Abhilfe der Weber- und Spinnernoth sicher kräftig unterstützt sehen wird. Wir rechnen hier¬ her als zweckmäßig die Einleitung von Kolonisationen und die Er¬ richtung eigener Arbeitshäuser, welche mit den Fabriken in möglichste Concurrenz zu treten suchen. Ein eigenes Gewerbegcsetz für die Weber diene aber als Palliativmittel gegen ähnliche Zustände der Zukunft. Diese würden mit einem neuen Aufschwünge der Handels¬ verhältnisse für Baumwollenzeuge gewiß wieder eintreten, und nach einem Lustrum vielleicht, sobald die üblen Conjuncturen sich wieder¬ holten, auch eine Wiederholung des düsteren Dramas herbeiführen, jm Fall dies Gesetz unterbleibt. Es schreibe eine feste Gewerböord- nung vor: eine mehrjährige Lehrzeit zuerst, die mit vierzehn Jahren angetreten wird, dann einige Wanderjahre und endlich ein angemes¬ senes Verhältniß der Gesellen zu den Meistern, eine bestimmte Kur-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/461>, abgerufen am 23.12.2024.