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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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aristvkratie repräsentirt worden wäre, eben so wenig läßt es sich aber
auch läugnen, daß ein solches Beispiel von übler Influenz erschien,
und Banquiers von angesehenen Handelsplätzen, wie z. B. von Ham¬
burg, Frankfurt, Berlin, machten nicht selten mißliebige Bemerkungen
über die sich in Wien immer mehr verbreitende Sucht, in Pracht
der Paläste und Villen, der Carossen und Livreen, der Diners und
FStcn, mit den angesehensten adeligen Häusern zu wetteifern. Be¬
denklicher schüttelten aber noch die besonneneren der inländischen Ge¬
schäftsmänner darüber den Kopf, daß jede noch so wenig auf festen
Grund basirte Spekulation, jede noch so wenig auf den Flor des,
Vaterlandes abgesehene Unternehmung einen unerschütterlichen Stütz¬
punkt in der Leichtigkeit fand, womit die sogenannte Wechselrei¬
terei ohne Rücksicht des ihr zum Grunde liegenden Zweckes in
Ausübung gebracht werden konnte. Galt es heute einen Schwindel
in Baumwolle oder morgen eine forcirte Manusacturthätigkeit hervor¬
zurufen, hier eine den Nationalinteressen ganz fremde Eisenbahmm-
ternehmung zu begründen, oder dort eine wechselseitige Assemranz
für morsche Mercantileristenzen zu schaffen: immer war die Wünsche!-
ruthe bei der Hand, -- die Feder, welche in zwei oder drei Hände
übergehend mit wenigen Zügen die Geldquellen herbeibeschwor, die
zum nicht zu versiegenden Strom herangewachsen schienen. Man
pflegt wohl solche nicht auf eigentliches Mercantilbedürfniß begrün¬
dete Wechsel spottweise Keller-Wechsel zu nennen, und da deren An¬
zahl sich lavinenartig in der Bank vermehrte, so kam es bald, daß
die Bank mehr Kellerwechsel als volle Geldkeller hatte, -- indem
Wechsel, welche die vereinten Unterschriften der ersten Banquiers, oder
derjenigen, die als solche galten, an sich trugen, füglich nicht zurück¬
zuweisen schienen, insofern die vorgezeichneten Modalitäten dabei
beobachtet blieben. Daher die achtunddreißig Millionen im Porte¬
feuille der Bank, -- daher aber auch die weiterhin gerügten Uebel¬
stände, lune ni-lo I-tcrimiie! Wohin gelangen wir denn, wenn das
so weiter geht? fragten eben die Bedächtigem-"-), unbekümmert, daß
die Anderen sie höhnisch belächelten. Am Ende wäre ja jeder Schwin¬
del, jeder noch so aus der Lust gegriffene Einfall, gleich einer Despoten-



*) Und zur Wahrung der Ehre und Unabhängigkeit des Bankinstituts
Berufenen.

aristvkratie repräsentirt worden wäre, eben so wenig läßt es sich aber
auch läugnen, daß ein solches Beispiel von übler Influenz erschien,
und Banquiers von angesehenen Handelsplätzen, wie z. B. von Ham¬
burg, Frankfurt, Berlin, machten nicht selten mißliebige Bemerkungen
über die sich in Wien immer mehr verbreitende Sucht, in Pracht
der Paläste und Villen, der Carossen und Livreen, der Diners und
FStcn, mit den angesehensten adeligen Häusern zu wetteifern. Be¬
denklicher schüttelten aber noch die besonneneren der inländischen Ge¬
schäftsmänner darüber den Kopf, daß jede noch so wenig auf festen
Grund basirte Spekulation, jede noch so wenig auf den Flor des,
Vaterlandes abgesehene Unternehmung einen unerschütterlichen Stütz¬
punkt in der Leichtigkeit fand, womit die sogenannte Wechselrei¬
terei ohne Rücksicht des ihr zum Grunde liegenden Zweckes in
Ausübung gebracht werden konnte. Galt es heute einen Schwindel
in Baumwolle oder morgen eine forcirte Manusacturthätigkeit hervor¬
zurufen, hier eine den Nationalinteressen ganz fremde Eisenbahmm-
ternehmung zu begründen, oder dort eine wechselseitige Assemranz
für morsche Mercantileristenzen zu schaffen: immer war die Wünsche!-
ruthe bei der Hand, — die Feder, welche in zwei oder drei Hände
übergehend mit wenigen Zügen die Geldquellen herbeibeschwor, die
zum nicht zu versiegenden Strom herangewachsen schienen. Man
pflegt wohl solche nicht auf eigentliches Mercantilbedürfniß begrün¬
dete Wechsel spottweise Keller-Wechsel zu nennen, und da deren An¬
zahl sich lavinenartig in der Bank vermehrte, so kam es bald, daß
die Bank mehr Kellerwechsel als volle Geldkeller hatte, — indem
Wechsel, welche die vereinten Unterschriften der ersten Banquiers, oder
derjenigen, die als solche galten, an sich trugen, füglich nicht zurück¬
zuweisen schienen, insofern die vorgezeichneten Modalitäten dabei
beobachtet blieben. Daher die achtunddreißig Millionen im Porte¬
feuille der Bank, — daher aber auch die weiterhin gerügten Uebel¬
stände, lune ni-lo I-tcrimiie! Wohin gelangen wir denn, wenn das
so weiter geht? fragten eben die Bedächtigem-«-), unbekümmert, daß
die Anderen sie höhnisch belächelten. Am Ende wäre ja jeder Schwin¬
del, jeder noch so aus der Lust gegriffene Einfall, gleich einer Despoten-



*) Und zur Wahrung der Ehre und Unabhängigkeit des Bankinstituts
Berufenen.
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[0418] aristvkratie repräsentirt worden wäre, eben so wenig läßt es sich aber auch läugnen, daß ein solches Beispiel von übler Influenz erschien, und Banquiers von angesehenen Handelsplätzen, wie z. B. von Ham¬ burg, Frankfurt, Berlin, machten nicht selten mißliebige Bemerkungen über die sich in Wien immer mehr verbreitende Sucht, in Pracht der Paläste und Villen, der Carossen und Livreen, der Diners und FStcn, mit den angesehensten adeligen Häusern zu wetteifern. Be¬ denklicher schüttelten aber noch die besonneneren der inländischen Ge¬ schäftsmänner darüber den Kopf, daß jede noch so wenig auf festen Grund basirte Spekulation, jede noch so wenig auf den Flor des, Vaterlandes abgesehene Unternehmung einen unerschütterlichen Stütz¬ punkt in der Leichtigkeit fand, womit die sogenannte Wechselrei¬ terei ohne Rücksicht des ihr zum Grunde liegenden Zweckes in Ausübung gebracht werden konnte. Galt es heute einen Schwindel in Baumwolle oder morgen eine forcirte Manusacturthätigkeit hervor¬ zurufen, hier eine den Nationalinteressen ganz fremde Eisenbahmm- ternehmung zu begründen, oder dort eine wechselseitige Assemranz für morsche Mercantileristenzen zu schaffen: immer war die Wünsche!- ruthe bei der Hand, — die Feder, welche in zwei oder drei Hände übergehend mit wenigen Zügen die Geldquellen herbeibeschwor, die zum nicht zu versiegenden Strom herangewachsen schienen. Man pflegt wohl solche nicht auf eigentliches Mercantilbedürfniß begrün¬ dete Wechsel spottweise Keller-Wechsel zu nennen, und da deren An¬ zahl sich lavinenartig in der Bank vermehrte, so kam es bald, daß die Bank mehr Kellerwechsel als volle Geldkeller hatte, — indem Wechsel, welche die vereinten Unterschriften der ersten Banquiers, oder derjenigen, die als solche galten, an sich trugen, füglich nicht zurück¬ zuweisen schienen, insofern die vorgezeichneten Modalitäten dabei beobachtet blieben. Daher die achtunddreißig Millionen im Porte¬ feuille der Bank, — daher aber auch die weiterhin gerügten Uebel¬ stände, lune ni-lo I-tcrimiie! Wohin gelangen wir denn, wenn das so weiter geht? fragten eben die Bedächtigem-«-), unbekümmert, daß die Anderen sie höhnisch belächelten. Am Ende wäre ja jeder Schwin¬ del, jeder noch so aus der Lust gegriffene Einfall, gleich einer Despoten- *) Und zur Wahrung der Ehre und Unabhängigkeit des Bankinstituts Berufenen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/418>, abgerufen am 23.07.2024.