Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band. Der Zweite d'reins: Bringst Du'S dem Vaterlande, So trink ich nicht, ich tränke meine Schande Denn Jakobs Same ist ein fliegend Laub, Und faßt nicht Wurzel in der Knechtschaft Staub. Dem Dritten starrt die Lipp' am Becherrande, Er fragt sich still: "Trink ich dem Vaterlande? "Lebt Polen noch? Ist es gestorben schon? "Bin ich wie die ein mutterloser Sohn?" 2. Was soll das co'ge Singen, darob kein Fürst erröthet? Ihr habt mit allen Liedern noch keinen Traum getödtet. Ihr habt wie Kinderleichen die Klagen hingestreut, Es hat d'rob keine Herrschgier am Weg zmückgescheu't. Wohl dringt Dein Lied, o Deutscher, aus tiefster Herzenskammer, Ein Fürstenherz zu sprengen, ist's nicht der rechte Hammer. Wohl ist's ein heiliges Feuer, das Dich zu singen drängt, Doch an dem Haupt des Drachen hat's noch kein Haar versengt. Du wirst mit schönen Worten lang keine Thaten säen, Du reich an lahmen Führern, doch dürftig an Tyrtäen, So klingt Dein Lied nach Freiheit, als wie ein Liebesbrief Nach einem gelten Weibe, das Deinem Arm entlief. Du wußtest nicht die Freiheit echt männlich fest zu halten, Bei Worten nur und Worten mußt' ihre Lieb erkalten; Das glüh'ndste Weib erkaltet, wo Nichts als Liebeöschwur, Du mußt eS heiß umfassen, und es nicht lieben nur. Ein Freiheitslied mag klingen zum Sturze von Bastillen, Als Requiescat schließ es des Zwingherrn letzten Willen. Der Zweite d'reins: Bringst Du'S dem Vaterlande, So trink ich nicht, ich tränke meine Schande Denn Jakobs Same ist ein fliegend Laub, Und faßt nicht Wurzel in der Knechtschaft Staub. Dem Dritten starrt die Lipp' am Becherrande, Er fragt sich still: „Trink ich dem Vaterlande? „Lebt Polen noch? Ist es gestorben schon? „Bin ich wie die ein mutterloser Sohn?" 2. Was soll das co'ge Singen, darob kein Fürst erröthet? Ihr habt mit allen Liedern noch keinen Traum getödtet. Ihr habt wie Kinderleichen die Klagen hingestreut, Es hat d'rob keine Herrschgier am Weg zmückgescheu't. Wohl dringt Dein Lied, o Deutscher, aus tiefster Herzenskammer, Ein Fürstenherz zu sprengen, ist's nicht der rechte Hammer. Wohl ist's ein heiliges Feuer, das Dich zu singen drängt, Doch an dem Haupt des Drachen hat's noch kein Haar versengt. Du wirst mit schönen Worten lang keine Thaten säen, Du reich an lahmen Führern, doch dürftig an Tyrtäen, So klingt Dein Lied nach Freiheit, als wie ein Liebesbrief Nach einem gelten Weibe, das Deinem Arm entlief. Du wußtest nicht die Freiheit echt männlich fest zu halten, Bei Worten nur und Worten mußt' ihre Lieb erkalten; Das glüh'ndste Weib erkaltet, wo Nichts als Liebeöschwur, Du mußt eS heiß umfassen, und es nicht lieben nur. Ein Freiheitslied mag klingen zum Sturze von Bastillen, Als Requiescat schließ es des Zwingherrn letzten Willen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180987"/> <lg xml:id="POEMID_16" type="poem"> <l> Der Zweite d'reins: Bringst Du'S dem Vaterlande,<lb/> So trink ich nicht, ich tränke meine Schande<lb/> Denn Jakobs Same ist ein fliegend Laub,<lb/> Und faßt nicht Wurzel in der Knechtschaft Staub.</l> <l> Dem Dritten starrt die Lipp' am Becherrande,<lb/> Er fragt sich still: „Trink ich dem Vaterlande?<lb/> „Lebt Polen noch? Ist es gestorben schon?<lb/> „Bin ich wie die ein mutterloser Sohn?"</l> </lg><lb/> </div> <note type="pt"> An die deutschen Frciheitodichter.</note> <div n="2"> <head> 2.</head><lb/> <lg xml:id="POEMID_17" type="poem"> <l> Was soll das co'ge Singen, darob kein Fürst erröthet?<lb/> Ihr habt mit allen Liedern noch keinen Traum getödtet.<lb/> Ihr habt wie Kinderleichen die Klagen hingestreut,<lb/> Es hat d'rob keine Herrschgier am Weg zmückgescheu't.</l> <l> Wohl dringt Dein Lied, o Deutscher, aus tiefster Herzenskammer,<lb/> Ein Fürstenherz zu sprengen, ist's nicht der rechte Hammer.<lb/> Wohl ist's ein heiliges Feuer, das Dich zu singen drängt,<lb/> Doch an dem Haupt des Drachen hat's noch kein Haar versengt.</l> <l> Du wirst mit schönen Worten lang keine Thaten säen,<lb/> Du reich an lahmen Führern, doch dürftig an Tyrtäen,<lb/> So klingt Dein Lied nach Freiheit, als wie ein Liebesbrief<lb/> Nach einem gelten Weibe, das Deinem Arm entlief.</l> <l> Du wußtest nicht die Freiheit echt männlich fest zu halten,<lb/> Bei Worten nur und Worten mußt' ihre Lieb erkalten;<lb/> Das glüh'ndste Weib erkaltet, wo Nichts als Liebeöschwur,<lb/> Du mußt eS heiß umfassen, und es nicht lieben nur.</l> <l> Ein Freiheitslied mag klingen zum Sturze von Bastillen,<lb/> Als Requiescat schließ es des Zwingherrn letzten Willen.</l> </lg><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0428]
Der Zweite d'reins: Bringst Du'S dem Vaterlande,
So trink ich nicht, ich tränke meine Schande
Denn Jakobs Same ist ein fliegend Laub,
Und faßt nicht Wurzel in der Knechtschaft Staub. Dem Dritten starrt die Lipp' am Becherrande,
Er fragt sich still: „Trink ich dem Vaterlande?
„Lebt Polen noch? Ist es gestorben schon?
„Bin ich wie die ein mutterloser Sohn?"
An die deutschen Frciheitodichter. 2.
Was soll das co'ge Singen, darob kein Fürst erröthet?
Ihr habt mit allen Liedern noch keinen Traum getödtet.
Ihr habt wie Kinderleichen die Klagen hingestreut,
Es hat d'rob keine Herrschgier am Weg zmückgescheu't. Wohl dringt Dein Lied, o Deutscher, aus tiefster Herzenskammer,
Ein Fürstenherz zu sprengen, ist's nicht der rechte Hammer.
Wohl ist's ein heiliges Feuer, das Dich zu singen drängt,
Doch an dem Haupt des Drachen hat's noch kein Haar versengt. Du wirst mit schönen Worten lang keine Thaten säen,
Du reich an lahmen Führern, doch dürftig an Tyrtäen,
So klingt Dein Lied nach Freiheit, als wie ein Liebesbrief
Nach einem gelten Weibe, das Deinem Arm entlief. Du wußtest nicht die Freiheit echt männlich fest zu halten,
Bei Worten nur und Worten mußt' ihre Lieb erkalten;
Das glüh'ndste Weib erkaltet, wo Nichts als Liebeöschwur,
Du mußt eS heiß umfassen, und es nicht lieben nur. Ein Freiheitslied mag klingen zum Sturze von Bastillen,
Als Requiescat schließ es des Zwingherrn letzten Willen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |