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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Nachlässigkeit und Absichtlichkeit des Anpassens für diese oder jene
Schauspielerin vorwerfen muß, gefiel vorzüglich das Lied vom
Frauenherzen, eines der beliebtesten Paradepferde der Madame
Rettich.

Eines der schönsten Etablissements, nicht nur in Trieft, sondern
in Europa, für Einheimische sowohl als für Fremde, ist das Lloyd;
es ist von einer Aktiengesellschaft gegründet, bei der Rothschilds die
meist betheiligten sind. Seine Dampfschiffe, gegen zwanzig an der
Zahl, durchschiffen alle Meere; eine merkwürdige Thatsache ist es,
daß noch nie der geringste Unfall eines derselben getroffen hat. Da
ist wohl viel Glück dabei, aber auch etwas Verdienst, weil in der
Wahl der Angestellten, vom Capitän bis zum Schiffsjungen, mit
der größten Umsicht und Gewissenhaftigkeit verfahren wird. Vor zwei
Jahren ungefähr ließ die Gesellschaft an einem der beliebtesten Plätze
(Eck des Corso, vis-a-vis dem l<-aer" ^rum"I"z) das sogenannte Ter-
cisteo in's Leben treten; ein wahrer Prachtbau! im edelsten Styl!
Ein großer Theil desselben an Wohnungen und Boutiquen ist ver¬
miethet; der erste Stock, prächtig meublirt, dient zu besonderen Ge¬
legenheiten, so ist er jetzt bei der bevorstehenden Ankunft des Kaisers,
der im Gubernialgebäude wohnen soll, für den Gouverneur bestimmt.
An ebener Erde wird das Gebäude von Osten nach Westen und von
Süden nach Norden von zwei langen, mit Glas bedeckten, äußerst
elegant und solid gebauten Hallen durchschnitten, die sich in der Mitte
begegnen. Bei gutem Wetter im Freien, wird im schlechten in die¬
sen Räumen die Börse gehalten, und unmittelbar an derselben, auch
zu ebener Erde, befinden sich ein Cafe, der Eonversationssaal, die
Spielzimmer, ein Schrcibezimmer, der Directionssaal und das Lese-
cabinet. In letzterm findet man nebst Tagsbrochurcn wohl gegen
sechzig deutsche, italienische, englische, französische, spanische Zeitungen,
sowohl politische als belletristische; bei letzter" wäre eine etwas stren¬
gere ästhetische Auswahl wünschenswerth; die angestellten Eustoden sind
von der äußersten Höflichkeit.

Hier finden sich auch die meisten Deutschen, die etwa noch ein
Interesse für Literatur und Politik im weitern als österreichischen
Sinne haben. Leider findet man von deutschen Blättern nur die in
Oesterreich erlaubten vor, d. h. die Allgemeine Zeitung und die öster¬
reichischen Fabrikate. Triest ist eine freie Hafenstadt, wo Alles hinein
darf, mit Ausnahme von -- Ideen.


Nachlässigkeit und Absichtlichkeit des Anpassens für diese oder jene
Schauspielerin vorwerfen muß, gefiel vorzüglich das Lied vom
Frauenherzen, eines der beliebtesten Paradepferde der Madame
Rettich.

Eines der schönsten Etablissements, nicht nur in Trieft, sondern
in Europa, für Einheimische sowohl als für Fremde, ist das Lloyd;
es ist von einer Aktiengesellschaft gegründet, bei der Rothschilds die
meist betheiligten sind. Seine Dampfschiffe, gegen zwanzig an der
Zahl, durchschiffen alle Meere; eine merkwürdige Thatsache ist es,
daß noch nie der geringste Unfall eines derselben getroffen hat. Da
ist wohl viel Glück dabei, aber auch etwas Verdienst, weil in der
Wahl der Angestellten, vom Capitän bis zum Schiffsjungen, mit
der größten Umsicht und Gewissenhaftigkeit verfahren wird. Vor zwei
Jahren ungefähr ließ die Gesellschaft an einem der beliebtesten Plätze
(Eck des Corso, vis-a-vis dem l<-aer« ^rum«I»z) das sogenannte Ter-
cisteo in's Leben treten; ein wahrer Prachtbau! im edelsten Styl!
Ein großer Theil desselben an Wohnungen und Boutiquen ist ver¬
miethet; der erste Stock, prächtig meublirt, dient zu besonderen Ge¬
legenheiten, so ist er jetzt bei der bevorstehenden Ankunft des Kaisers,
der im Gubernialgebäude wohnen soll, für den Gouverneur bestimmt.
An ebener Erde wird das Gebäude von Osten nach Westen und von
Süden nach Norden von zwei langen, mit Glas bedeckten, äußerst
elegant und solid gebauten Hallen durchschnitten, die sich in der Mitte
begegnen. Bei gutem Wetter im Freien, wird im schlechten in die¬
sen Räumen die Börse gehalten, und unmittelbar an derselben, auch
zu ebener Erde, befinden sich ein Cafe, der Eonversationssaal, die
Spielzimmer, ein Schrcibezimmer, der Directionssaal und das Lese-
cabinet. In letzterm findet man nebst Tagsbrochurcn wohl gegen
sechzig deutsche, italienische, englische, französische, spanische Zeitungen,
sowohl politische als belletristische; bei letzter» wäre eine etwas stren¬
gere ästhetische Auswahl wünschenswerth; die angestellten Eustoden sind
von der äußersten Höflichkeit.

Hier finden sich auch die meisten Deutschen, die etwa noch ein
Interesse für Literatur und Politik im weitern als österreichischen
Sinne haben. Leider findet man von deutschen Blättern nur die in
Oesterreich erlaubten vor, d. h. die Allgemeine Zeitung und die öster¬
reichischen Fabrikate. Triest ist eine freie Hafenstadt, wo Alles hinein
darf, mit Ausnahme von — Ideen.


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[0332] Nachlässigkeit und Absichtlichkeit des Anpassens für diese oder jene Schauspielerin vorwerfen muß, gefiel vorzüglich das Lied vom Frauenherzen, eines der beliebtesten Paradepferde der Madame Rettich. Eines der schönsten Etablissements, nicht nur in Trieft, sondern in Europa, für Einheimische sowohl als für Fremde, ist das Lloyd; es ist von einer Aktiengesellschaft gegründet, bei der Rothschilds die meist betheiligten sind. Seine Dampfschiffe, gegen zwanzig an der Zahl, durchschiffen alle Meere; eine merkwürdige Thatsache ist es, daß noch nie der geringste Unfall eines derselben getroffen hat. Da ist wohl viel Glück dabei, aber auch etwas Verdienst, weil in der Wahl der Angestellten, vom Capitän bis zum Schiffsjungen, mit der größten Umsicht und Gewissenhaftigkeit verfahren wird. Vor zwei Jahren ungefähr ließ die Gesellschaft an einem der beliebtesten Plätze (Eck des Corso, vis-a-vis dem l<-aer« ^rum«I»z) das sogenannte Ter- cisteo in's Leben treten; ein wahrer Prachtbau! im edelsten Styl! Ein großer Theil desselben an Wohnungen und Boutiquen ist ver¬ miethet; der erste Stock, prächtig meublirt, dient zu besonderen Ge¬ legenheiten, so ist er jetzt bei der bevorstehenden Ankunft des Kaisers, der im Gubernialgebäude wohnen soll, für den Gouverneur bestimmt. An ebener Erde wird das Gebäude von Osten nach Westen und von Süden nach Norden von zwei langen, mit Glas bedeckten, äußerst elegant und solid gebauten Hallen durchschnitten, die sich in der Mitte begegnen. Bei gutem Wetter im Freien, wird im schlechten in die¬ sen Räumen die Börse gehalten, und unmittelbar an derselben, auch zu ebener Erde, befinden sich ein Cafe, der Eonversationssaal, die Spielzimmer, ein Schrcibezimmer, der Directionssaal und das Lese- cabinet. In letzterm findet man nebst Tagsbrochurcn wohl gegen sechzig deutsche, italienische, englische, französische, spanische Zeitungen, sowohl politische als belletristische; bei letzter» wäre eine etwas stren¬ gere ästhetische Auswahl wünschenswerth; die angestellten Eustoden sind von der äußersten Höflichkeit. Hier finden sich auch die meisten Deutschen, die etwa noch ein Interesse für Literatur und Politik im weitern als österreichischen Sinne haben. Leider findet man von deutschen Blättern nur die in Oesterreich erlaubten vor, d. h. die Allgemeine Zeitung und die öster¬ reichischen Fabrikate. Triest ist eine freie Hafenstadt, wo Alles hinein darf, mit Ausnahme von — Ideen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/332>, abgerufen am 23.07.2024.