Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.dene Sprache mußte also, um sich vom Pvbelthum der alltäglichen Grcnzbottn INi/.. II. 5
dene Sprache mußte also, um sich vom Pvbelthum der alltäglichen Grcnzbottn INi/.. II. 5
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0041" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180600"/> <p xml:id="ID_68" prev="#ID_67" next="#ID_69"> dene Sprache mußte also, um sich vom Pvbelthum der alltäglichen<lb/> Redeweise zu unterscheiden, die Worte in einem andern Sinne ge¬<lb/> brauchen — ihnen neue Bildung verleihen oder, wo dies nicht thun¬<lb/> lich war, die fremden Sprachen als Surrogat in Anspruch nehmen-<lb/> In solchen Dingen aber ist die Thatsache das einzig Entscheidende?<lb/> wird diese verlassen, so ist der Willkür Thor und Thür geöffnet<lb/> Man begann demgemäß auch in der That ein wirres Spiel, ein<lb/> deutelndes Drehen und Wenden der Worte und baute darauf -5<lb/> aus Wortklang und Wortähnlichkeit gar oft — Beweise. Es hat<lb/> die Willkür aber und der geheimnißvolle mysteriöse Anstrich solchen<lb/> Treibens eine magische Wirkung. Das beweist schon der alte Zau¬<lb/> berglaube. Einem geheimnißvollen Murmeln unverstandener Laute<lb/> wird Macht über Natur und Geist zugeschrieben, und zwar nur<lb/> darum, weil der Mensch solche Macht an sich selber erfahren. Dieser<lb/> in die fabelhaften Zeiten eines grauen Alterthums schon längst ver¬<lb/> wiesene Köhlerglaube aber schien plötzlich seine Wahrhcü von Neuem<lb/> zu bekunden. Die Zauberworte der absoluten Philosophie bannten al¬<lb/> les Leben der Individuen, und. man pries sich noch dazu in seinem<lb/> Starrkrampfe glücklich. Es steckt im Menschen ein mehr oder weni¬<lb/> ger aristokratisches Element. Man will auf dem Pfade der Ge¬<lb/> wöhnlichkeit um keinen Preis mit fortschreiten, und sollte in.an selbst<lb/> deshalb seinen gesunden Menschenverstand in den Kauf geben. Bei¬<lb/> spiele dieser Art bietet das Leben im Ueberfluß dar. Noch ist kaum die<lb/> Zeit vergangen , daß es die Mode der höhern Stände mit sich<lb/> brachte, krank zu sein, und wenn man das Unglück hatte, nichts de-<lb/> stoweniger in allen Gliedern die volle Kraft der Gesundheit zu füh¬<lb/> len, wenigstens den entgegengesetzten Anschein zu haben. Gesundsein<lb/> konnte ja — Jeder. Hier war eine ganz ähnliche Erscheinung.,<lb/> In die tiefen Geheimnisse der völligen UnVerständlichkeit deS Denkens<lb/> und Schreibens eingeweiht zu sein; ward zur Verpflichtung gegen die<lb/> Majestät der souveränen Idee. '-^ Das Hofschranzmpack wird oft<lb/> genug um seiner ceremoniellen Steifheit, seiner konventionellen Rede¬<lb/> weise willen auf der Bühne preisgegeben, und der „gesunde Menschen¬<lb/> verstand" ist läppisch genug, über solche Puppenkomödie ein un¬<lb/> auslöschliches Gelächter aufzuschlagen. Hier hatte sich denn um den<lb/> Thron der absoluten Idee ein ganz neues Hof- und Etiquettenwe¬<lb/> sen geschaart, welches auf die volksmäßige nüchterne Besonnenheit ei-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grcnzbottn INi/.. II. 5</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
dene Sprache mußte also, um sich vom Pvbelthum der alltäglichen
Redeweise zu unterscheiden, die Worte in einem andern Sinne ge¬
brauchen — ihnen neue Bildung verleihen oder, wo dies nicht thun¬
lich war, die fremden Sprachen als Surrogat in Anspruch nehmen-
In solchen Dingen aber ist die Thatsache das einzig Entscheidende?
wird diese verlassen, so ist der Willkür Thor und Thür geöffnet
Man begann demgemäß auch in der That ein wirres Spiel, ein
deutelndes Drehen und Wenden der Worte und baute darauf -5
aus Wortklang und Wortähnlichkeit gar oft — Beweise. Es hat
die Willkür aber und der geheimnißvolle mysteriöse Anstrich solchen
Treibens eine magische Wirkung. Das beweist schon der alte Zau¬
berglaube. Einem geheimnißvollen Murmeln unverstandener Laute
wird Macht über Natur und Geist zugeschrieben, und zwar nur
darum, weil der Mensch solche Macht an sich selber erfahren. Dieser
in die fabelhaften Zeiten eines grauen Alterthums schon längst ver¬
wiesene Köhlerglaube aber schien plötzlich seine Wahrhcü von Neuem
zu bekunden. Die Zauberworte der absoluten Philosophie bannten al¬
les Leben der Individuen, und. man pries sich noch dazu in seinem
Starrkrampfe glücklich. Es steckt im Menschen ein mehr oder weni¬
ger aristokratisches Element. Man will auf dem Pfade der Ge¬
wöhnlichkeit um keinen Preis mit fortschreiten, und sollte in.an selbst
deshalb seinen gesunden Menschenverstand in den Kauf geben. Bei¬
spiele dieser Art bietet das Leben im Ueberfluß dar. Noch ist kaum die
Zeit vergangen , daß es die Mode der höhern Stände mit sich
brachte, krank zu sein, und wenn man das Unglück hatte, nichts de-
stoweniger in allen Gliedern die volle Kraft der Gesundheit zu füh¬
len, wenigstens den entgegengesetzten Anschein zu haben. Gesundsein
konnte ja — Jeder. Hier war eine ganz ähnliche Erscheinung.,
In die tiefen Geheimnisse der völligen UnVerständlichkeit deS Denkens
und Schreibens eingeweiht zu sein; ward zur Verpflichtung gegen die
Majestät der souveränen Idee. '-^ Das Hofschranzmpack wird oft
genug um seiner ceremoniellen Steifheit, seiner konventionellen Rede¬
weise willen auf der Bühne preisgegeben, und der „gesunde Menschen¬
verstand" ist läppisch genug, über solche Puppenkomödie ein un¬
auslöschliches Gelächter aufzuschlagen. Hier hatte sich denn um den
Thron der absoluten Idee ein ganz neues Hof- und Etiquettenwe¬
sen geschaart, welches auf die volksmäßige nüchterne Besonnenheit ei-
Grcnzbottn INi/.. II. 5
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