nen, liebenswürdigen Geschwätzigkeit gesagt? Kaum wollte ich mich nun endlich wieder niederlegen, als ich durch die Bretterwand, die mich von ihrem Zimmer trennte, die Alte aus dem Bett springen und das Fenster öffnen hörte. Sie war wahrscheinlich erst jetzt wieder etwas zur Besinnung gekommen, die Wuth war wieder erwacht und so sing sie nun an, in die Nacht hinaus auf den Wirth, die Wir¬ thin und jede einzelne Person des Hauses zu schimpfen. Die nicht gerade liebliche Stimme des wunderlichen Weibes, dieser Strom der ausgesuchtesten Schimpfwörter, die sich nur immer wiederholten, da Niemand daraus antwortete, bildeten einen eigenen Contrast zu der tiefen, feierlichen Stille ringsumher. Die Alte ließ mit ihrem wüthen¬ den Geschrei erst nach, als ich es ihr derb und ernst untersagte, und es mochte wohl schon vier Uhr sein, ehe ich wieder die gehörig.- Ruhe gewonnen hatte, einzuschlafen.
^ 'Z.''>
, Als ich am anderen Morgen nicht gerade in aller Früh-, noch ermüdet und etwas ärgerlich über den Nachtlärm, beim Kaffee saß, trat ein fashionabler junger Mann in glänzendweißen Glacehand¬ schuhen zu mir ein, dessen Gesichtszüge mir bekannt schienen. Bei seinem Nähertreten erkannte ich in ihm den Sohn eines hohen Be¬ amten, den ich früher schon in Gesellschaften gesehen und Clavier spielen gehört hatte. Er war eine jener Figuren, wie man sie in Berlin häufig sieht und daher leicht mit einander verwechseln kann; mit allen möglichen äußeren Mitteln und Anlagen begabt, um in den Berliner Damengesellschaften auf den Ruf eines höchst interessan¬ ten und liebenswürdigen Mannes Anspruch zu machen. Denn der junge Mann hatte ein bleiches, glattes, nicht gerade unregelmäßiges Gesicht mit zwei verschwimmenden, graublauen Augen und einem sentimental lächelnden Zug um den Mund, das hellbraune Haar glatt und schlicht an beiden Schläfen herabhängend und dazu höchst zierliche, geschmeidige Bewegungen. Meine Ahnung war richtig, daß dies der Felir sein müsse, von dem ich in der Nacht so viel gehört hatte. Doch hieß er nicht Felir und nannte sich, wie er sagte, nur so, um seinen Faun ennamen nicht bekannt werden zu lassen. Er war übrigens betroffen, in mir einen entfernten Bekannten zu finden. Als er kaum in das Haus getreten, war Hin die Alte
44*
nen, liebenswürdigen Geschwätzigkeit gesagt? Kaum wollte ich mich nun endlich wieder niederlegen, als ich durch die Bretterwand, die mich von ihrem Zimmer trennte, die Alte aus dem Bett springen und das Fenster öffnen hörte. Sie war wahrscheinlich erst jetzt wieder etwas zur Besinnung gekommen, die Wuth war wieder erwacht und so sing sie nun an, in die Nacht hinaus auf den Wirth, die Wir¬ thin und jede einzelne Person des Hauses zu schimpfen. Die nicht gerade liebliche Stimme des wunderlichen Weibes, dieser Strom der ausgesuchtesten Schimpfwörter, die sich nur immer wiederholten, da Niemand daraus antwortete, bildeten einen eigenen Contrast zu der tiefen, feierlichen Stille ringsumher. Die Alte ließ mit ihrem wüthen¬ den Geschrei erst nach, als ich es ihr derb und ernst untersagte, und es mochte wohl schon vier Uhr sein, ehe ich wieder die gehörig.- Ruhe gewonnen hatte, einzuschlafen.
^ 'Z.''>
, Als ich am anderen Morgen nicht gerade in aller Früh-, noch ermüdet und etwas ärgerlich über den Nachtlärm, beim Kaffee saß, trat ein fashionabler junger Mann in glänzendweißen Glacehand¬ schuhen zu mir ein, dessen Gesichtszüge mir bekannt schienen. Bei seinem Nähertreten erkannte ich in ihm den Sohn eines hohen Be¬ amten, den ich früher schon in Gesellschaften gesehen und Clavier spielen gehört hatte. Er war eine jener Figuren, wie man sie in Berlin häufig sieht und daher leicht mit einander verwechseln kann; mit allen möglichen äußeren Mitteln und Anlagen begabt, um in den Berliner Damengesellschaften auf den Ruf eines höchst interessan¬ ten und liebenswürdigen Mannes Anspruch zu machen. Denn der junge Mann hatte ein bleiches, glattes, nicht gerade unregelmäßiges Gesicht mit zwei verschwimmenden, graublauen Augen und einem sentimental lächelnden Zug um den Mund, das hellbraune Haar glatt und schlicht an beiden Schläfen herabhängend und dazu höchst zierliche, geschmeidige Bewegungen. Meine Ahnung war richtig, daß dies der Felir sein müsse, von dem ich in der Nacht so viel gehört hatte. Doch hieß er nicht Felir und nannte sich, wie er sagte, nur so, um seinen Faun ennamen nicht bekannt werden zu lassen. Er war übrigens betroffen, in mir einen entfernten Bekannten zu finden. Als er kaum in das Haus getreten, war Hin die Alte
44*
<TEI><text><body><div><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0355"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180914"/><pxml:id="ID_842"prev="#ID_841"> nen, liebenswürdigen Geschwätzigkeit gesagt? Kaum wollte ich mich<lb/>
nun endlich wieder niederlegen, als ich durch die Bretterwand, die<lb/>
mich von ihrem Zimmer trennte, die Alte aus dem Bett springen und<lb/>
das Fenster öffnen hörte. Sie war wahrscheinlich erst jetzt wieder<lb/>
etwas zur Besinnung gekommen, die Wuth war wieder erwacht und<lb/>
so sing sie nun an, in die Nacht hinaus auf den Wirth, die Wir¬<lb/>
thin und jede einzelne Person des Hauses zu schimpfen. Die nicht<lb/>
gerade liebliche Stimme des wunderlichen Weibes, dieser Strom der<lb/>
ausgesuchtesten Schimpfwörter, die sich nur immer wiederholten, da<lb/>
Niemand daraus antwortete, bildeten einen eigenen Contrast zu der<lb/>
tiefen, feierlichen Stille ringsumher. Die Alte ließ mit ihrem wüthen¬<lb/>
den Geschrei erst nach, als ich es ihr derb und ernst untersagte, und<lb/>
es mochte wohl schon vier Uhr sein, ehe ich wieder die gehörig.- Ruhe<lb/>
gewonnen hatte, einzuschlafen.</p><lb/></div><divn="3"><head> ^ 'Z.''></head><lb/><pxml:id="ID_843"next="#ID_844"> ,<lb/>
Als ich am anderen Morgen nicht gerade in aller Früh-, noch<lb/>
ermüdet und etwas ärgerlich über den Nachtlärm, beim Kaffee saß,<lb/>
trat ein fashionabler junger Mann in glänzendweißen Glacehand¬<lb/>
schuhen zu mir ein, dessen Gesichtszüge mir bekannt schienen. Bei<lb/>
seinem Nähertreten erkannte ich in ihm den Sohn eines hohen Be¬<lb/>
amten, den ich früher schon in Gesellschaften gesehen und Clavier<lb/>
spielen gehört hatte. Er war eine jener Figuren, wie man sie in<lb/>
Berlin häufig sieht und daher leicht mit einander verwechseln kann;<lb/>
mit allen möglichen äußeren Mitteln und Anlagen begabt, um in<lb/>
den Berliner Damengesellschaften auf den Ruf eines höchst interessan¬<lb/>
ten und liebenswürdigen Mannes Anspruch zu machen. Denn der<lb/>
junge Mann hatte ein bleiches, glattes, nicht gerade unregelmäßiges<lb/>
Gesicht mit zwei verschwimmenden, graublauen Augen und einem<lb/>
sentimental lächelnden Zug um den Mund, das hellbraune Haar<lb/>
glatt und schlicht an beiden Schläfen herabhängend und dazu höchst<lb/>
zierliche, geschmeidige Bewegungen. Meine Ahnung war richtig, daß<lb/>
dies der Felir sein müsse, von dem ich in der Nacht so viel gehört<lb/>
hatte. Doch hieß er nicht Felir und nannte sich, wie er sagte, nur<lb/>
so, um seinen Faun ennamen nicht bekannt werden zu lassen.<lb/>
Er war übrigens betroffen, in mir einen entfernten Bekannten zu<lb/>
finden. Als er kaum in das Haus getreten, war Hin die Alte</p><lb/><fwtype="sig"place="bottom"> 44*</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[0355]
nen, liebenswürdigen Geschwätzigkeit gesagt? Kaum wollte ich mich
nun endlich wieder niederlegen, als ich durch die Bretterwand, die
mich von ihrem Zimmer trennte, die Alte aus dem Bett springen und
das Fenster öffnen hörte. Sie war wahrscheinlich erst jetzt wieder
etwas zur Besinnung gekommen, die Wuth war wieder erwacht und
so sing sie nun an, in die Nacht hinaus auf den Wirth, die Wir¬
thin und jede einzelne Person des Hauses zu schimpfen. Die nicht
gerade liebliche Stimme des wunderlichen Weibes, dieser Strom der
ausgesuchtesten Schimpfwörter, die sich nur immer wiederholten, da
Niemand daraus antwortete, bildeten einen eigenen Contrast zu der
tiefen, feierlichen Stille ringsumher. Die Alte ließ mit ihrem wüthen¬
den Geschrei erst nach, als ich es ihr derb und ernst untersagte, und
es mochte wohl schon vier Uhr sein, ehe ich wieder die gehörig.- Ruhe
gewonnen hatte, einzuschlafen.
^ 'Z.''>
,
Als ich am anderen Morgen nicht gerade in aller Früh-, noch
ermüdet und etwas ärgerlich über den Nachtlärm, beim Kaffee saß,
trat ein fashionabler junger Mann in glänzendweißen Glacehand¬
schuhen zu mir ein, dessen Gesichtszüge mir bekannt schienen. Bei
seinem Nähertreten erkannte ich in ihm den Sohn eines hohen Be¬
amten, den ich früher schon in Gesellschaften gesehen und Clavier
spielen gehört hatte. Er war eine jener Figuren, wie man sie in
Berlin häufig sieht und daher leicht mit einander verwechseln kann;
mit allen möglichen äußeren Mitteln und Anlagen begabt, um in
den Berliner Damengesellschaften auf den Ruf eines höchst interessan¬
ten und liebenswürdigen Mannes Anspruch zu machen. Denn der
junge Mann hatte ein bleiches, glattes, nicht gerade unregelmäßiges
Gesicht mit zwei verschwimmenden, graublauen Augen und einem
sentimental lächelnden Zug um den Mund, das hellbraune Haar
glatt und schlicht an beiden Schläfen herabhängend und dazu höchst
zierliche, geschmeidige Bewegungen. Meine Ahnung war richtig, daß
dies der Felir sein müsse, von dem ich in der Nacht so viel gehört
hatte. Doch hieß er nicht Felir und nannte sich, wie er sagte, nur
so, um seinen Faun ennamen nicht bekannt werden zu lassen.
Er war übrigens betroffen, in mir einen entfernten Bekannten zu
finden. Als er kaum in das Haus getreten, war Hin die Alte
44*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/355>, abgerufen am 06.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.